Neue Ansätze
Mobile Dialyse via Ersatzniere in der Weste
Neue Hoffnung für Dialyse-Patienten: Forscher sind in ihrem Bemühen, eine tragbare Kunstniere zu entwickeln, einen wichtigen Schritt vorangekommen.
Veröffentlicht:WASHINGTON/ROSTOCK. In Deutschland sind rund 80.000 Menschen dauerhaft auf eine Dialyse angewiesen. Für sie gibt es jetzt neue Hoffnung: Forscher sind in ihrem Versuch, eine tragbare künstliche Niere zu entwickeln, einen wichtigen Schritt vorangekommen.
Die Lösung lautet: sich selbst zu dialysieren, doch das erfordert viel Eigenverantwortung, Sorgfalt und Disziplin. Für viele bleibt die Bauchfell-Dialyse, die sie zu Hause durchführen, zumindest eine Zeit lang eine Alternative. Nierenkranke, die noch im Beruf stehen, könnten jedoch auch von einer mobilen Lösung profitieren - vor allem, wenn sie kaum sichtbar ist.
Das erste tragbare, aber noch mit einigen Kinderkrankheiten versehene Dialysegerät stellte der US-Nephrologe Victor Gura (Los Angeles) schon vor zehn Jahren vor. Die Kunstniere filtert die giftigen Abfallstoffe mithilfe einer kleinen Pumpe und spezieller Filterkartuschen aus dem Blut.
Zusammen mit Kollegen testete er 2015 dann ein verbessertes Gerät, das Patienten 24 Stunden an einem Gürtel mit sich herumtragen konnten. Doch die Studie mit zehn Patienten wurde wegen technischer Schwierigkeiten abgebrochen (doi: 10.1172/jci.insight.86397). Weitere klinische Studien mit einem erneut verfeinerten Gerät sind geplant.
In Italien arbeitet der Nephrologe Dr. Claudio Ronco (Vicenza) seit langer Zeit an tragbaren Alternativen - in einer Weste oder als Rucksack. "Wir optimieren gerade die miniaturisierten Komponenten und arbeiten an einem Kreislauf mit Antithrombose-Beschichtung", erläutert Ronco. Testreif ist die Kunstniere aber noch nicht.
Grundsätzlich stehen alle Forscher dabei vor mehreren Herausforderungen: Der Gefäßzugang beim Patienten muss sicher sein, damit Blut in der richtigen Menge austritt und es nicht zu Infektionen kommt. Und es gilt Dialyse-Wasser zu sparen: Für die konventionelle Blutwäsche beim Arzt können 170 bis 210 Liter Waschlösung (Dialysat) nötig werden. Das tragbare US-Gerät hingegen kommt mit nur 0,4 Litern Wasser aus.
Die Wasserfrage sei wichtig, auch mit Blick auf Erkrankte in armen Ländern, in denen Wasser knapp ist, betont der Physiker Rainer Goldau.
Am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI/Leipzig) tüftelt er in enger Zusammenarbeit mit den Nephrologen der Uniklinik Rostock an der Idee, Menschen die körperlich und psychisch anstrengende Dialyse zu erleichtern: Indem sie fortlaufend und dadurch schonender durch eine tragbare Kunstniere geschieht.
Physiker Goldau und sein Team arbeiten unermüdlich an der Umsetzung der Idee, den Wasserverbrauch zu minimieren, die Blutreinigung zu vereinfachen und eine tragbare Kunstniere made in Rostock zu entwickeln. Denn vor allem das Wasser-Filterverfahren erscheint so einfach und kostengünstig, dass es auch in armen Ländern eingesetzt werden könnte.
"Eis ist ein ganz wunderbarer Filter", beschreibt Goldau. In der Tat kann jeder, der als Kind mal ein 10-Cent-Wassereis gelutscht hat, bestätigen, dass nach dem Aussaugen des "Colageschmacks" nur pures, blankes Eis zurückbleibt.
Diesen Effekt gefrierenden (Dialysat-)Wassers nutzen die Forscher nun, um den Harnstoff und die rund 130 sonstigen Toxine abzutrennen, die bei Gesunden einfach mit dem Urin ausgeschieden werden. Ist das Wasser durch Vereisung gereinigt, kann es wiederverwendet werden.
Tragbare Niere aus zwei Teilen
Konkret heißt das: Die tragbare Niere soll aus zwei Teilen bestehen. Einer handlichen, per Solarzelle oder Auto-Elektronik betriebenen Basisstation zur Kryoreinigung. Und einer mit Wasser gefüllten Weste, die sich an den Körper schmiegt.
"Die Patienten behalten dadurch die Freiheit, ihr Leiden zu verbergen. Viele möchten nicht immer darauf angesprochen werden", erläutert Goldau.
In der Weste finden insgesamt mehrere Liter frisches und gebrauchtes Dialysat in unterschiedlichen Kammern Platz. Während das Blut durch eine von Dialysat umgebene Filterröhre fließt, wird es gereinigt: Schadstoffe treten durch die Filtermembran in das Wasser über.
Alle paar Stunden dockt der Patient dann kurz an der Basisstation an. Das gebrauchte Dialysat wird abgelassen und gereinigt. 90 Prozent davon strömen recycelt als Frischwasser in die Weste zurück.
Doch noch gebe es offene Fragen, sagt Goldau. Er hofft, dass seine Arbeit der weiteren Entwicklung einen neuen Schub gibt. Denn, so betont Goldau, "die großen Hersteller waren bisher zögerlich". (dpa)