Experten
Klimawandel gefährdet die Gesundheit
Rund 100 Experten aus 35 Institutionen haben aktuelle und künftige Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit der Menschen untersucht – und schlagen Alarm. Auch die Bundesärztekammer warnt vor den Folgen.
Veröffentlicht:London. Der Klimawandel schädigt bereits heute die Gesundheit vieler Menschen, insbesondere die von Kindern. Zu diesem Schluss kommen Experten des internationalen Forschungsprojekts „The Lancet Countdown on Health and Climate Change“.
Bei einem Weiterwirtschaften wie bisher „wird das Leben jedes heute geboren Kindes tiefgreifend vom Klimawandel beeinträchtigt werden“, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Forschungsbericht der renommierten medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“.
Kinder am stärksten betroffen
Die rund 100 Experten aus 35 Institutionen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Universitäten beschreiben aktuelle und künftige Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit. Gehe der CO2-Ausstoß weiter wie bisher, werde ein derzeit geborenes Kind an seinem 71. Geburtstag im Schnitt in einer um 4 Grad wärmeren Welt leben.
Kinder seien von den Auswirkungen des Klimawandels am stärksten betroffen, betonte Nick Watts, der Chef des Lancet-Konsortiums. Ihr Körper und ihr Immunsystem entwickelten sich noch, Schäden in der Kindheit könnten zudem bleiben.
Ernterückgänge durch den Klimawandel und infolgedessen Unterernährung träfen sie am schlimmsten, schreiben die Forscher.
Kinder litten auch stärker an Durchfall und an von Mücken übertragenen Erkrankungen wie Dengue-Fieber. Die Ausbreitung solcher Erreger habe der Klimawandel bereits begünstigt.
BÄK warnt: Infektionskrankheiten breiten sich aus
In diesem Jahr wurde erstmals auch ein Deutschland-Bericht (Policy Brief) des „Lancet Countdown“ vorgestellt. Kooperationspartner des Projektes sind die Bundesärztekammer (BÄK), die Charité – Universitätsmedizin Berlin, das Helmholtz Zentrum München, das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sowie die Hertie School.
Den Angaben zufolge sind bis zum Ende dieses Jahrhunderts jährlich bis zu fünf zusätzliche Hitzewellen in Norddeutschland und bis zu 30 in Süddeutschland zu erwarten, sollte der Ausstoß von Treibhausgasen nicht reduziert werden.
„Damit einhergehender Hitzestress und hohe bodennahe Ozonkonzentrationen können schwerwiegende Folgen für die menschliche Gesundheit haben. Dazu zählen unter anderem Hitzschlag, Herzinfarkt und akutes Nierenversagen aufgrund von Flüssigkeitsmangel“, heißt es in einer Mitteilung der Bundesärztekammer anlässlich der Vorstellung des Reports. Am stärksten gefährdet seien ältere Menschen, Säuglinge, chronisch Kranke sowie Personen, die im Freien arbeiten, heißt es.
Reinhardt: Auswirkungen des Klimawandels spürbar
Infolge des Klimawandels können sich Infektionskrankheiten besser ausbreiten, warnt die BÄK mit Verweis auf die Studie. Das betreffe durch Zecken und Mücken übertragbare Krankheiten wie FSME und Borreliose, aber auch Infektionen wie Dengue, Zika, Chikungunya und das West-Nil-Fieber.
Dass sich das West-Nil-Virus in Deutschland ausbreitet, darüber hatte kürzlich das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) berichtet. Erstmals wurden bei zwei Klinikpatienten in Deutschland eine durch heimische Mücken übertragene West-Nil-Virus-Infektion nachgewiesen, hieß es. Das Institut geht davon aus, dass es Hunderte weitere Infektionen mit leichtem Verlauf gibt, die nicht diagnostiziert wurden.
„Der Deutschland-Bericht belegt eindrücklich, dass die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels nicht irgendwann in weit entfernten Weltgegenden spürbar werden, sondern hier und heute“, sagte BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt.
Er nahm die Politik in die Pflicht: Es müssten geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Risiken für die Gesundheit der Menschen abzuwenden. So müssten Gesundheitseinrichtungen durch ausreichend Personal und räumliche Ressourcen auf Extremwetterereignisse vorbereitet werden.
„Neben einem nationalen Hitzeschutzplan sind konkrete Maßnahmenpläne für Kliniken, Not- und Rettungsdienste sowie Pflegeeinrichtungen zur Vorbereitung auf Hitzeereignisse notwendig“, forderte er. (dpa/eb)