Fettreiche Kost
Megastudie stellt Empfehlungen zur Ernährung auf den Kopf
Fettarme Kost ist nach den Ergebnissen einer großen Studie offenbar nicht mehr zu empfehlen. Wider Erwarten sinkt bei hoher Zufuhr gesättigter Fettsäuren das Sterberisiko sogar.
Veröffentlicht:BARCELONA. Aktuelle Ernährungsempfehlungen müssen nach neuen Erkenntnissen aus der PURE-Studie offenbar über Bord geworfen werden. Den Gesamt-Fettanteil auf weniger als 30 Prozent der Energiezufuhr zu beschränken, wirkt demnach nicht lebensverlängernd.
Auch die seit langem postulierte Empfehlung, möglichst wenig gesättigte Fettsäure zu konsumieren, kann offenbar ad acta gelegt werden; derzeit wird ein Anteil von weniger als zehn Prozent der Energiezufuhr empfohlen.
Für die PURE-Studie wurden 135.335 Menschen aus 18 Ländern in sieben Regionen der Welt (Nord- und Südamerika, Europa, Mittlerer Osten, Südasien, China, Südostasien und Afrika) zu ihren Ernährungsgewohnheiten befragt und über einen Zeitraum von 7,4 Jahren nachbeobachtet.
Viel Fett = langes Leben?
Ergebnis: Probanden mit einem hohen Fettanteil in der Ernährung lebten deutlich länger als jene mit niedriger Fettzufuhr (höchstes vs niedrigstes Quintil). Die Gesamtmortalität lag signifikant um 23 Prozent niedriger.
Selbst ein erhöhter Konsum gesättigter Fettsäuren ging im Vergleich mit einer 14 Prozent geringeren Sterberate einher, bei einfach gesättigten Fettsäuren war sie um 19 Prozent und bei mehrfach gesättigten Fettsäuren um 20 Prozent geringer.
Eine hohe Zufuhr von Kohlenhydraten ging dagegen mit einem um 28 Prozent erhöhten Sterberisiko einher.
Lieber Fett als Kohlenhydrate
Dr. Andrew Mente von der McMaster University im kanadischen Hamilton hält aktuelle Ernährungsempfehlungen aufgrund dieser Ergebnisse für fragwürdig. "Wir sollten uns von der Fettrestriktion lösen", kommentierte der an der Studie beteiligte Epidemiologe beim ESC-Kongress.
Menschen mit einem hohen Kohlenhydratanteil in der Ernährung (>60 Prozent) sollten diesen auf ein gemäßigtes Maß reduzieren. Von einem hohen Fettanteil gehe dagegen keine Gefahr aus. Von fettreduzierten Lebensmitteln rät Mente ab.
Dreimal Obst und Gemüse reichen
In der PURE-Studie wurde zudem der Zusammenhang zwischen dem Konsum von Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten und der Gesamt- sowie der kardiovaskulären Mortalität untersucht. Probanden mit drei bis vier Portionen pro Tag (etwa 375 g) hatten dabei im Vergleich zu Probanden mit weniger als einer Portion pro Tag ein um 22 Prozent geringeres Sterberisiko als. Noch höhere Zufuhr brachte keinen weiteren Lebenszeit-Gewinn.
Bisher raten Leitlinien zu täglich mindestens fünf Portionen Obst, Gemüse oder Hülsenfrüchten (= 400 g). In weniger entwickelten Ländern seien die ebenso gesundheitsfördernden drei bis vier Portionen wahrscheinlich realistischer zu erreichen. Nach den Daten sei zudem rohes Gemüse gesünder als gekochtes.
Erstaunlicherweise war der Einfluss einer ballaststoffreichen Ernährung auf die kardiovaskuläre Mortalität nur gering und statistisch nicht signifikant (Hazard Ratio: 0,89). Ein hoher Fett- und Kohlenhydratanteil wirkte sich ebenfalls weder vor- noch nachteilig aus.
Begrenzte Aussagekraft
Wie lässt sich aber die Reduktion der Gesamtmortalität erklären? Nach Ansicht von Studienleiterin Dr. Mahshid Dehghan von der McMaster University könnte die Ernährungsweise auch die Prävalenz anderer Erkrankungen wie Krebs- und Atemwegserkrankungen beeinflusst haben. Ein Einfluss von Störfaktoren schließt die Epidemiologin weitgehend aus.
Die Aussagekraft der Studienergebnisse ist allerdings begrenzt, räumen die Autoren ein. Die Angaben zur Ernährung wurden nur zu Studienbeginn erfasst. Es gibt keine Angaben zur Zubereitung der Nahrungsmittel, also ob zum Beispiel frittiert oder gebraten wurde. Und auch der Anteil der als besonders schädlich geltenden Transfette wurde nicht erfasst.