Forschungsprojekt
Herzinsuffizienz: Neue Zellen für das kranke Herz
Ein Forschungsteam möchte schadhafte Gewebebereiche bei einer Herzinsuffizienz wieder reparieren – und zwar mit Hilfe von in Bioreaktoren gezüchteten Herzmuskelzellen.
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Alles wieder heil? Gezüchtete Herzmuskelzellen sollen im Herzgewebe anwachsen und Schäden bei einer Herzinsuffizienz reparieren – so die Hoffnung von Forschern.
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Hannover. In Deutschland leiden etwa vier Millionen Menschen unter einer Herzinsuffizienz. Oft geht ein Herzinfarkt voraus, wodurch der Herzmuskel ja nicht mehr mit Blut und damit Sauerstoff versorgt und das Organ unwiderruflich geschädigt wird, heißt es in einer Mitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).
Ein internationales Forschungsteam um Dr. Robert Zweigerdt, Zellbiologe an den Leibniz Forschungslaboratorien für Biotechnologie und künstliche Organe (LEBAO) der MHH und LEBAO-Leiter Professor Ulrich Martin, wollen nun eine neue Therapie entwickeln, bei der schadhafte Gewebebereiche mit Hilfe von kleinen Zellverbänden aus biotechnologisch hergestellten Herzmuskelzellen repariert werden können.
Die Europäische Union fördert das Projekt HEAL, an dem zehn Partner aus ganz Europa und Israel beteiligt sind mit mehr als sechs Millionen Euro, davon erhält die MHH als koordinierende Institution 1,4 Millionen Euro.
Herzmuskelzellen ans Ziel bringen
Weltweit arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Strategien, um zerstörtes Herzgewebe zu ersetzen. Ein vielversprechender Ansatz verwendet dabei sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen). Diese iPS-Zellen lassen sich im Labor aus „zurückprogrammierten“ Körperzellen von Erwachsenen herstellen und können dann jeden beliebigen Zelltyp des menschlichen Körpers hervorbringen – so auch Kardiomyozyten.
Neben der Herstellung solcher Kardiomyozyten aus iPS-Zellen in der klinisch benötigten Menge und Qualität besteht eine weitere große Herausforderung darin, die Zellen so ins Herz zu bringen, dass sie dort gut anwachsen und in Einklang mit dem Gesamtorgan die Herzmuskelfunktion verbessern.
Eine Möglichkeit besteht darin, die iPS-Kardiomyozyten direkt in den geschädigten Herzmuskel zu injizieren. „Der große Nachteil ist, dass auf dem Weg dorthin viele Zellen verlorengehen und nur wenige überleben und anwachsen – vor allem, wenn vereinzelte Zellen verwendet werden“,wird Zweigerdt in der Mitteilung zitiert.
Ein anderer Ansatz ist, zunächst ein Gewebekonstrukt aus den Herzmuskelzellen herzustellen und dieses dann operativ einzusetzen. Allerdings können mit dieser Methode nur Gewebeschäden an der Organoberfläche behandelt werden.
Neue Strategie mit kleinen Zellverbänden
Das HEAL-Forschungsteam verfolgt daher eine neue Strategie. „Wir setzen zwar auch auf iPS-Kardiomyozyten, wollen diese aber schon während der Produktion im Labor zu Zellaggregaten heranwachsen lassen“, erklärt der Wissenschaftler.
In speziellen Bioreaktoren sollen große Mengen dieser kugelförmigen Zellaggregate entstehen, die nicht so schnell verlorengehen, nach der Injektion ins Herzgewebe dort besser verbleiben und überleben sollen. „Wir können je nach Bedarf verschieden große Aggregate züchten, die aber dennoch klein genug sind, um sie mit einer Injektion in die gewünschte Herzregion verabreichen zu können“, so Zweigerdt.
Dass die Zellklumpen tatsächlich im Herzgewebe anwachsen und die Organfunktion verbessern, konnten die Forschenden bereits im Rahmen des von Professor Martin koordinierten Projekts iCARE im Tiermodell erfolgreich nachweisen. Im neuen Forschungsvorhaben HEAL solle die Strategien zur Herstellung und Darreichung der iPS-Kardiomyozyten-Aggregate nun so verfeinert werden, dass sie auch zur Herztherapie am Menschen eingesetzt werden kann.
Selbstmordgen soll Tumorbildung verhindern
Dieses Ziel stellt das HEAL-Team vor ganz besondere Herausforderungen. Zum einen müssen die iPS-Zellen so angepasst sein, dass die daraus hergestellten Herzmuskelzellen nach der Verabreichung in den Körper möglichst wenige Abwehrreaktionen hervorrufen und das Immunsystem somit nur geringfügig mit Medikamenten in Schach gehalten werden muss. Zum anderen müssen die Zellen besonders sicher sein. „Sie dürfen im Herzen weder Herz-Rhythmusstörungen auslösen, noch dürfen sie zu Tumoren entarten“, erklärt der Zellbiologe in der Mitteilung weiter.
Die mögliche Nebenwirkung von Arrhythmien wollen die Forschenden in einem Großtiermodell untersuchen, das besonders sensibel auf Störungen durch die fremden Kardiomyozyten reagiert. Die Gefahr einer ungewollten Tumorbildung wollen sie mit Hilfe eines genetischen Tricks bannen. „Wir bauen in die iPS-Zellen ein Selbstmordgen ein, das aktiviert werden kann, falls die applizierten Zellen im Körper entarten“, so Martin. (eb)