Metaanalyse
Marihuana-Konsum könnte Hodenkrebs-Risiko erhöhen
Der Konsum von Marihuana und Tabak ist laut Ergebnissen einer Metaanalyse mit gehäuftem Hodenkrebs assoziiert. Für Marihuana besteht die Korrelation speziell zu Keimzelltumoren vom nichtseminomatösen Typ.
Veröffentlicht:Los Angeles. Laut Zahlen des Zentrums für Krebsregisterdaten beträgt die Inzidenz von Hodenkrebs in Deutschland 10,2 je 100.000 Männer. In den vergangenen Jahren hat sich die Inzidenz zwar stabilisiert.
Über einige Jahrzehnte hinweg stiegen die Erkrankungsraten allerdings deutlich, und das nicht nur hierzulande, sondern in fast allen industrialisierten Ländern.
Welche Gründe es für diesen Zuwachs an Hodenkrebspatienten gibt, ist ungeklärt. Allfällige Umweltfaktoren zu identifizieren, die dazu beigetragen haben, nimmt in der Prioritätenliste der Forschung eine der oberen Positionen ein. Im Verdacht, die Inzidenz besonders von nichtseminomatösen Keimzelltumoren des Hodens zu beeinflussen, steht der Konsum von Marihuana.
Es sind vor allem jüngere Menschen, die von dem Kraut Gebrauch machen. Und es sind vor allem jüngere Männer, die an nichtseminomatösen Keimzelltumoren erkranken. Ergebnisse epidemiologischer Studien legen einen Zusammenhang tatsächlich nahe.
Marihuana: Mehr nichtseminomatöse Keimzelltumoren
Eine Arbeitsgruppe um die Präventionsmedizinerin Dr. Ashley Song von der University of Southern California, Los Angeles, ist in einer Metaanalyse dem möglichen Zusammenhang zwischen Marihuanakonsum und dem Risiko, an Hodenkrebs zu erkranken, nachgegangen (Urol. Oncol. 2020; online 11. Mai).
Weil in früheren Studien nicht streng zwischen der Exposition gegenüber Marihuana und jener gegen anderer Bestandteile von Rauch unterschieden worden ist, untersuchten Song und ihre Kollegen auch etwaige Assoziationen zwischen Tabakrauch und Hodentumoren.
Die Forscher stießen auf vier epidemiologische Studien zu Marihuana und zwölf Studien zu Tabak. In der Summe stellten sie fest, dass das Verhältnis der Zahl von Marihuanakonsumenten zu -nichtkonsumenten unter den Patienten mit nichtseminomatösen Keimzelltumoren um 71 Prozent erhöht war (Odds Ratio, OR, 1,71).
Für Tabakkonsum betrug die Steigerung des Verhältnisses 18 Prozent (OR 1,18), hier allerdings nicht für nichtseminomatöse, sondern für Keimzelltumoren des Hodens insgesamt.
Zusammenhang zu Tabak „unwahrscheinlich“
Ein Problem für die Interpretation sind die möglichen Störeinflüsse durch Tabakrauch. Song und ihre Mitarbeiter waren sich dieser Schwierigkeit bewusst. Sie weisen aber darauf hin, dass in allen Studien Vorkehrungen getroffen worden waren, Tabakrauch als Störfaktor zu kontrollieren.
„Obwohl es möglicherweise eine Assoziation zwischen Tabakrauch und Keimzelltumoren des Hodens gibt, scheint es unwahrscheinlich, dass konventionelle Störeinflüsse durch Tabakkonsum die festgestellten Zusammenhänge von Marihuana und testikulären Keimzelltumoren erklären könnten“, schreiben Song und ihre Mitarbeiter.
Durch die Metaanalyse von den Forschern um Song wird allerdings auch klar, wo weiterer Forschungsbedarf besteht. Zum einen wäre es nötig, auch den Tabakkonsum auf bestimmte histologische Typen von Keimzelltumoren zu beziehen, um verwässerte Assoziationen zu vermeiden.
Auch müsste der gemeinsame Konsum explizit untersucht und der Einfluss rauchfreier Cannabinoidquellen auf das Risiko für Hodenkrebs erforscht werden.