Fettreiche Kost

Megastudie stellt Empfehlungen zur Ernährung auf den Kopf

Fettarme Kost ist nach den Ergebnissen einer großen Studie offenbar nicht mehr zu empfehlen. Wider Erwarten sinkt bei hoher Zufuhr gesättigter Fettsäuren das Sterberisiko sogar.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:
Keine Lust auf fettarme Diät? Das ist einer Studie zufolge vielleicht auch gar nicht nötig.

Keine Lust auf fettarme Diät? Das ist einer Studie zufolge vielleicht auch gar nicht nötig.

© Composer / stock.adobe.com

BARCELONA. Aktuelle Ernährungsempfehlungen müssen nach neuen Erkenntnissen aus der PURE-Studie offenbar über Bord geworfen werden. Den Gesamt-Fettanteil auf weniger als 30 Prozent der Energiezufuhr zu beschränken, wirkt demnach nicht lebensverlängernd.

Auch die seit langem postulierte Empfehlung, möglichst wenig gesättigte Fettsäure zu konsumieren, kann offenbar ad acta gelegt werden; derzeit wird ein Anteil von weniger als zehn Prozent der Energiezufuhr empfohlen.

Für die PURE-Studie wurden 135.335 Menschen aus 18 Ländern in sieben Regionen der Welt (Nord- und Südamerika, Europa, Mittlerer Osten, Südasien, China, Südostasien und Afrika) zu ihren Ernährungsgewohnheiten befragt und über einen Zeitraum von 7,4 Jahren nachbeobachtet.

Viel Fett = langes Leben?

Ergebnis: Probanden mit einem hohen Fettanteil in der Ernährung lebten deutlich länger als jene mit niedriger Fettzufuhr (höchstes vs niedrigstes Quintil). Die Gesamtmortalität lag signifikant um 23 Prozent niedriger.

Selbst ein erhöhter Konsum gesättigter Fettsäuren ging im Vergleich mit einer 14 Prozent geringeren Sterberate einher, bei einfach gesättigten Fettsäuren war sie um 19 Prozent und bei mehrfach gesättigten Fettsäuren um 20 Prozent geringer.

Eine hohe Zufuhr von Kohlenhydraten ging dagegen mit einem um 28 Prozent erhöhten Sterberisiko einher.

Lieber Fett als Kohlenhydrate

Dr. Andrew Mente von der McMaster University im kanadischen Hamilton hält aktuelle Ernährungsempfehlungen aufgrund dieser Ergebnisse für fragwürdig. "Wir sollten uns von der Fettrestriktion lösen", kommentierte der an der Studie beteiligte Epidemiologe beim ESC-Kongress.

Menschen mit einem hohen Kohlenhydratanteil in der Ernährung (>60 Prozent) sollten diesen auf ein gemäßigtes Maß reduzieren. Von einem hohen Fettanteil gehe dagegen keine Gefahr aus. Von fettreduzierten Lebensmitteln rät Mente ab.

Dreimal Obst und Gemüse reichen

In der PURE-Studie wurde zudem der Zusammenhang zwischen dem Konsum von Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten und der Gesamt- sowie der kardiovaskulären Mortalität untersucht. Probanden mit drei bis vier Portionen pro Tag (etwa 375 g) hatten dabei im Vergleich zu Probanden mit weniger als einer Portion pro Tag ein um 22 Prozent geringeres Sterberisiko als. Noch höhere Zufuhr brachte keinen weiteren Lebenszeit-Gewinn.

Bisher raten Leitlinien zu täglich mindestens fünf Portionen Obst, Gemüse oder Hülsenfrüchten (= 400 g). In weniger entwickelten Ländern seien die ebenso gesundheitsfördernden drei bis vier Portionen wahrscheinlich realistischer zu erreichen. Nach den Daten sei zudem rohes Gemüse gesünder als gekochtes.

Erstaunlicherweise war der Einfluss einer ballaststoffreichen Ernährung auf die kardiovaskuläre Mortalität nur gering und statistisch nicht signifikant (Hazard Ratio: 0,89). Ein hoher Fett- und Kohlenhydratanteil wirkte sich ebenfalls weder vor- noch nachteilig aus.

Begrenzte Aussagekraft

Wie lässt sich aber die Reduktion der Gesamtmortalität erklären? Nach Ansicht von Studienleiterin Dr. Mahshid Dehghan von der McMaster University könnte die Ernährungsweise auch die Prävalenz anderer Erkrankungen wie Krebs- und Atemwegserkrankungen beeinflusst haben. Ein Einfluss von Störfaktoren schließt die Epidemiologin weitgehend aus.

