Gesundheitsschutz
Impfungen schützen Gesundheit und Wirtschaft
Impfungen bringen volkswirtschaftlich eine hohe Rendite. Doch Wunsch und Wirklichkeit liegen bei den Impfraten weit auseinander. Individuellen Recall-Systemen steht der Datenschutz im Wege.
Veröffentlicht:München. Von schweren akuten Atemwegsinfektionen sind vor allem zwei Gruppen betroffen: Das sind zum einen die unter 4-Jährigen, zum anderen die über 60-Jährigen, erinnerte Professorin Martina Prelog. Das liege bei den Jüngeren an dem noch nicht voll ausgereiften, bei den Älteren am gealterten Immunsystem, so die Pädiaterin und Immunologin vom Uniklinikum Würzburg. Durch die Immunseneszenz ginge etwa das Repertoire der B-Zellen zurück und damit auch die Diversität der Antikörper. Insgesamt nähmen Störungen auf zellulärer Ebene zu, bis hin zu einer Dysfunktion des Mikrobioms, so Prelog.
Impfungen schützen auch Herz und Hirn
Virale Infektionen führten oft zu systemischen Entzündungsreaktionen, es könne zu Plaque-Rupturen und zu schweren kardiovaskulären Ereignissen kommen, warnte die Immunologin. Bei Atemwegserregern gebe es vier Schutzimpfungen: gegen Influenza, Pneumokokken, SARS-CoV-2 und – noch relativ neu – RSV. Die ersten drei seien von der STIKO als Standard für alle ab 60 Jahren plus Risiko-Gruppen empfohlen, so Prelog. Aktualisierung (7. August 2024): Für die RSV-Impfung gibt es seit dem 1. August 2024 eine offizielle Empfehlung der STIKO für alle Menschen ab 75 Jahren und für Personen im Alter von 60 bis 74 Jahren mit Risikofaktoren (siehe auch hier). Vierte Standard-Impfung ab 60 sei die Zoster-Impfung, fügte Prelog hinzu. Ohne Impfung erkrankten 33 von 100 Menschen im Laufe ihres Lebens an Gürtelrose, mit Impfung nur 3 von 100, zitierte Prelog aus einer Information des RKI.
Die „big five“ der Atemwegserreger
„Die Impfung gegen Pertussis gehört ebenfalls in den Bereich der Atemwege“, ergänzte Professor Jörg Schelling und sprach von den „big five“ der Atemwegserreger. Als einen Skandal bezeichnete der niedergelassene Allgemeinmediziner aus Martinsried, dass es in Deutschland kein Impfregister gebe. Um den Impfstatus der Bevölkerung zu ermitteln, müssten stattdessen Teilstichproben oder Querschnittsuntersuchungen herangezogen werden. Und die eher niedrigen Impfquoten in Deutschland nannte Schelling „peinlich“. So liege das Impfziel der ECDC für Influenza bei 75 %, erreicht würden aber nur 43 %. Und bei Pneumokokken liege die Impfquote bei nur 20 %.
Impfungen erzielen eine Top-Rendite
Dabei hätten Impfungen ein hohes Potenzial, das Gesundheitswesen zu entlasten und die Wirtschaft zu stärken. So werde für Europa die Zahl der Todesfälle durch impfpräventable Erkrankungen auf über 94.000 pro Jahr geschätzt. Die Wirksamkeit von Impfungen im Hinblick auf die Reduzierung der Krankenhausaufenthalts-, Invaliditäts-, Abhängigkeits- und Sterberaten sei nachgewiesen, betonte Schelling (1). Zur Ökonomie sagte Schelling: In Dänemark werde geschätzt, dass jeder Euro, der in die Pneumokokken-Impfung bei 50- bis 85-Jährigen investiert wird, eine Rendite von 2,44 Euro bringt. Das Ganze vor dem Hintergrund, dass ältere Erwachsene fast 8 % zum BIP beitrügen, sagte Schelling (2).
Als Ausweg aus den niedrigen Impfraten und den oft nicht vorhandenen Impfdaten forderte der Allgemeinmediziner:
- ein digitales Impfregister
- den Einsatz von elektronischen Impfausweisen
- ein individuelles Erinnerungs- und Recall-System
- ein verpflichtendes Primärarztsystem
Portugal mache es vor. Dort läge die Impfrate gegen Influenza in den vergangenen Jahren zwischen 75 und 84 %. „Es muss keiner mit Datenschutz kommen“, sagte Schelling. Schließlich gelte in Portugal und Deutschland die gleiche Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU.
Literatur:
(1) Esposito S et al.: Vaccine 2018;36:2523-2528
(2) Bloom EB et al.: De Economist 2020;168:153–181
Quelle:: Science to Go: GSK Breakfast „ Grippe, COVID-19, RSV - Smart Aging in Zeiten der Tripledemie - Immunologische Besonderheiten & Bedürfnisse einer alternden Gesellschaft“, 15. November 2023 von 8:00 – 9:00 Uhr, online; Veranstalter: GSK