Hochdruck-Therapie
Medikamente zu stark im Fokus der Ärzte?
Bewegung und gesunde Ernährung können den Blutdruck nachweislich senken. Viele Ärzte konzentrieren sich in der Behandlung von Hypertonie aber zu sehr auf Medikamente - diese These ist auf dem Kongress der Deutschen Hochdruckliga erörtert worden.
Veröffentlicht:BERLIN. Eigentlich gehört sich das nicht, wenn man eingeladen wird. Aber Professor Robert Schneider vom Institut für Naturmedizin und Prävention der Maharishi University in Iowa, USA, tat es trotzdem.
Er verknüpfte seinen Vortrag beim 38. Wissenschaftlichen Kongress der Deutschen Hochdruckliga (DHL) in Berlin gleich an zwei Stellen mit der Aufforderung an die Gastgeber, die Evidenz zum antihypertensiven Effekt meditativer Verfahren zu sichten und in den Leitlinien besser zu würdigen.
Was sind die Fakten? Schon 1995 wurde bei 127 Patienten mit Hypertonie im Stadium I die transzendentale Meditation (TM) randomisiert mit autogenem Training und reiner Krankheitsedukation verglichen.
In der Meditationsgruppe sank der systolische Blutdruck um 10 mmHg. Bei autogenem Training sank er dagegen kaum und in der Kontrollgruppe gar nicht (Hypertension 1995; 26:820-7).
Erfolg mit transzendentaler Meditation
Auf diese Studie folgten innerhalb von 14 Jahren zahlreiche weitere Studien. Eine Metaanalyse von neun randomisierten Studien bescheinigte der TM eine systolische Blutdrucksenkung um 5 mmHg und eine diastolische Blutdrucksenkung um 3 bis 4 mmHg über 15 Wochen (Am J Hypertens 2008; 21:310-6).
"Das ist eher mehr, als wir in entsprechenden Analysen zu Sport, Diät, Salzreduktion und Gewichtsverlust sehen. Es gibt zudem eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung", so Schneider.
Erste harte Outcome-Daten lieferte eine randomisierte Studie mit 201 KHK-Patienten, die im Mittel 5,4 Jahre nachverfolgt wurden (Circ Cardiovasc Qual Outcomes 2012; 5(6):750-8). Die Intervention bestand in TM zweimal täglich für einige Minuten.
In dieser Studie war das Risiko für ein Ereignis gemäß primärem Endpunkt (Gesamtmortalität, nicht tödlicher Herzinfarkt/Schlaganfall) in der Interventionsgruppe vor Adjustierung um ein Drittel und nach Adjustierung um 48 Prozent niedriger (Ereignisraten 31 Prozent versus 20 Prozent, p=0,025).
Auch die Frage, ob alle Meditationstechniken gleich effektiv sind, betrachtet Schneider als weitgehend geklärt. Die aus der Yoga-Tradition stammende TM habe sich regelmäßig als überlegen erwiesen.
Sie scheine eine über die auch anders erzielbare Entspannung hinausgehende Wirkung zu entfalten.
All das hat die American Heart Association mittlerweile überzeugt: Voriges Jahr veröffentlichte sie ein wissenschaftliches Statement, in dem sie konstatiert, dass die TM blutdrucksenkende Effekte hat.
Alle Patienten mit Blutdruck über 120/80 mmHg sollten demnach TM zumindest erwägen (Hypertension 2013; 61(6):1360-83). In Europa haben die zuständigen Fachgesellschaften diese sehr explizite Empfehlung noch nicht nachvollzogen.
Auch in anderen Bereichen haben die Leitlinien Lücken. Professor Hans-Georg Predel von der Deutschen Sporthochschule Köln kritisierte die seit Jahren unveränderte Standardempfehlungen zum Sport, die besagt, dass an der Mehrheit der Tage einer Woche mindestens eine halbe Stunde aerobe körperliche Betätigung erfolgen sollte.
"Wir wissen heute, dass sehr wahrscheinlich auch schon die Hälfte reicht", so Predel. Gute Daten gebe es zudem zu den antihypertensiven Effekten von strukturiertem Krafttraining, das in den europäischen Leitlinien allerdings überhaupt nicht auftauche.
Immer Allgemeinmaßnahmen empfehlen!
Auch an der Umsetzung hapert es. Das gilt für den Sport, aber auch für die Ernährung.
Professor Jan Hoyer vom Universitätsklinikum Marburg fragte, ob es sich Ärzte und Patienten nicht doch etwas zu leicht machen, wenn sie eine salzarme Ernährung pauschal als im Alltag nicht umsetzbar betrachten: "Es gibt genug Beispiele von Menschen, die es schaffen."
Einigkeit herrschte in Berlin darüber, dass grundsätzlich allen Hochdruckpatienten Allgemeinmaßnahmen empfohlen werden sollten.
Es gehe dabei nicht darum, nicht medikamentöse und medikamentöse Therapien gegeneinander auszuspielen, sagte Professor Eva Brand von der Universität Münster, wo in Kooperation mit Hausärzten ein interdisziplinäres Betreuungsprogramm mit starkem Fokus auf nicht medikamentöse Maßnahmen entwickelt wurde.
"Meist brauchen die Patienten beides. Wir sehen aber, dass wir durch nicht medikamentöse Maßnahmen sowohl die Dosierung als auch die Zahl der Medikamente verringern können."