ScalpCooling
Kältekappe gegen Haarausfall durch Chemo
Das sogenannte ScalpCooling scheint den chemotherapiebedingten Haarausfall bei Krebspatientinnen signifikant zu reduzieren. Das legen zwei aktuelle Studien nahe. Die Kältekappen wurden meist relativ gut toleriert und erwiesen sich jeweils in etwa der Hälfte der Fälle als effektiv.
Veröffentlicht:HOUSTON / SAN FRANCISCO. Haarausfall ist eine der am meisten gefürchteten Nebenwirkungen der Chemotherapie. Studien zufolge sehen sich Krebspatientinnen dadurch in ihrer Weiblichkeit und ihrem Selbstwertgefühl beeinträchtigt und empfinden sich durch ihre Kahlheit stigmatisiert.
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Mit dem "Scalp Cooling" steht heute ein Verfahren zur Verfügung, das die chemotherapiebedingte Alopezie verhindern oder zumindest bremsen kann. Die auf die Kopfhaut applizierte Kälte bewirkt eine Vasokonstriktion. Dadurch will man bewirken, dass möglichst wenig von dem verabreichten Zytostatikum die Haarfollikel erreicht und schädigt. Ein weiterer Mechanismus ist die Reduktion deren Stoffwechselaktivität. Nicht nur Krebszellen, sondern eben auch Haarfollikelzellen reagieren deshalb besonders stark auf eine Chemotherapie, weil sie sich sehr rasch teilen.
Kopfhaut wird auf 15°C abgekühlt
In zwei Studien wurden jetzt zwei computergesteuerte Cooling-Systeme bei Brustkrebspatientinnen getestet. Beide arbeiten mit Silikonkappen, in denen ein Kühlmittel zirkuliert, wodurch die Kopfhaut allmählich auf etwa 15°C abgekühlt wird. Die Kappen werden eine halbe Stunde vor Beginn der Infusion aufgesetzt und bleiben bis zu 120 Minuten nach Infusionsende auf dem Kopf der Patientin.
Die SCALP-Studie (Scalp Cooling Alopecia Prevention) war als randomisierte Multicenterstudie konzipiert (JAMA 2017; 317: 596). Beteiligt waren 182 Brustkrebspatientinnen im Frühstadium. Die adjuvante Chemotherapie bestand aus vier Infusionszyklen auf der Basis von Taxanen und/oder Anthrazyklinen.
Als primärer Endpunkt wurde die Erhaltung der Kopfhaare nach dem vierten Zyklus festgelegt. Dabei galt es als Erfolg, wenn die Patientinnen keine oder weniger als 50 Prozent ihrer Haare verloren, sodass keine Perücke benötigt wurde (Alopeziegrad 0 oder 1 nach Common Terminology Criteria for Adverse Events, CTCAE). Die Dauer der Studie war auf fünf Jahre ausgelegt. Aufgrund der klaren Überlegenheit der Intervention wurde SCALP vorzeitig gestoppt. Was hier berichtet wird, sind die Ergebnisse einer geplanten Interimsanalyse: Darin wurden 95 mit Kühlkappe behandelte Patientinnen einer Vergleichsgruppe von 47 Patientinnen ohne diese Behandlung gegenübergestellt. In der Interventionsgruppe lag die Erfolgsrate bei 50,5 Prozent, in der Vergleichsgruppe bei 0 Prozent. 5 Prozent der Teilnehmerinnen in der Scalp-Cooling-Gruppe hatten nahezu keinen Haarverlust. In der Kühlgruppe wurden Perücken oder Kopftücher von 63 Prozent der Frauen getragen, in der Kontrollgruppe griffen dagegen alle auf eine Kopfbedeckung zurück.
An Nebenwirkungen wurden vor allem Kältegefühl, Kopfschmerzen und Schwindel beobachtet. Nach Dr. Julie Nangia vom Baylor College of Medicine in Houston, Texas, erreichte der Schweregrad bei den 54 erfassten Fällen maximal 2. Die meisten Patientinnen, so die Forscher, hätten kein sehr unangenehmes Gefühl beim Tragen der Kappe gehabt. Allerdings hatten vier Frauen von vornherein ihre Teilnahme an der Studie zurückgezogen, weil sie die Kappe als zu kalt oder unangenehm empfanden.
Ziel: Haarverlust unter 50 Prozent
Überraschend war das Ergebnis der Analyse zur Lebensqualität: Weder bei den emotionalen noch bei den funktionellen Komponenten war ein Unterschied zwischen den Gruppen festzustellen. Dies mag mit den Bewertungskriterien zusammenhängen: Die Frauen waren beispielsweise gefragt worden, ob sie sich angespannt, besorgt, gereizt oder deprimiert fühlten und ob ihr Familienleben oder ihre gesellschaftlichen Aktivitäten gelitten hätten. Auf all diese Kriterien hatten die Krebserkrankung und deren Behandlung sehr wahrscheinlich entscheidenden Einfluss.
Die zweite Studie war als Beobachtungsstudie konzipiert (JAMA 2017; 317: 606). Hier wurden 101 Patientinnen mit Kühlkappe behandelt, 16 Frauen dienten als Kontrollgruppe. Zur Chemotherapie wurden vor allem Docetaxel und Cyclophosphamid über vier bis sechs Zyklen eingesetzt. Das Zielkriterium, ein Haarverlust unter 50 Prozent (Grad 0 bis 2 auf der Dean-Skala), wurde von 61 Prozent der Interventionsgruppe erreicht, 5 Prozent aus dieser Gruppe beklagten keinerlei Alopezie. In in der Kontrollgruppe waren allen Patientinnen die Haare ausgegangen. Drei Patientinnen wollten wegen eines unangenehmen Kältegefühls die Kappe nicht.
Deutlich bessere Lebensqualität
In der Beobachtungsstudie hatten die Patientinnen eindeutig auch in puncto Lebensqualität profitiert. Zur Beurteilung hatte das Team um Dr. Hope S. Rugo vom Helen Diller Family Comprehensive Center in San Francisco einen speziell auf Brustkrebspatientinnen zugeschnittenen Fragebogen der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) verwendet. Einen Monat nach Therapieende war die ScalpCooling-Gruppe in drei von fünf Bewertungskriterien im Vorteil. Zum Beispiel berichteten nur 27,3 Prozent in der Interventionsgruppe, dagegen aber 56,3 Prozent aus der Kontrollgruppe, sie würden sich nach beendeter Therapie weniger attraktiv fühlen.
Die Sorge, dass das Scalp-Cooling etwa die Bildung von Metastasen in der Kopfhaut begünstigen könnte, bestätigte sich in beiden Studien nicht.
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Scalp Cooling
- Die Kopfhaut wird während der Zytostatika-Infusion sowie bis zu zwei Stunden danach auf etwa 15°C abgekühlt.
- Wirkung: Durch Vasokonstriktion soll möglichst wenig der verabreichten Zytostatika die Haarfollikelzellen erreichen. Auch soll die Stoffwechselaktivität dieser Zellen reduziert werden.
- Ergebnisse: Etwa jede zweite Frau mit der Therapie hatte nach Studiendaten einen Haarverlust von unter 50 Prozent.