Internetsüchtige
Hirn tickt wie bei Drogenabhängigen
Internet-Spiele können zur Sucht werden. Im Gehirn eines Spielers kommt es dann zu Veränderungen, die auch bei Drogenabhängigen beobachtet werden. Dies haben Forscher jetzt sichtbar gemacht.
Veröffentlicht:BERLIN. Eine Studie chinesischer Forscher bestätigt die ärztliche Beobachtung, dass übermäßiges Internet-Spielen zu Kontrollverlusten und zwanghaftem Verhalten führen kann, berichtet der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e.V. (BDN).
Internetabhängigkeit müsse deshalb als mögliche Erkrankung ernst genommen werden.
Vor einer PET wird den Probanden bekannterweise eine schwach radioaktiv markierte Substanz, ein Tracer, in eine Armvenegespritzt.
Über das Blut gelangt der Tracer ins Gehirn, wo er sich an bestimmte Strukturen heftet. "Veränderungen im Aufbau und in der Aktivität des Gehirns können auf diese Weise sichtbar gemacht werden", erinnert Professor Detlef Moka, Vorsitzender des BDN, in einer Mitteilung des BDN.
Ein häufig verwendeter Tracer ist Fluordesoxyglucose oder 18F-FDG. Er wird wie Glukose, dem Hauptenergieträger im Gehirn, von den Hirnzellen aufgenommen. Ein anderer spezieller Tracer ist 11C-N-Methylspiperon oder 11C-NMSP.
Er markiert die Bindungsstellen des Botenstoffs Dopamin an dem Rezeptor D2, der im Belohnungssystem des Gehirns eine wichtige Rolle spielt.
Hirnaktivität beim Spiel untersucht
Chinesische Forscher haben jetzt beide Tracer verwendet, um die Hirnaktivität von 26 jungen Erwachsenen beim Internet-Spielen zu untersuchen (Eur J Nucl Med Mol Imaging. 2014; 41(7):1388-97).
Bei zwölf von ihnen war mit dem Internet Addiction Test nach Young eine Abhängigkeit von Online-Spielen diagnostiziert worden. Sie hatten im Durchschnitt seit 3,4 Jahren "World of Warcraft" gespielt, ein in China beliebtes Internet-Game.
In der Studie verglichen die Forscher die Hirnaktivität der Internet-Abhängigen mit denen gesunder Probanden vor und nach einer 30-minütigen Spielphase.
Bei beiden Versuchsgruppen beobachteten die Forscher eine zu erwartende gesteigerte Aktivität in dem Bereich des Gehirns, der die visuellen Reize des Videospiels verarbeitet - dem Sitz der Sehrinde.
Gleichzeitig sei es bei den zwölf Internet-Abhängigen jedoch zu einer verminderten Aktivität im Temporallappen und im präfrontalen Cortex gekommen, heißt es in der Mitteilung. Letzterer ist für die Steuerung vernünftiger Handlungen zuständig.
Störungen in diesem Bereich seien typisch für ein Suchtverhalten, wie es auch bei Drogenabhängigen gefunden werde. Das habe zuvor der US-amerikanische Psychiater und Suchtforscher Jon E. Grant herausgefunden.
Veränderungen wie bei Glücksspiel
Auch krankhafte Glücksspieler zeigen eine verringerte Aktivität in Hirnarealen, die für vernünftige Entscheidungsfindung und die Kontrolle von impulsivem Verhalten zuständig sind. Dies belegen, so der BDN, Studien des Psychiaters Professors Marc N. Potenza von der Universität Yale, die auf MRT-Untersuchungen basieren.
Einen weiteren Hinweis auf ein Suchtverhalten lieferte die chinesische Studie durch die PET-Darstellung der D2-Rezeptoren mit dem Tracer 11C-NMSP. Bei den Online-Spielern war die Zahl dieser Andockstellen für den Botenstoff Dopamin vermindert.
"Dies war umso ausgeprägter, je höher die Abhängigkeitswerte im Young-Test waren und je mehr Erfahrung die Spieler mit ‚World of Warcraft‘ hatten", so Moka.
Die Kombination aus D2-Rezeptormangel und verminderter Hirnaktivität in den präfrontalen Entscheidungszentren ist ein typisches Merkmal der Drogensucht - es lässt sich etwa bei Methamphetamin-Süchtigen nachweisen.
"Auch wenn es sich bei der chinesischen Forschungsarbeit um eine kleine Studie handelt, bestätigen die PET-Untersuchungen doch bisherige Ergebnisse der Suchtforschung", bilanziert Moka.
Die neuronalen Mechanismen, die der stoffgebundenen Drogensucht und der Internetabhängigkeit zugrunde liegen, könnten ähnlich sein. Einige Experten fordern, exzessive Internetabhängigkeit als Erkrankung so ernst zu nehmen wie etwa krankhafte Glücksspielsucht. (eb)