Demenz und Schlaganfall

Kaffee und Tee schützen nicht

Tee trinken und abwarten - das ist keine gute Idee, um eine Demenz oder einen Schlaganfall zu verhindern. Auch Kaffee trinken ist da nicht besser - obwohl diese Getränke reich an Antioxidanzien sind.

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Sieht lecker aus, hilft aber nicht gegen Schlaganfall und Demenz: Tee und Kaffee.

Sieht lecker aus, hilft aber nicht gegen Schlaganfall und Demenz: Tee und Kaffee.

© venusangel / fotolia.com

ROTTERDAM. Wenn unsere Hirnzellen altern, fällt es ihnen zunehmend schwer, den ganzen Müll, fachgerecht zu entsorgen, der bei der Zellatmung und beim Zellstoffwechsel entsteht. Als Folge vermutet man eine Ansammlung freier Radikale, die den empfindlichen Zellorganellen Schaden zufügen.

Ein paar zusätzliche Antioxidanzien könnten da doch ganz hilfreich sein, um die vagabundierenden Radikale einzufangen.

Doch so einfach klappt das wohl nicht. Jedenfalls lässt sich mit einer Ernährung reich an Antioxidanzien wenig am Schicksal der Hirnzellen ändern, haben jetzt Forscher aus Rotterdam herausgefunden.

Zwar hat es immer mal wieder Studienergebnisse gegeben, nach denen bestimmte Antioxidanzien wie Vitamin E in der Nahrung mit einem erniedrigten Risiko für Demenz einhergehen, ob das für die ganze Gruppe der Antioxidanzien zutrifft, hat aber noch niemand so genau untersucht.

Unterschiedlicher Kaffee- und Teekonsum

Diese Lücke wollten nun Epidemiologen um Dr. Elizabeth Devore schließen, indem sie den Antioxidanzien-Gehalt der gesamten Nahrung von knapp 5400 Teilnehmern der prospektiven Rotterdam-Kohortenstudie analysierten.

Sie verwendeten dazu detaillierte Angaben zur Ernährung und berechneten mithilfe von Tabellen die Menge an Antioxidanzien. Anschließend teilten sie die im Mittel 55 Jahre alten Personen gemäß ihres Antioxidanzien-Konsums in Tertilen ein.

Nach einer Beobachtungszeit von 14 Jahren hatten knapp 600 Personen eine Demenz entwickelt, ebenso viele hatten einen Schlaganfall erlitten.

Dabei war die Häufigkeit von Schlaganfall und Demenz in allen Tertilen ähnlich hoch, in denen mit dem höchsten Antioxidanzien-Konsum tendenziell sogar am höchsten. Die Unterschiede waren aber nicht statistisch signifikant (Neurology 2013; online 20. Februar).

Schauten sich die Forscher um Devore nun genauer an, wodurch die Unterschiede beim Antioxidanzien-Konsum zustande kamen, so ließen sich 90 Prozent auf Tee- und Kaffeegenuss zurückführen, da diese Getränke besonders reich an antioxidativ wirkenden Flavonoiden und Polyphenolen sind.

Die Tertilen spiegelten also im Wesentlichen einen unterschiedlich hohen Genuss von koffeinhaltigen Getränken wider. Man kann daher zumindest sagen, dass viel Tee- und Kaffeetrinken nicht vor Demenz und Schlaganfall schützt.

Montepulciano statt Kaffee

Die Studienautoren geraten mit Blick auf die Ergebnisse selbst etwas ins Grübeln und vermuten, dass es doch nicht auf die Gesamtmenge aller Antioxidanzien ankommt.

Es sei daher vielleicht sinnvoller, den Beitrag einzelner Substanzen- oder Substanzgruppe zur Prävention zu untersuchen.

In einer ähnlich konzipierten italienischen Studie mit über 40.000 Teilnehmern hatte sich tatsächlich bei hohem Antioxidanzien-Konsum eine erniedrigte Schlaganfallrate ergeben.

Hier waren die Unterschiede bei der Antioxidanzien-Menge aber nur zu einem Drittel durch den Kaffee- und Teegenuss erklärbar, vielmehr sorgten Rotwein, Obst und Gemüse für erhöhte Mengen der Radikalfänger.

Statt täglich eine Kanne Kaffee also doch lieber abends eine Karaffe Nero D'Avola, Barbera oder Montepulciano? (mut)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 27.02.201312:31 Uhr

Vom Teebeutelweitwurf zum Kaffeesatzlesen?

Neben dem Abstract unter
http://www.neurology.org/content/early/2013/02/20/WNL.0b013e3182840c84.abstract%20
hätte ich bei der "American Academy of Neurology" den Volltext der Studie als pdf-Datei für einen einzigen Tag zum Preis von 30$ kaufen sollen? In der frei zugänglichen Studien-Zusammenfassung tauchen jedoch weder Kaffee noch Tee auf. Das Statement in der Ärzte Zeitung: "wodurch die Unterschiede beim Antioxidanzien-Konsum zustande kamen, so ließen sich 90 Prozent auf Tee- und Kaffeegenuss zurückführen" und auch der ÄZ-Titel: "Demenz und Schlaganfall - Kaffee und Tee schützen nicht", geben keinesfalls die Quintessenz der wissenschaftlichen Zusammenfassung wieder.

Es wäre auch höchst seltsam, wenn die ab 55 Jahre alten 5.395 Teilnehmer/-innen dieser Rotterdam-Kohortenstudie in einem durchschnittlich 13,8 Jahre langen Follow-up im Gegensatz zu der vergleichbaren italienischen Studie höchst selten Rotwein, Obst und Gemüse konsumiert, sondern sich fast ausschließlich von Kaffee oder Tee antioxydativ ernährt hätten?

Das Studiendesign der Forschergruppe um Elizabeth E. Devore, ScD, et. al. ist keineswegs so prospektiv wie es den Anschein haben soll. Studien zum Ernährungsverhalten können auch mit subtilem Fragebogen-Design nie klären, was jemand die nächsten Jahre prospektiv essen und trinken w i r d, sondern nur r e t r o s p e k t i v erahnen lassen, was jemand zu sich genommen h a t!

Außerdem ist es geradezu kindlich-naiv, zu glauben, dass nur und auschließlich die Zufuhr von Antioxydantien e n t s c h e i d e n d zum Auftreten von Demenz- und Schlaganfallerkrankungen beitragen könnte. Und n i c h t Alterung, Zelldegeneration, Bewegungsmangel, Übergewicht, metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus, Hypertonie, Hypercholesterinämie, Arteriosklerose, Vorhofflimmern und die ganze Palette neurodegenerativer Erkrankungen mit exogenen, endogenen und genetischen Einflüssen.

Tiefe Einblicke in die Erkenntnistheorie medizinisch-ökotrophologischer Studien gewähren die Schlussfolgerungen aus den Niederlanden nach dem Motto ''kein Ergebnis ist auch ein Ergebnis''. "Conclusions: Total antioxidant capacity of the diet, measured by dietary FRAP scores, does not seem to predict risks of major neurologic diseases." Schlussfolgerungen: Der gesamte antioxydative Umfang der Diät, gemessen mit dem FRAP-Diät-Score, scheint n i c h t die Risiken wesentlicher neurologischer Krankheiten vorhersagen zu können.

Na, wenn das keine klare Aussage ist?
Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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