Herzinsuffizienz: Leitlinien aktualisiert
Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) hat nach dem letzten Update 2008 erneut ihre Leitlinien zur Herzinsuffizienz aktualisiert. Davon ist auch die Therapie mit wichtigen Medikamenten betroffen.
Veröffentlicht:SOPHIA ANTIPOLIS (ob). Modifizierungen der Therapieempfehlungen betreffen vor allem die Gruppe der Aldosteronblocker, die in den neuen ESC-Leitlinien als Mineralkortikoid-Rezeptorantagonisten (MRAs) firmieren. Dazu gehören die beiden Wirkstoffe Spironolacton und Eplerenon (Inspra®).
In den neuen Leitlinien, die am 19. Mai im European Heart Journal online publiziert wurden, ist die Position dieser Aldosteronantagonisten in der medikamentösen Standardtherapie bei systolischer Herzinsuffizienz, charakterisiert durch eine niedrige Auswurffraktion, deutlich gestärkt worden.
Sie sind jetzt neben ACE-Hemmern und Betablocker fester Bestandteil im Trio der neurohumoralen Blocker.
Die neuen Leitlinien empfehlen den Aldosteronblocker "bei allen Patienten mit persistierenden Symptomen (NYHA-Klasse II-IV) und einer Auswurffraktion = 35 Prozent trotz Behandlung mit einem ACE-Hemmer (bei Unverträglichkeit alternativ Angiotensin-Rezeptorblocker) und Betablocker", um das Risiko für vorzeitigen Tod und für Klinikeinweisungen infolge Herzinsuffizienz zu senken.
Sartane aus bisheriger Position verdrängt
Diese Ausweitung der Therapieempfehlung für die "MRAs" zeugt von einer gewissen "Liberalität" der Guideline-Auffrischer, die dabei die engen Grenzen der Studienevidenz, definiert durch die zum Teil strengen Einschlusskriterien, zugegebenermaßen ein wenig überschritten haben.
Sie sehen ihre Empfehlung allerdings durch drei große klinische Studien (RALES, EPHESUS, EMPHASIS-HF) gerechtfertigt, die alle eine Verbesserung der Überlebensrate im gesamten Spektrum der Herzinsuffizienz-Manifestationen - von der Postinfarkt-Situation bis zum fortgeschrittenen Stadium - gezeigt haben.
De facto haben die Aldosteronantagonisten die Angiotensin-Rezeptorblocker (Sartane) damit aus ihrer bisherigen Position verdrängt. Zwar werden Sartane auch weiterhin als Alternative zu ACE-Hemmern bei bestehender Unverträglichkeit empfohlen.
Bei Patienten jedoch, die trotz ACE-Hemmer und Betablockertherapie noch symptomatisch sind, tritt jetzt als Mittel der Wahl der Aldosteronblocker an die Stelle des Angiotensin-Rezeptorblockers.
Begründet wird dieser Positionswechsel mit der Tatsache, dass die Reduktion von Mortalität und Morbidität durch Eplerenon in der EMPHASIS-HF-Studie wesentlich ausgeprägter war als der klinische Nutzen, den die "Add-on"-Therapie mit Sartanen in Studien gebracht hat.
Zudem sei sowohl für Eplerenon als auch Spironolacton, nicht aber für Sartane, eine Reduktion der Gesamtmortalität belegt.
Ivabradin debütiert in den neuen Leitlinien
Mit dem Frequenzsenker Ivabradin (Procoralan®) hat es ein Neuling in den exklusiven Kreis der bei Herzinsuffizienz in den ESC-Leitlinien empfohlenen Pharmakotherapeutika geschafft.
Da die Evidenzbasis (SHIFT-Studie) schmäler ist als etwa bei den "MRAs", ist man bei der Empfehlungsstärke (Klasse IIa) etwas zurückhaltender. Die dieser Klasse zugeordnete Sprachregelung lautet: "... sollte in Betracht gezogen werden."
Demnach sollte eine Behandlung mit Ivabradin in Betracht gezogen werden, wenn bei Patienten mit Sinusrhythmus und erniedrigter Auswurffraktion die Herzinsuffizienz trotz Triple-Therapie mit einem Betablocker (in "evidenzbasierter" oder maximal tolerierter Dosis), ACE-Hemmer und Aldosteronblocker symptomatisch bleibt.
Bedingung: Die Herzfrequenz muss bei mindestens 70 Schlägen pro Minute oder höher liegen.
Diese Empfehlung weicht allerdings von der durch die EMA für die EU erteilten Zulassung ab, in der die Untergrenze bei 75 Schlägen pro Minute gezogen wird. Als mit Ivabradin erreichbares Behandlungsziel nennen die neuen Leitlinien die Reduktion von durch Herzinsuffizienz bedingten Klinikeinweisungen.
Nach den neuen Empfehlungen rangiert Ivabradin im Therapieschema schon jetzt höher als etwa die Digitalis-Therapie.
Therapien, die nicht empfohlen werden
Offenbar nicht ohne Grund zählen die neuen Leitlinien auch eine Liste von Therapien auf, die explizit nicht empfohlen werden.
Herzinsuffizienz ist demnach per se keine Indikation für eine Statin-Therapie oder für eine orale Antikoagulation (sofern kein Vorhofflimmer besteht).
Wegen möglicher Risiken sollten Glitazone und die meisten Kalziumantagonisten (mit Ausnahme von Amlodipin und Felodipin) nicht verwendet und eine Therapie mit NSAR und Cox-2-Hemmern wenn möglich vermieden werden.