Kasuistik
Morbus Basedow und Orbitopathie – Folge einer Infektion mit SARS-CoV-2?
Kann SARS-CoV-2 als Auslöser einer Autoimmunerkrankung bei prädisponierten Menschen wirken? Italienische Forscher berichten von einer 33-jährigen Frau mit COVID-19, die nach zwei Monaten eine manifeste Hyperthyreose mit nachweisbaren Anti-TSH-Rezeptor-Autoantikörpern entwickelt hatte.
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Die Sonografie ergab ein diffuses echoarmes Muster der Schilddrüse.
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Pisa. Für viele Experten ist inzwischen klar, dass ein komplexes Zusammenspiel zwischen genetischen und nicht-genetischen Faktoren, einschließlich Infektionen, Rauchen und Stress, eine Schilddrüsen-Autoimmunität bei Morbus Basedow (GD) auslösen kann. So können Viren und Bakterien an unterschiedlichen Mechanismen beteiligt sein, wie etwa dem Zusammenbruch der zentralen und peripheren Toleranz sowie der Stimulation von Inflammasomen mit Freisetzung von Typ-I-Interferon (J Endocrinol Invest 2015; 38: 283-294).
In mehreren Studien wurden hier Erreger wie Yersinia enterocolitica, Enterovirus, Herpes-Simplex-Virus, Epstein-Barr-Virus, Parvovirus-19 und Retroviren identifiziert. Und, seit neustem steht auch SARS-CoV-2 unter Verdacht. Vor allem, da das Hauptziel des Virus, das Angiotensin-Converting-Enzym-2, in der Schilddrüse stark exprimiert wird, was eine mögliche Beteiligung vermuten lässt. So wurde eine Reihe von Fällen von Autoimmunerkrankungen bei Patienten mit COVID-19 berichtet, was darauf hindeutet, dass das Virus selbst oder die Reaktion des Immunsystems bei prädisponierten Personen als Auslöser wirken kann (J Endocrinol Invest 2021; 44: 387-388).
Anti-TSH-Rezeptor-Autoantikörper nachweisbar
Eine Forschergruppe um Giulia Lanzolla von der Universität Pisa, hat nun von einem Fall von Graves-Hyperthyreose (GH) und Graves-Orbitopathie (GO) nach COVID-19 bei einer 33-jährigen Frau berichtet (J Endocrinol Invest 2021, online 8. Mai). Symptome aufgrund der Infektion traten bei der Frau im März 2020 auf. Zwei Monate später klagte sie über Tachykardie, Gewichtsverlust, Hitzeunverträglichkeit und Nervosität. Schilddrüsenfunktionstests zeigten eine manifeste Hyperthyreose mit nachweisbaren Anti-TSH-Rezeptor-Autoantikörpern. Die Ultraschalluntersuchung ergab ein diffuses echoarmes Muster der Schilddrüse.
Bei der augenärztlichen Untersuchung wurde eine leichte, inaktive GO diagnostiziert. Exophthalmometrie-Messungen betrugen 21 mm in beiden Augen, mit Bindehautrötung (klinischer Aktivitätsscore 1/7 Punkte). Ihre Sehschärfe und Augenmotilität waren normal, und es war keine Diplopie nachweisbar. Unter einer Therapie mit Methimazol kam es zu einer Besserung der Symptome und Schilddrüsenfunktionstests.
Die Vermutung der Autoren: „Eine spekulative Hypothese für unseren Patienten ist, dass COVID-19 durch molekulare Mechanismen, die der Wirkung des Virus selbst zugrunde liegen, sowie durch Induzieren eines lang anhaltenden Stresszustands eine Autoimmunreaktion gegen Schilddrüsen- und Augenantigene ausgelöst haben könnte“. (otc)