Depressionen
Neues Verständnis für die Wirkung von Therapien
FREIBURG. Therapien für Patienten mit Depression wurden bisher meist zufällig durch klinische Beobachtungen entwickelt, ohne dass die neurobiologischen Wirkmechanismen verstanden wurden.
Forscher der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg konnten nun in einem Depressionsmodell der Maus mit dem Protein Homer 1a die zentrale Schaltstelle im Hirn identifizieren, die für die antidepressive Wirkung sowohl medikamentöser als auch nicht-medikamentöser Therapien verantwortlich sein dürfte (Neuron 2015, 87 (3): 549-562), heißt es in einer Mitteilung des Klinikums.
An dieser Schaltstelle könnte die zukünftige Entwicklung innovativer Behandlungen ansetzen, die schnellere Effekte als die bisher verfügbaren Medikamente versprechen.
In der internationalen Studie unter der Leitung von Professor Dietrich van Calker, Leiter der Sektion Psychopharmakotherapie, und Professor Knut Biber, Leiter der Sektion Molekulare Psychiatrie, beide an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg, wurde zunächst der Wirkungsmechanismus von Schlafentzug bei Depressionen aufgeschlüsselt.
Schlafentzug zeigt sofortige Wirkung
Anders als Antidepressiva, die erst nach zwei bis drei Wochen einen therapeutischen Effekt zeigen, wirkt Schlafentzug bei depressiven Patienten sofort oder gar nicht. Das heißt, nach einer durchwachten Nacht verbessert sich bei vielen Patienten die Depression entscheidend.
Diese positive Wirkung hält allerdings in der Regel nur bis zum nächsten Nachtschlaf an.
In dem Depressionsmodell konnten die Forscher die "antidepressive" Wirkung von Schlafentzug auf die Funktion von Homer 1a im Vorderhirn zurückführen, das bei der Regulation der Reizübertragung zwischen Nervenzellen eine wesentliche Rolle spielt. Eine Blockierung von Homer 1a im Vorderhirn verhinderte diese "antidepressive" Wirkung des Schlafentzugs.
Ketamin wirkt rascher als Imipramin
In einem zweiten Schritt wurde die zentrale Bedeutung von Homer 1a auch bei der Gabe antidepressiver Wirkstoffe wie Imipramin und Ketamin untersucht.
Bei Ketamin, einer sehr rasch antidepressiv wirkenden Substanz, wurde eine unmittelbare Stimulation von Homer 1a im Vorderhirn gefunden, bei Imipramin, einem Antidepressivum mit verzögerter klinischer Wirkung, zeigten sich die Effekte erst nach Wochen.
Bei beiden Substanzen wurde die "antidepressive" Wirkung durch die Blockade von Homer 1a aufgehoben.
Damit wurde erstmals ein gemeinsamer neurobiologischer Mechanismus für die unterschiedlichen antidepressiven Verfahren (Schlafentzug und Antidepressiva) beschrieben. (eb)