Genschere & Co
Juristen und Ethiker sezieren somatische Gentherapien
Somatische Gentherapien werfen ethische, rechtliche und versorgungsrelevante Fragen auf. Diese adressiert der Forschungsverbund „NANoSoGT“.
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Die DNA eröffnet viele Möglichkeiten: Neue somatische Gentherapien werfen dabei rechtliche, ethische und biomedizinische Fragen auf.
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Passau/Berlin. Das Gentherapeutikum Zolgensma® (Onasemnogen Abeparvovec) gegen spinale Muskelatrophie (SMA) gilt für viele Forscher als einer der Türöffner für weitere solche somatischen Gentherapien.
„Der rasche Fortschritt in der Technologie lässt erwarten, dass dieses Verfahren nicht nur bei seltenen genetischen Störungen, sondern auch bei weitverbreiteten Krankheiten zum Einsatz kommen wird“, verdeutlicht Professor Hans-Georg Dederer, an der Uni Passau Inhaber des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht, Völkerrecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht, am Dienstag die Bedeutung.
Die Genschere CRISPR/Cas revolutionierte medizinische Verfahren, die ein Gen verändern. Das wirft rechtliche, ethische und biomedizinische Fragen auf. Ein Team um Dederer koordiniert dazu ein neues, interdisziplinäres Verbundprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) mit dem Namen „NANoSoGT – Normative Assessment of Novel Somatic Genomic Therapies“. Das BMBF stellt hierfür 1,2 Millionen Euro bereit – mehr als 500.000 Euro davon gehen nach Passau.
„Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, diesen Verbund einzuwerben, denn die rechtliche und ethische Einordnung der somatischen Gentherapie wurde bislang vernachlässigt“, erklärt Projektleiter Dederer. Die Forschung und die öffentliche Debatte habe sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten primär auf die Keimbahntherapie konzentriert, bei der das Genom der Nachkommen verändert wird, so Dederer.
In dem BMBF-Verbund widmen sich die beteiligten Wissenschaftler interdisziplinär folgenden Fragestellungen:
Klassifizierung: Moderne somatische Gentherapien verändern nicht notwendig ein Gen, sondern unter Umständen nur dessen Expression. Wie lässt sich das in das geltende Regelwerk rechtlich, ferner aber auch unter einem ethischen und biomedizinischen Blickwinkel einordnen?
Wettbewerbsfähigkeit der EU und Deutschlands als Forschungs- und Industriestandort: Die Forschenden untersuchen, wie die neuen Verfahren anderswo, etwa in den USA, in Kanada, in Großbritannien und in Japan, geregelt werden.
Welche Regeln braucht es und wo ist das deutsche und europäische Recht womöglich zu eng? Welche Rolle spielen darüber hinaus Vertrauen und Akzeptanz für den Standortwettbewerb?
Fairness: Die Behandlung eines Patienten oder einer Patientin kann sich schnell auf Kosten in Millionenhöhe belaufen. Wer bekommt Zugang zu einer solchen Therapie? Welche genetischen Krankheiten sollen überhaupt therapiert werden?
Und: Inwiefern ist die Forschung zu europäisch und lässt die Bedarfe anderer Teile der Weltbevölkerung außer Acht?
Sicherheit: Zwar gelten die neuen genomischen Verfahren als wesentlich sicherer als ihre Vorläufer. Doch auch hier kann die Schere mal daneben schneiden. Was dann? Wie lassen sich solche Fälle regulieren, insbesondere, wenn es um Fehlschläge bei pränatalen somatischen Gentherapien, also am Fötus im Mutterleib, geht?
Neben den Juristen aus Passau sind an dem BMBF-Verbund „NANoSoGT“ Ethiker an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn unter der Leitung von Professor Thomas Heinemann beteiligt. Professor Tobias Cantz vom REBIRTH-Zentrum für translationale regenerative Medizin der Medizinischen Hochschule Hannover steuert medizinische und biologische Erkenntnisse bei.