Kräftige Muskeln schützen schwache Knochen
Körperliche Aktivität ist für Osteoporose-Kranke aus mehreren Gründen unverzichtbar: Regelmäßiges Körpertraining schützt nicht nur vor Knochenfrakturen, sondern fördert außerdem die Selbständigkeit der Patienten im Alltag. Und es hilft, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden.
Veröffentlicht:Zwischen Muskel- und Knochenmasse besteht ein enger Zusammenhang. Das ist nicht nur in tierexperimentellen Studien, sondern auch bei Kindern nachgewiesen (Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 11, 2004, 301).
Demnach gibt es einen linearen Anstieg von Muskel- und Knochenmasse bis zum Eintritt der Pubertät. Der Nutzen körperlicher Aktivität für Osteoporose-Kranke läuft über zwei Schienen: Zum einen stimuliert muskuläres Training nicht nur den Muskel-, sondern auch den Knochenstoffwechsel, so daß die Knochenmasse erhalten werden kann.
Zum anderen fördert Körpertraining die Gangsicherheit und trägt somit zur Vermeidung von Stürzen bei. Das gelingt, indem die Muskulatur gestärkt wird und die Koordinationsfähigkeit sowie der Fähigkeit, das Gleichgewicht zu halten, verbessert werden. Die Patienten lernen zudem, sich im Alltag so zu bewegen, daß sie keine Schmerzen provozieren.
Training der Rückenmuskel schützt vor Frakturen
Wie gut durch Muskeltraining etwa Wirbelfrakturen vorgebeugt werden kann, ist in einer prospektiven Studie nachgewiesen: Gesunde Frauen in der Postmenopause, die zwei Jahre lang ein Training zur Stärkung der Rückenmuskulatur absolviert hatten, hatten acht Jahre danach nicht einmal halb so viele Wirbelfrakturen wie Frauen ohne ein solches Training (Bone 30, 2002, 836).
"Der Unterschied in der Frakturrate kam dadurch zustande, daß die trainierten Frauen im Gegensatz zu den untrainierten ihre Knochenmasse erhalten konnten", so der Osteoporose-Experte Dr. Michael Pfeifer aus Bad Pyrmont. Ein Anstieg der Knochenmasse sei nur durch Hochleistungssport zu erreichen, etwa an der Wirbelsäule durch Gewichtheben.
Um die Knochenmasse an der Wirbelsäule und am Schenkelhals zu erhalten, eignet sich vor allem Krafttraining zur Stärkung der Rücken- und Oberschenkelmuskulatur. Auch Ausdauersport ist nach Angaben von Pfeifer bei Osteoporose zu empfehlen. Dadurch werde nicht nur die Muskulatur gestärkt, sondern der gesamte Stoffwechsel einschließlich des Knochenstoffwechsels aktiviert.
Tai Chi hilft Patienten, das Gleichgewicht zu halten
Besonders geeignet bei Osteoporose sind Sportarten mit aufrechter Bewegung im Schwerefeld der Erde wie Wandern und Walking. Pfeifer: "Auch Radfahren ist zu empfehlen; es stärkt die Oberschenkelmuskulatur, und das verringert das Sturzrisiko."
Als günstig hat sich auch Tai Chi erwiesen. Die Patienten lernen dadurch, das Gleichgewicht besser zu halten und stürzen seltener. Das ist nach Angaben von Pfeifer in Studien nachgewiesen worden.
Art und Intensität der körperlichen Aktivität sollten sich bei bereits an Osteoporose erkrankten Patienten nicht nur nach der Fitness, sondern auch danach richten, wie hoch die Knochenmineraldichte ist, sowie danach, ob bereits Frakturen stattgefunden haben oder nicht. Pfeifer: "Patienten ohne Frakturen ist wesentlich mehr Krafteinsatz zumutbar als Patienten mit Frakturen."
Bei Patienten etwa, die zwar noch keine Brüche, aber eine Knochendichte im osteoporotischen Bereich haben, wird zunächst ein Krafttraining mit geringem Widerstand (etwa 50 Prozent der Maximalkraft) und hoher Wiederholungszahl (20 bis 30 Wiederholungen) pro Übung empfohlen.
Das sind Patienten mit einem T-Score kleiner -2,5, das heißt einer Knochendichte, die mehr als 2,5 Standardabweichungen unterhalb der durchschnittlichen Knochendichte einer jungen, gesunden Frau liegt. Sie sollten zunächst zwei bis dreimal pro Woche für 15 bis 30 Minuten trainieren.
