Impfkampagne

Hausärzte beklagen enormen Mehraufwand durch neue STIKO-Empfehlung

Kommt es jetzt nach der Verkürzung der Impfschemata zu einer Beschleunigung der Impfkampagne? Oder gerät der Motor erst einmal ins Stottern? Die Hausärzte springen jedenfalls mal wieder in die Bresche.

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Was bisher nur für unter 60-Jährige empfohlen war, gilt jetzt auch für Ältere: Nach Erstimpfung mit Vaxzevria wird nun empfohlen, nach vier Wochen die Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff zu setzen.

Was bisher nur für unter 60-Jährige empfohlen war, gilt jetzt auch für Ältere: Nach Erstimpfung mit Vaxzevria® wird nun empfohlen, nach vier Wochen die Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff zu setzen.

© [M] Matthias Stolt / stock.adobe.com

Berlin. Nach der neuen Impfempfehlung für eine sogenannte Kreuzimpfung nach einer Erstimpfung mit Vaxzevria® beklagen die Hausärzte einen „enormen Mehraufwand“. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), Patienten seien verunsichert, erfragten, welchen Impfstoff sie nun bei der Zweitimpfung erhalten würden und wollten auch ihren Termin entsprechend vorziehen.

Durch die neue Impfempfehlung der STIKO wird der Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung verkürzt. Zwischen zwei Vaxzevria®-Impfungen liegen neun bis zwölf Wochen. Bei der Kreuzimpfung – AstraZeneca zur Erstimpfung und ein mRNA-Impfstoff von Moderna oder von BioNTech/Pfizer (Comirnaty®) bei der Zweitimpfung – reichen vier Wochen. Die schnellere Impfung soll auch einer weiteren Ausbreitung der als ansteckender geltenden Delta-Virusvariante entgegenwirken.

Die Kreuzimpfung ist bekanntlich eine Empfehlung, kein Muss. Wer möchte, kann auch bei zwei Vaxzevria®-Impfungen bleiben. Jede der möglichen Impfstoff-Kombinationen sei wirksam, hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag gesagt.

Hausärzte vermissen frühzeitige Einbindung

Die Anpassung der Impfempfehlung habe bereits am ersten Tag in vielen Praxen für einen „enormen Mehraufwand“ gesorgt, sagte Weigeldt. Für die Patientinnen und Patienten mache der Impfabstand gerade mit Blick auf die anstehenden Sommerferien einen großen Unterschied. Natürlich sei es Aufgabe der Wissenschaft, Empfehlungen dem aktuellen Erkenntnisstand anzupassen.

„Das spricht aber nicht gegen eine klare Kommunikation und die frühzeitige Einbindung derer, die letztlich die Empfehlungen umsetzen. Wenn wir ins Schlingern kommen, dann auch die gesamte Impfkampagne.“

Kritik an der plötzlichen Änderung der Impfempfehlung der STIKO kommt auch aus den Landesverbänden: Die Landesvorsitzende des Hausärzteverbands, Barbara Römer, sagte, die Kreuzimpfung mit zwei unterschiedlichen Impfstoffen zum Schutz vor einer Infektion mit der sich ausbreitenden Delta-Variante sei medizinisch sinnvoll, sehr effizient und in den Hausarztpraxen „schon jetzt individuell gelebte Praxis“. Der Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf sei aber auch bei zwei Impfungen mit Vaxzevria® oder mit Comirnaty® äquivalent.

„Logistisches Impfchaos in Praxen“

„Mit dieser vollkommen unabgestimmten Meldung stürzt die STIKO bundesweit ohne jede Not Arztpraxen in ein logistisches Impfchaos“, kritisierte Römer. Die nicht abgestimmte Kehrtwende der Impfkommission erschüttere zum wiederholten Mal das Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen in die Impfkampagne schwer, der Schaden sei immens. Der Beratungsbedarf in den Praxen sei „erneut explodiert“ und die Umplanung langfristig abgestimmter Zweitimpfungen führe zu organisatorischem Chaos. Die Impfstoff-Bestellungen für die kommende Woche seien nicht mehr zu korrigieren und die Intervalle zwischen den Spritzen könnten nicht einfach verlängert werden.

Während viele Menschen noch nach Impfterminen suchen, lassen andere ihre ungenutzt verstreichen, ohne vorher zu stornieren. Vermutet wird, dass sich manche im Rennen um Termine an verschiedenen Orten darum bemüht haben und die ungenutzten Termine nicht absagen. Möglicherweise sinkt auch die Impfbereitschaft mit den sinkenden Corona-Zahlen.

Bußgelder für Nicht-Erscheinen ohne Absage?

In Berliner Impfzentren werden nach Angaben des Präsidenten des Berliner Roten Kreuzes (DRK), Mario Czaja, inzwischen fünf bis zehn Prozent der Termine nicht wahrgenommen. Im RBB schlug Czaja für solche Fälle Bußgelder von 25 bis 30 Euro vor. Das DRK ist bundesweit am Betrieb vieler Impfzentren beteiligt.

Wegen ausgefallener Impftermine werde aber kein Impfstoff weggeworfen, sagte ein DRK-Sprecher am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Die Spritzen würden immer erst aufgezogen, wenn die Menschen zum Termin erschienen.

Das DRK in Sachsen arbeitet nach Angaben eines Sprechers an einem Bonussystem, um die Impfbereitschaft hochzuhalten. Wer zur Impfung ins Impfzentrum kommt, soll Rabatte für Dienstleistungen oder Produkte bekommen. Details seien aber noch offen. In den Impfzentren im Freistaat ist inzwischen auch spontanes Impfen ohne Termin möglich. (dpa)

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