Die Aussagekraft der Studienergebnisse ist allerdings begrenzt, räumen die Autoren ein. Die Angaben zur Ernährung wurden nur zu Studienbeginn erfasst. Es gibt keine Angaben zur Zubereitung der Nahrungsmittel, also ob zum Beispiel frittiert oder gebraten wurde. Und auch der Anteil der als besonders schädlich geltenden Transfette wurde nicht erfasst.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 07.09.201712:03 Uhr

Ergänzungen zu aktuellen PURE-Ernährungsempfehlungen

Als Ergänzung zur aktuell in der Ärzte-Zeitung hervorragend von Veronika Schlimpert referierten PURE-Studie mit den PURE-Ernährungsempfehlungen: Mehr und qualitativ hochwertige Fette, statt der erst kürzlich endlich revidierten, irrigen Kohlenhydrat-Mast-Empfehlungen durch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) http://www.t-online.de/gesundheit/ernaehrung/id_82039784/tid_amp/deutsche-gesellschaft-fuer-ernaehrung-dge-aendert-empfehlungen.html
werden in “Association of Changes in Diet Quality with Total and Cause-Specific Mortality” von Mercedes Sotos-Prieto et al.http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1613502
ebendiese PURE-Ergebnisse, die auch von Prof.Nicolai Worm seit Jahren propagiert werden, ebenfalls bestätigt.

Wenn bei Teilnehmern, die sich nach den Regeln des “Alternate Healthy Eating Index”/AHEI (Ernährungsempfehlung der US-amerikanischen Regierung) ernähren, welcher Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, Fisch, weißes Fleisch (?), Soja, Hülsenfrüchte, Tofu, ungesättigte Fettsäuren und ungesüßte Getränke bevorzugen soll, das allgemeine Sterberisiko (“all-cause mortality”) auf 0,91 (95% Konfidenzintervall (KI) 0,85 – 0,97) gegenüber 1,0 der Vergleichsgruppe mit konventioneller Ernährung sinkt.
Wenn unter den “Dietary Approaches to Stop Hypertension”/DASH (speziell für Hypertoniker empfohlenen AHEI Ernährung mit zusätzlicher Verringerung von Kochsalz durch alternative Verwendung von Kräutern und Gewürzen, fettarmer Milch, wenig rotem Fleisch) das Sterberisiko der Teilnehmer auf 0,89 (95% KI 0,84 – 0,95) gegenüber 1,0 sinkt.
Und wenn unter der “Alternate Mediterranean Diet” (AMD) das Sterberisikos sogar auf 0,84 (95% KI, 0,78 – 0,91) gegenüber 1,0 der Vergleichsgruppe mit konventioneller Ernährung sinkt...
Dann hat doch die AMD als eine für Mittelmeerländer typische Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Salat, Fisch und fettreichem Käse, aber auch Weißbrot, bzw. Pasta und Pizza als Vorspeisen (!), Rotwein, rotem Fleisch, reichlich pflanzlichen Ölen und fettreichen Nüssen und keinem Zwang zu fettarmen Milch-(Produkten) rein statistisch die besten Ergebnisse gezeigt.

Aber die Schlussfolgerungen lauten hier im Gegensatz zu PURE ganz unverbindlich: “Conclusions – Improved diet quality over 12 years was consistently associated with a decreased risk of death (Funded by the National Institutes of Health)”, also die verbesserte Qualität a l l e r drei Ernährungsvarianten und veränderten Ernährungsgewohnheiten bewirken eine übereinstimmende Assoziation zur Senkung des Sterberisikos.

Zugleich behauptet das Autorenteam aber auch, je länger und konsequenter diese Diätveränderungen über 12 Jahre eingehalten würden, hätten der Alternate Healthy Eating Index (AHEI) score mit 14% allgemeiner Sterberisiko-Senkung besser als der Alternate Mediterranean Diet (AMD) score mit 11% bzw. der DASH score mit nur 9% abgeschnitten. [“Among participants who maintained a high-quality diet over a 12-year period, the risk of death from any cause was significantly lower — by 14% (95% CI, 8 to 19) when assessed with the Alternate Healthy Eating Index score, 11% (95% CI, 5 to 18) when assessed with the Alternate Mediterranean Diet score, and 9% (95% CI, 2 to 15) when assessed with the DASH score — than the risk among participants with consistently low diet scores over time.”]

Am höchsten sei das allgemeine Sterberisiko für diejenigen mit konstant niedrigen Diät-Scores über die 12 Beobachtungsjahre gewesen. Keineswegs waren die folgenden Diäten untereinander hochsignifikant besser oder schlechter:
1. Der veränderte "Gesunden Ernährungs-Index-Score“
2. Die veränderte "mediterrane Diät"
3. Der "diätetische Zugang zum Hypertonie-Stopp"
["Alternate Healthy Eating Index–2010 score, the Alternate Mediterranean Diet score, and the Dietary Approaches to Stop Hypertension (DASH) diet score"].

Mit Spannung warte ich auf eine aktualisierte 11. Ernährungsregel der DGE, mit der sie

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