Parkinson

Hirnstimulation auch für junge Patienten

Treten bei Parkinsonkranken die ersten motorischen Komplikationen auf, können sie bereits von einer Hirnstimulation profitieren. Die Lebensqualität und die motorische Leistung sind damit deutlich besser - und es braucht weniger Arzneien.

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Elektroden am Kopf.

Elektroden am Kopf.

© BVMed

KIEL. Eine tiefe Hirnstimulation (THS) bei Parkinsonkranken wird meist erst als Ultima Ratio erwogen, wenn sich die motorischen Symptome medikamentös nicht mehr ausreichend kontrollieren lassen und die Lebensqualität der Patienten durch die Krankheit schwer reduziert ist.

Dann sind die meisten Patienten im Schnitt schon elf bis 13 Jahre erkrankt, berichtet ein deutsch-französisches Forscherteam um den Neurologen Professor Günther Deuschl vom Uniklinikum in Kiel.

Schon lange wird vermutet, dass solche Patienten viel früher von einer THS profitieren könnten, dass man also nicht erst warten muss, bis die Lebensqualität schlecht ist.

Dies haben die Forscher um Deuschl nun in der Studie EARLYSTIM mit 251 Patienten geprüft, die erste motorische Komplikationen wie Dyskinesien und Wirkungsfluktuationen zeigten (N Engl J Med 2013; 368: 610).

Ein Einschlusskriterium war, dass solche Komplikationen erst seit drei Jahren oder weniger bestanden - sie waren daher erst leicht bis moderat.

Die Patienten mussten auch noch alle recht gut auf L-Dopa ansprechen. Mit einem Durchschnittsalter von 55 Jahren waren sie relativ jung und im Schnitt erst seit 7,5 Jahren erkrankt.

Die Stimulation brachte mehr als erwartet

Hirnchirurgen pflanzten nun knapp der Hälfte der Patienten Elektroden in den Nucleus subthalamicus ein. Diese Patienten erhielten aber weiterhin ihre dopaminerge Medikation. Die andere Hälfte wurde lediglich optimal medikamentös versorgt.

Primärer Endpunkt war die Lebensqualität nach zwei Jahren. Diese verschlechterte sich mit alleiniger medikamentöser Versorgung geringfügig um 0,2 Punkte auf einer 100-Punkte-Slaka, mit zusätzlicher THS verbesserte sie sich dagegen um 7,8 Punkte (von 30,2 auf 22,4 Punkte).

"Die Verbesserung der Lebensqualität durch die THS bestätigt frühere Ergebnisse für länger erkrankte Patienten mit schwersten Symptomen", so Deuschl in einer Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). "Dies war nicht erwartet worden, weil die Krankheit in diesem Stadium auch noch medikamentös behandelt werden kann."

Die bessere Lebensqualität machte sich in vielen Bereichen bemerkbar. So hatten die Patienten mit THS weniger Probleme bei ihren Alltagsaktivitäten - auf der Parkinsonskala UPDRS II verbesserte sich der Wert mit THS von 15,0 auf 10,5 Punkte, ohne THS verschlechterte er sich dagegen von 14,8 auf 16,5 Punkte.

Auch die Mobilität in den Off-Phasen, gemessen mit der Skala UPDRS III, verbesserte sich mit der THS von 33,2 auf 15,7 Punkte. Nur mit Medikamenten gab es kaum eine Veränderung (33,0 zu 31,8 Punkten).

Schließlich hatten die Patienten mit THS auch deutlich weniger mit motorischen Komplikationen zu kämpfen als die Patienten ohne Neurostimulation und benötigten eine knapp 40 Prozent geringere Dosis der dopaminergen Arzneien. Ohne THS nahm die benötigte Dosis dagegen um 21 Prozent zu.

Änderungen der Leitlinien erwartet

Bei den Patienten mit THS kam es 27-mal zu operationsbedingten Komplikationen, die jedoch weitgehend folgenlos blieben.

Doch auch unter den 127 nur medikamentös behandelten Patienten war es zu 56 schwerwiegenden Nebenwirkungen gekommen. Insgesamt hätten die jüngeren Patienten in dieser Studie die Operation aber besser vertragen, als dies bei früheren Studien mit älteren Patienten der Fall war, berichtet Deuschl.

"Diese Daten werden wahrscheinlich die Leitlinien zur Behandlung der Krankheit verändern, sodass die Neurostimulation schon viel früher beim Morbus Parkinson genutzt werden kann und deutlich mehr Parkinsonpatienten diese Therapieoption erhalten." (mut)

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