Versorgung mit Defiziten
Gravierende Lücken bei der Schmerzmedizin
Zehn Millionen Menschen in Deutschland leiden unter chronischen Schmerzen, jeder Fünfte kämpft zwanzig Jahre und länger gegen den Schmerz an. Der Ärztetag sieht Handlungsbedarf.
Veröffentlicht:DÜSSELDORF. "Patienten erwarten, dass sie in der Klinik Schmerzen erleiden, wir Ärzte sorgen dafür, dass sie nicht enttäuscht werden". Professor Wolfgang Koppert von der MH Hannover hat diesen Satz bei der Diskussion zur Schmerztherapie beim Ärztetag zitiert, wer genau ihn so formuliert habe, wisse er nicht, sagte Koppert. Gleichwohl weist er darauf hin, dass es gravierende Defizite bei der Akutschmerztherapie in Klinken gibt.
Die Delegierten waren sich einig: Es hänge derzeit vom Engagement einzelner Ärzte, Pflegekräfte und verantwortungsbewusster Klinikträger ab, die notwendigen schmerzmedizinischen Strukturen zu schaffen und zu unterhalten. Hier bestehe dringend Handlungsbedarf.
Probleme in der schmerzmedizinischen Versorgung gibt es aber längst nicht nur in Kliniken. Immer noch gibt es reichlich Hinweise aus Forschung und Praxis, dass viele Menschen auch im ambulanten Bereich von schmerztherapeutischen Angeboten gar nicht erst erreicht werden.
Der Forderungskatalog der Delegierten: Um Schmerzmedizin zu stärken, ist ein niedrigschwelliger, vom Hausarzt koordinierter Zugang zu allen schmerzmedizinischen Versorgungsebenen nötig. Zwingend erforderlich ist eine strukturierte Patientenführung mit enger ambulant-stationärer Verzahnung.
Dazu werden der Aufbau von flächendeckenden regionalen Netzwerken und integrierten Versorgungsprogrammen gefordert. Und schließlich müssen schmerztherapeutische Einrichtungen auch in der vertragsärztlichen Bedarfsplanung berücksichtigt werden.
Schmerzmedizinische Kompetenz muss in der ärztlichen Aus-, Fort- und Weiterbildung gestärkt werden, fordert der Ärzetag weiter. Dabei gibt es durchaus positive Entwicklungen: Verfügten 2005 bundesweit 3181 Ärzte über die Zusatzweiterbildung Spezielle Schmerztherapie, hatten sich 2012 bereits 4686 Ärzte entsprechend qualifiziert.
Die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer Dr. Martina Wenker ließ keinen Zweifel, dass hier auch in Zukunft Hausaufgaben zu machen sind: "Jeder klinisch tätige Arzt muss mit den schmerzmedizinischen Problemen seiner Patienten vertraut sein. Das ist eine ärztliche Verpflichtung", sagte sie.
Kooperationsbereitschaft ist bei der Schmerztherapie gefragt, und da muss allerdings auch die Vergütung stimmen, stellte Professor Martin Scherer, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin, klar. "Wenn das Wartezimmer endlich leer ist, dann soll ich bei den Kollegen anrufen - und das auf eigene Rechnung? Das kann es natürlich nicht sein!"