HINTERGRUND

Immer mehr Länder erlauben die Auswahl von Embryonen

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:

Was in Deutschland weiterhin aufgrund des Embryonenschutzgesetzes von 1991 nicht erlaubt ist, wird jetzt - wie bereits in einigen anderen Ländern - auch in Schweden schon bald Realität sein: Die Behörden haben dort erstmals einer Präimplantationsdiagnostik (PID) mit HLA-Typisierung zugestimmt. Bei dieser PID-Methode erfolgt die Auswahl des künstlich gezeugten Embryos in der Kulturschale anhand der Gewebeverträglichkeits-Merkmale HLA (human leukocyte antigen, HLA-Typisierung).

Ausgewählt werden soll in Schweden dabei jetzt ein Embryo nach einer In-vitro-Fertilisation danach, ob seine Blutstammzellen nach der Geburt als Transplantat für seinen kranken Bruder geeignet sind. Der kranke Junge hat Medienberichten zufolge eine Stoffwechselkrankheit.

PID mit HLA-Typisierung wurde 2001 erstmals genutzt

Die Möglichkeit, Embryonen anhand von HLA-Merkmalen auszuwählen, gibt es erst seit wenigen Jahren.

2001 ist die PID mit HLA-Typisierung weltweit erstmals genutzt worden, und zwar in den USA (JAMA 285 / 24, 2001, 3130). Auch damals wollten die Eltern - wegen einer Anämie eines ihrer Kinder - ein gesundes Kind, das dann Knochenmark-Stammzellen spenden konnte. Das erkrankte Kind hatte eine Fanconi-Anämie, eine der am schwersten verlaufenden Formen der angeborenen Blutarmut.

2002 wurde die PID mit HLA-Typisierung auch in Großbritannien erstmals genutzt. Bis dahin durfte die PID - ohne Typisierung - dort lediglich zum Ausschluss schwerer genetisch bedingter Krankheiten angewandt werden.

Auch Test auf nicht genetische Merkmale ist möglich

In Großbritannien entschied 2002 die zuständige Aufsichtsbehörde Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA), dass die PID mit HLA-Typisierung grundsätzlich genutzt werden dürfe, um genetisch geeignete Blut- oder Gewebespender aus mehreren Embryonen nach einer In-vitro-Fertilisation zu zeugen. Damals hatte eine Familie aus Nottingham um die Erlaubnis gebeten, mit Hilfe der In-vitro-Fertilisation ein als Blut- oder Gewebespender geeignetes Kind zu zeugen. Ein anderes Kind der Familie litt an Beta-Thalassämie. Patienten mit dieser Erkrankung sprechen gut auf die Transplantation von Nabelschnurblut an, in dem Stammzellen enthalten sind.

2003 wurde in Großbritannien schließlich ein weiteres Kind geboren, das als Embryo anhand seiner Gewebemerkmale ausgewählt und in den Uterus übertragen worden war. Zellen seines Knochenmarks sollten für die Therapie seines an Anämie erkrankten Bruders genutzt werden.

Im Gegensatz zur PID mit HLA-Typisierung, bei der also ein Embryo anhand von Gewebemerkmalen ausgewählt wird, ist die PID zur Gen-Untersuchung in Europa bereits in vielen Staaten zugelassen, außer in Schweden und Großbritannien etwa auch in Frankreich, Griechenland, Italien, Niederlande, Norwegen, Spanien und Ungarn.

Mit einer weiteren PID-Variante ist es möglich, eine nicht genetische Erkrankung zu erkennen, und zwar die Neugeborenen-Anämie durch Antikörper gegen das Rhesusmerkmal. Rhesus-negative Frauen, die von einem Rhesus-positiven Mann ein Kind bekommen, entwickeln Antikörper gegen das Merkmal, wenn auch das Kind Rhesus-positiv ist. Das ist bei etwa zwei Prozent dieser Frauen der Fall und gefährdet die künftigen Feten. Erstmals ist diese PID-Methode Ende 2003 in Australien angewandt worden.

Bei der Methode wurden die Embryonen auf das Rhesus-Merkmal untersucht. Drei der zwölf untersuchten Embryonen waren Rhesus-negativ und wurden in die Gebärmutter übertragen. Die 27jährige Australierin, der die Embryonen in die Gebärmutter übertragen wurden, bekam schließlich ein gesundes, Rhesus-negatives Mädchen. Die Frau hatte bereits ein Kind mit hämolytischer Anämie. Deshalb hatte sie nach In-vitro-Fertilisation die PID-Variante vornehmen lassen.

Weitere Infos zu PID gibt es etwa unter http://www.drze.de/themen/blickpunkt/pgd



STICHWORT

PID

Bei der Präimplantationsdiagnostik (PID) wird dem Embryo üblicherweise eine einzelne Zelle entnommen, und zwar wenn er etwa drei Tage alt ist. Durch die Zellteilungen besteht der Embryo dann aus acht bis zwölf Zellen. Die entnommene embryonale Zelle wird dann genetisch untersucht. Damit soll Paaren geholfen werden, die bereits ein genetisch erkranktes Kind haben oder ein erhöhtes Risiko für die Vererbung schwerer Erbkrankheiten tragen. Statt nur einer Zelle können offenbar auch mehrere Zellen für die Gen-Diagnostik entnommen werden. Eine in einigen Ländern zunehmend praktizierte Alternative bei der PID ist die Biopsie einer Blastozyste - also eines Embryos im Alter von etwa fünf Tagen -, die ebenfalls vor der Implantation in den Uterus vorgenommen wird. Dabei werden zehn Zellen auf einmal entnommen. Für die Gesundheit des Embryos soll das Wissenschaftlern zufolge keinen Unterschied machen. (ple)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: "Designer-Babys" wird es nie geben

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