E-Health
Mit Onlinetherapien gegen depressive Störungen
Für die internetbasierte Behandlung bei leichten Depressionsformen existieren gut untersuchte Programme. Bei Therapeuten ist die Skepsis aber noch verbreitet.
Veröffentlicht:Sie heißen „Moodgym“, „Deprexis“, „HelloBetter“ oder „iFightDepression“ – internetbasierte Programme zur Onlinetherapie bei leichten bis mittelgradigen depressiven Störungen. Es sind niedrigschwellige, in erster Linie unbegleitete Programme für PC und/oder mobile Endgeräte, mit denen viele Betroffene erreicht und die zur Überbrückung bis zu einer Psychotherapie oder zusätzlich zu weiteren Interventionen eingesetzt werden können.
Inzwischen liegen Wirksamkeitsnachweise für einige Programme vor. Psychotherapeutische Gutachter der Stiftung Warentest hatten 2019 an vier von acht Programmen das Prädikat „Empfehlenswert“ vergeben, an drei weitere ein „Eingeschränkt empfehlenswert“.
Metaanalyse zu „Deprexis“
Zu den am besten untersuchten Programmen gehört das in Deutschland entwickelte „Deprexis“, für das kürzlich eine Metaanalyse aus zwölf randomisierten Studien mit insgesamt 2900 Teilnehmern veröffentlicht worden ist (PLoS One 2020; 15(1): e0228100). Die Analyse bestätigte signifikante und klinisch relevante Effekte auf depressive Symptome, unabhängig davon, ob ein Therapeut involviert war oder nicht. Auch in Kombination mit einer Psychotherapie oder einer multimodalen Therapie ergeben sich messbare Wirkungen. Es müssen drei bis vier Patienten mit depressiven Symptomen das Programm über acht bis zwölf Wochen nutzen, um einmal eine klinisch relevante Verbesserung zu erreichen, entsprechend einer NNT (number-needed-to-treat) von 3,55.
Mit dem aus Australien stammenden Programm „Moodgym“, als Add-on in der Hausarzt-basierten Behandlung angewendet, sind sieben Nutzer erforderlich, um eine zusätzliche Remission nach sechs Monaten zu erreichen, hat die @ktiv-Studie ergeben (J Affect Dis 2018; 238: 317).
Die Programme basieren meist auf den Prinzipien der kognitiven Verhaltenstherapie und sind modular aufgebaut. Enthalten sind Informationen zur Erkrankung, Fragebögen zur Stimmung, Hinweise zu Problemlösetechniken, Entspannungsverfahren oder Vorschläge, wie Gedanken, Gefühle und Handlungen positiv beeinflusst werden können. Dr. Margrit Löbner von der Universität Leipzig und Kollegen berichten über einen Dosis-Wirksamkeits-Effekt: Je intensiver das Programm genutzt wird, desto eher profitieren die Patienten davon (Fortschr Neurol Psychiatr 2019; 87:181-186). Das Programm iFightDepression ist zum Beispiel außer auf Deutsch in elf weiteren Sprachen verfügbar. Dies könne helfen, Sprachbarrieren und Versorgungsengpässe, besonders bei Migranten in Deutschland, zu überbrücken, so die Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Außerdem ließen sich kulturelle Besonderheiten beim Umgang mit Depressionen berücksichtigen.
Manche Programme kostenlos
Manche Programme sind kostenlos und frei verfügbar. Einige gesetzliche Krankenkassen finanzieren die Anwendung der Programme oder waren in deren Entwicklung involviert. Kritisch merkte die Stiftung Warentest an, dass einige Apps die Identifikationsnummer des Endgeräts an den Programmbetreiber oder den Mobilfunkanbieter übermitteln. Meist sind die Nutzer namentlich identifizierbar, weshalb der Datenschutz gewährleistet sein muss. Der Schutz des Nutzerkontos im Desktop-Browser und in der jeweiligen App war meist mit gut bis befriedigend eingeschätzt worden.
Prinzipiell denkbar sind jedoch auch interaktive Audio- oder Videosprechstunden oder der schriftliche Austausch mit Patienten über Plattformen, die Informations-, Dokumentations- und Edukationsmodule enthalten. Die Akzeptanz solcher potenzieller Optionen bei Psychotherapeuten haben Christoph Dockweiler von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld und Kollegen untersucht (Nervenarzt 2020; 91: 243-251).
Ihre nichtrepräsentative Onlineumfrage bei überwiegend ambulant tätigen psychologischen und ärztlichen Psychotherapeuten, Psychologen und Psychiatern ergab, dass ihnen Rechtssicherheit, Transparenz in Bezug auf die Datenverarbeitung sowie Qualitätsvorgaben onlinebasierter Therapieangebote sowie kostendeckende Abrechnungsmodalitäten wichtig sind.
Mehr als die Hälfte der 657 Befragten konnten sich vorstellen, künftig eine Onlinetherapie anzubieten. „Das bedeutsamste Potenzial der Onlinetherapie wird in der größeren zeitlichen und örtlichen Flexibilität gesehen“, berichten Dockweiler und Kollegen. Vorteilhaft sei die Technik aber auch im Anschluss an stationäre Aufenthalte. Andererseits glaubten die meisten Befragten jedoch, dass es bei vielen ihrer Kollegen noch an Akzeptanz für onlinebasierte Interventionsformen mangele. Fehlende Akzeptanz seitens der Patienten wurde dagegen nur von 43 Prozent der Befragten angenommen.