Neue Wirkstoffe

Licht im Dunkeln bei schwarzem Hautkrebs

Ipilimumab und Vemurafenib: Das sind die beiden Wirkstoffe, die die Prognose von Patienten mit metastasiertem malignem Melanom jetzt sprunghaft verbessert haben. Die erzielten Therapie-Ergebnisse werden zu Recht als Durchbruch tituliert.

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Ärztin beim Naevi-Check: Auch bei Melanom-Metastasen steigen mit den neuen Substanzen die Therapiechancen.

Ärztin beim Naevi-Check: Auch bei Melanom-Metastasen steigen mit den neuen Substanzen die Therapiechancen.

© Getty Images / iStockphoto

MÜNCHEN. Fast täglich sind Meldungen zu lesen, die von angeblichen medizinischen Durchbrüchen berichten. An den weitaus meisten Tagen können die Ergebnisse nicht halten, was die Schlagzeilen versprechen.

Doch es gibt auch Tage wie den 19. August 2010. In der Ausgabe des "New England Journal of Medicine", die dieses Datum trägt, ist eine Studie zur Therapie des metastasierten Melanoms abgedruckt, deren Ergebnisse das Prädikat "Durchbruch" verdienen (NEJM 2010; 363: 711-23).

In einer Phase-III-Studie war der humane monoklonale Antikörper Ipilimumab gegen die therapeutische Vakzine gp100 getestet worden. Ipilimumab hemmt das zytotoxische T-Lymphozyten-assoziierte Antigen 4 (CTLA-4), einen Suppressor der T-Zell-Aktivierung, und fördert so die T-Zell-vermittelte Tumorabwehr.

Behandelt wurden 676 Patienten mit nicht resektablem Melanom im Stadium III oder IV, deren Erkrankung trotz Therapie fortgeschritten war.

Erstmals Hoffnung für Patienten mit Melanom-Metastasen

Mit Ipilimumab erhöhte sich die mittlere Überlebenszeit von 6,4 auf rund 10 Monate. Nach zwei Jahren lebten noch 23,5 Prozent der Patienten unter Ipilimumab und 13,7 Prozent unter gp100.

Was das bedeutet, bringen Professor Dirk Schadendorf von der Uniklinik Essen und sein Team auf den Punkt: "Ipilimumab ist das erste Medikament in der Therapie des metastasierten Melanoms, das eine Verbesserung des Gesamtüberlebens zeigen konnte" (J Dtsch Dermatol Ges 2012; 10: 319-25).

Bisher stand für die Therapie fortgeschrittener Melanome einzig Dacarbazin zur Verfügung.

Doch sprechen auf diese Substanz nur rund zehn Prozent der Patienten an. Ein Einfluss auf das Gesamtüberleben konnte nie nachgewiesen werden.

Und die Überlebensraten, die für das metastasierte Melanom zu verzeichnen sind, liegen niedrig genug: Die mittlere Überlebenszeit beträgt sechs bis neun Monate, drei Jahre nach der Diagnose sind 85 bis 90 Prozent der Betroffenen tot.

Die Ergebnisse der Studie überzeugten auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). In seiner Nutzenbewertung vom April dieses Jahres bescheinigte es einen "beträchtlichen Zusatznutzen von Ipilimumab beim fortgeschrittenen Melanom".

Den Auftrag für die Bewertung hatte der Gemeinsame Bundesausschuss gegeben, nachdem Ipilimumab im August 2011 zur Zweitlinientherapie des fortgeschrittenen Melanoms zugelassen worden war.

Nächster Durchbruch: Vemurafenib

Auch am 30. Juni 2011 war von einem Durchbruch die Rede. Wieder handelte es sich um eine Studie zur Therapie des metastasierten Melanoms (NEJM 2011; 364: 2507-16).

Ein Team, zu dem auch Professor Axel Hauschild vom Uniklinikum Schleswig-Holstein in Kiel gehört, hatte die Effekte von Vemurafenib mit den Effekten von Dacarbazin verglichen.

