Kollaterale Sensitivität
Neue Strategie gegen Antibiotikaresistenzen
Bei der Methode der kollateralen Sensitivität werden Bakterien durch die Kombination verschiedener Antibiotika gezielt bekämpft, wobei die Resistenzbildung gleichzeitig gehemmt wird. Aber kann das Prinzip tatsächlich auch therapeutisch genutzt werden?
Veröffentlicht:Kiel. An evolutionsbasierten Strategien, bei denen durch die Kombination von Wirkstoffen bakterielle Krankheitserreger besser bekämpft und gleichzeitig die Resistenzbildung gehemmt wird, forschen Wissenschaftler der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU).
Ein Prinzip, das sie dabei nutzen, ist die sogenannte kollaterale Sensitivität. Dieser Ausdruck beschreibt das Auftreten von vorteilhaften, evolutionären „Kosten“ für die Entwicklung einer Antibiotikaresistenz, die entstehen, wenn die Evolution der Resistenz gegen einen Wirkstoff den Krankheitserreger gleichzeitig hochempfindlich gegen ein zweites Medikament werden lässt, berichtet die CAU in einer Mitteilung.
Einsatz für therapeutische Zwecke?
Am Beispiel des Bakteriums Pseudomonas aeruginosa haben die Forscher um Erstautor Dr. Camilo Barbosa dieses Prinzip nun mit Evolutionsexperimenten im Labor hinsichtlich seiner Stabilität und damit perspektivisch seiner nachhaltigen Nutzbarkeit im künftigen Behandlungsalltag untersucht (eLife 2019; online 29. Oktober).
Schon vor zwei Jahren hatten die Kieler Forscher das Prinzip der kollateralen Sensitivität genutzt, um die Auswirkungen verschiedener Formen der kombinierten Antibiotika-Gabe auf die evolutionäre Anpassung von Pseudomonas aeruginosa zu untersuchen. Aber bleibt die Behandlungsempfindlichkeit der Bakterien längerfristig stabil?
„Auf Basis dieser Vorarbeiten wollten wir herausfinden, ob sich dieses Prinzip auch unter wechselnden Bedingungen bestätigen lässt und ob die Sensitivität des Keimes infolge der kombinierten Medikamentengabe dauerhaft stabil bleibt“, wird Studienautor Professor Hinrich Schulenburg in der Mitteilung zitiert.
In der aktuellen Arbeit stellte das Team um Barbosa nun fest, dass es von mehreren Faktoren abhängt, ob die kollaterale Sensitivität zu therapeutischen Zwecken genutzt werden kann: Besonders die Abfolge und Kombination der eingesetzten Antibiotika, aber auch die evolutionären Kosten für das Bakterium und die an der Resistenzbildung beteiligten genetischen Mechanismen entscheiden über die dauerhafte Wirksamkeit.
Zum Teil multiple Resistenzen
„Die Anpassungsfähigkeit des Krankheitskeims war insbesondere dann stark gehemmt, wenn der Medikamentenwechsel von einem Aminoglykosid hin zu einem Betalactam erfolgte,“ erläutert Barbosa.
Bei anderen Wirkstoffkombinationen und -wechseln gelang es den Krankheitserregern hingegen, zum Teil multiple Resistenzen auszubilden. Zusätzlich spielen die evolutionären Kosten der Resistenzevolution eine wichtige Rolle für den Therapieerfolg.
Die Forschungsergebnisse könnten in Zukunft die Entwicklung neuartiger und nachhaltiger Antibiotika-Therapien erlauben. „Diese Strategien werden wir für einen möglichen Einsatz an Patienten weiterentwickeln“, blickt Schulenburg voraus. (eb)