Im weiteren Verlauf kann das Training kontinuierlich gesteigert werden. Trainiert werden sollten vor allem Rückenstreckermuskulatur, Oberschenkel- und Gesäßmuskulatur, empfiehlt Pfeifer. Die Maximalkraft könne bei der Eingangsuntersuchung zur Erhebung der allgemeinen Leistungsfähigkeit gemessen werden.
Bei Patienten, die bereits Wirbel- oder Extremitäten-Frakturen hatten, sind Sturzvermeidung mit Koordinations- und Gleichgewichtstraining sowie der Erhalt von Mobilität und Selbständigkeit vorrangig. Zur Verbesserung der Koordination eignen sich Übungen an Kinästhetik-Geräten (etwa Wackelkissen: luftgefülltes rundes Kissen, auf dem man versucht zu stehen) sowie Gehschule und Haltungstraining mit Übungen zu alltagsrelevanten Tätigkeiten.
Training erst zwei Jahre nach Fraktur
Liegt die letzte Fraktur länger als zwei Jahre zurück, kann man mit Muskeltraining beginnen: zunächst isometrische und später dynamische Übungen mit geringem Widerstand (etwa 20 bis 30 Wiederholungen mit 50 Prozent der Maximalkraft) für Oberschenkel- und Rumpfmuskulatur.
Für Osteoporose-Patienten, die Ausdauersport machen möchten, empfiehlt Pfeifer: Patienten mit Frakturen sollten aus Vorsichtsgründen erst 1,5 bis zwei Jahre danach Sport machen. Wenn die Schmerzen es zulassen, können Patienten mit Wirbelfrakturen jedoch schon früher mit einem Training auf einem Hometrainer beginnen, da es hierbei nicht zu Erschütterungen durch Bodenunebenheiten komme, meint der Osteoporose-Experte.
Regelmäßiges muskuläres Training ist für Osteoporose-Patienten auch aus einem weiteren Grund wünschenswert: Die dadurch erzielte Aktivierung des Knochenstoffwechsels ist wichtig für die Wirkung der Medikamente zur Fraktur-Prophylaxe. Pfeifer: "Selbst sehr wirksame Medikamente wie Bisphosphonate wirken kaum bei Immobilität."
Ob Osteoporose-Medikamente vor oder nach dem Sport angewandt werden, sei unerheblich. Auch was die Wahl oder die Dosierung der Arzneimittel betrifft, gebe es bei körperlich aktiven Patienten keine Besonderheiten.
Auch Medikamente senken die Frakturrate
Mit Medikamenten läßt sich bei Osteoporose-Kranken nicht nur die Knochendichte erhöhen, sondern auch die Frakturrate senken. Kalzium und Vitamin D3 werden in den Leitlinien des Dachverbands Osteologie (DVO) als Basistherapie empfohlen. Von den Osteoporose-spezifischen Medikamenten gelten die beiden Bisphosphonate Alendronat und Risedronat sowie der selektive Östrogen-Rezeptor-Modulator Raloxifen aufgrund guter Studiendaten als erste Wahl.
Mit diesen Mitteln läßt sich die Wirbelfrakturrate im Vergleich zu Placebo etwa halbieren. Bisphosphonate senken außerdem die Hüftfrakturrate. Etidronat, Fluoride, Calcitonin, Östrogene und Alfacalcidol sind nach den DVO-Leitlinien Alternativen, wenn Substanzen der 1. Wahl nicht vertragen werden oder kontraindiziert sind.
Für Frauen mit manifester Osteoporose gibt es seit Ende 2003 eine neue Option: Teriparatid zur täglichen subkutanen Injektion stimuliert die Bildung neuer Knochensubstanz und senkt die Wirbelfrakturrate signifikant. Neu hinzugekommen ist für Frauen in der Postmenopause mit Osteoporose auch Strontiumranelat. Das Mittel steigert den Knochenaufbau und hemmt den Abbau. Die Wirbelfrakturrate wird mit täglich 2 g Strontiumranelat oral signifikant gesenkt. (ikr)
Trainings-Mix mindert Schmerzen
Durch einen Trainings-Mix (etwa Koordinationstraining, Krafttraining, Schwimmen, Geh-Lauftraining und Ergometrietraining) verbessert sich bei Patienten mit Osteoporose nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit. Auch die Schmerzen werden deutlich gemindert, wie eine Studie mit Osteoporose-Kranken am Rheumazentrum Oberammergau ergeben hat. Nach vier Wochen Training hatten sich körperliche Beschwerden wie Rückenschmerzen und das Gefühl, schwere Beine zu haben, deutlich gebessert. Die Patienten konnten sich besser bücken und aus der Rückenlage leichter aufsetzen als vorher. Auch die Herzleistung hatte zugenommen.