Antibiotika-Resistenzen
Neue Keime - noch größere Gefahr
Alle reden über MRSA - doch inzwischen werden andere Antibiotika-resistente Keime zu einem größeren Problem.
Veröffentlicht:MANNHEIM. Ein Viertel aller Krankenhausbehandlungen von Patienten hat etwas mit Infektionen zu tun. Das geht aus einer repräsentativen Erhebung an neun Berliner Krankenhäusern hervor. Damit sind Infektionen per se ein erhebliches Gesundheitsproblem in Deutschland.
Hinzu komme die längst auch in der Bevölkerung und der Politik angekommene Sorge vor zunehmend multiresistenten Keimen, erklärte Professor Gerd Fätkenheuer aus Köln.
Nach den Worten des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie sind neben den grampositiven Bakterien wie MRSA und VRE (Vancomycin-resistente Enterokokken) zunehmend gramnegative Keime wie ESBL (Extended Spectrum Beta-Lactamase)-Bildner und Carbapenemase-bildende Enterobakterien der Grund für diese Sorgen.
Im sogenannten O'Neill-Report vor zwei Jahren war prognostiziert worden, dass im Jahr 2050 weltweit 10 Millionen Menschen an Infektionen mit Antibiotika-resistenten Keimen sterben würden.
Betroffen sind vor allem Asien und Afrika, wo Antibiotika breit und ohne Restriktionen eingesetzt werden. "Wir haben ein globales Problem, daran kann kein Zweifel bestehen", sagte Fätkenheuer.
VRE-Prävalenz bereits bei 23 Prozent
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In Deutschland dominieren derzeit MRSA und gramnegative Erreger. In den vergangenen Jahren war ein Rückgang neuentdeckter MRSAInfektionen zu verzeichnen. Noch nicht ausreichend ins Bewusstsein gelangt sind nach Fätkenheuers Meinung die VRE.
"Sie sind insofern ein größeres Problem als MRSA, weil uns viel weniger Medikamente zur Verfügung stehen." In seiner Klinik in Köln liegt die VRE-Prävalenz bereits bei 23 Prozent - eine Beobachtung, die auch anderswo gemacht wird. Die Ursachen dafür sind nicht ganz klar.
Bei den gramnegativen Erregern haben Massentierzucht und Ausbreitung über Lebensmittel wie Hühnerfleisch sowie internationale Reisetätigkeit wesentlich zur Zunahme von ESBL-bildenden E. coli beigetragen, auf Klinikstationen sind dies deutlich über 10 Prozent aller E. coli. Ein großer Teil von Kolonisationen mit multiresistenten Erregern tritt aber im ambulanten Bereich auf.
Kontakt ist gar nicht zu vermeiden
Von fast 600 Reisenden, die vor einer Reise in tropische Länder frei waren von multiresistenten Erregern, kehrte in einer französischen Studie die Hälfte mit multiresistenten Erregern im Darm zurück (Clin Infect Dis 2015; 61: 593-600).
Fätkenheuer: "Das zeigt, dass in Indien, in China, in afrikanischen Ländern die Verbreitung bereits so groß ist, dass der Kontakt damit gar nicht zu vermeiden ist." Die meisten Betroffenen erkranken nicht und verlieren die Erreger im Verlauf von etwa drei Monaten.
Hoch resistente Erreger sind hierzulande noch selten. Zu Todesfällen durch Infektionen gibt es keine verlässlichen Daten. Eine Übersterblichkeit durch multiresistente Erreger sei bislang nicht belegt, so der Infektiologe. Und: Die meisten der infektionsbedingten Todesfälle sind durch normal empfindliche Erreger bedingt. "Die Fokussierung ausschließlich auf multiresistente Erreger ist daher nicht zielführend." Vielmehr müsse die Versorgung von Patienten mit Infektionskrankheiten umfassend verbessert werden.
Nationale Anstrengungen sind dafür zwar dringend notwendig, aber bei weitem nicht ausreichend. Das Problem muss international angegangen werden - und wird es auch, seit die Problematik es sogar auf die Agenda eines G7-Gipfels geschafft hat.
Annette Widmann-Mauz, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, sagte, es brauche ein abgestimmtes und koordiniertes Vorgehen in der Human- und Veterinärmedizin sowie in der Landwirtschaft. Sie verwies auf die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie DART 2020. Damit sollen Antibiotika-Resistenzen frühzeitig erkannt,bestehende Therapieoptionen verbessert und Infektionsketten früh unterbrochen werden.
Eingebettet ist DART in den globalen Aktionsplan der WHO zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen. Dieser gibt vor, dass alle Mitgliedsstaaten bis Mitte 2017 nationale Aktionspläne vorlegen.