Vemurafenib ist ein Small Molecule, das die für die Zellteilung und Differenzierung wichtige Serin/Threonin-Kinase BRAF hemmt. Allerdings muss BRAF dazu die Punktmutation V600E besitzen, bei der am Kodon 600 Valin gegen Glutaminsäure ausgetauscht ist.

Dies ist bei rund der Hälfte der fortgeschrittenen Melanome der Fall. Entsprechende Tests vor der Therapie sind daher unerlässlich.

675 Patienten mit metastasiertem Melanom, die eine BRAF-Mutation V600E aufwiesen, wurden in die Studie aufgenommen. Sechs Monate nach Studienbeginn waren noch 84 Prozent der Patienten unter Vemurafenib am Leben.

Mit Dacarbazin überlebten nur 64 Prozent das erste halbe Jahr. Insgesamt war mit Vemurafenib das Sterberisiko um 63 Prozent niedriger als mit der Vergleichssubstanz.

Der positive Einfluss des Small Molecule auf das Überleben war so offensichtlich, dass ein mit der Aufsicht über die Studie beauftragter Ausschuss entschied, auch die Patienten aus dem Dacarbazin-Arm mit Vemurafenib zu versorgen.

Im Februar 2012 wurde Vemurafenib für die Primärtherapie bei nicht resezierbarem oder metastasiertem Melanom und einer BRAF V600E-Mutation zugelassen.

Die im Juni 2012 abgeschlossene Nutzenbewertung für Vemurafenib durch das IQWiG ergab wie zuvor bei Ipilimumab einen "beträchtlichen Zusatznutzen".

Verlängerung der Überlebenszeit trotz nur mäßiger Response

Interessanterweise sprechen die Tumoren weder auf Ipilimumab noch auf Vemurafenib besonders stark an. Die Rate der Gesamtresponse liegt für Ipilimumab bei 10,9 Prozent, eine Kontrolle der Erkrankung wird bei 28,5 Prozent erreicht.

Für Vemurafenib beträgt die Quote für komplettes oder partielles Ansprechen 48 Prozent. Dennoch lässt sich die Überlebenszeit mit diesen Substanzen deutlich verlängern.

Bei der Behandlung mit den neuen Arzneien ist auch mit unerwünschten Wirkungen zu rechnen. Ipilimumab führte bei 60 Prozent der Patienten in der erwähnten Studie zu immunbedingten Reaktionen, fast jede vierte vom Grad 3 oder 4.

Besonders betroffen waren die Haut mit Juckreiz, Ausschlägen und Vitiligo; der Magen-Darm-Trakt mit Diarrhöen und Kolitis; und das Endokrinium, wo Hypothyreosen sowie Entzündungen der Hypophyse festzustellen waren. Wichtig ist hier, früh mit Steroiden gegenzusteuern.

In der Vemurafenib-Studie hatten die Patienten vor allem mit unerwünschten Effekten an der Haut, Arthralgien, Fatigue und Übelkeit zu kämpfen. Bei 38 Prozent der Behandelten musste die Dosis aufgrund von Nebenwirkungen gesenkt werden.

18 Prozent entwickelten mindestens ein Plattenepithelkarzinom der Haut oder ein Keratoakanthom. Über welchen Mechanismus Vemurafenib das Entstehen kutaner Neoplasien fördert, wird noch untersucht.

Schadendorf und sein Team gehen davon aus, dass sich im Verlauf der Therapie mit BRAF-Inhibitoren Resistenzen bilden. Dafür sprechen Untersuchungen an Zelllinien von Melanomen, in denen manche Zellen trotz Zugabe von Vemurafenib proliferierten.

Sie hielten die Signalweiterleitung durch phosphorylierte Extracellular-signal Regulated Kinasen (ERK) aufrecht. Möglicherweise kann die kombinierte Hemmung von BRAF und MEK, einer ERK-aktivierenden Kinase, dies verhindern.

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