Option für besseren Schutz vor Schlaganfall

Der Thrombinhemmer Dabigatran kann nun zur Schlaganfall-Prophylaxe bei Vorhofflimmern eingesetzt werden. Damit ließen sich jetzt ältere Patienten optimal behandeln, so die Deutsche Gesellschaft für Neurologie.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Schlaganfall-Patient in der Stroke Unit. Vorhofflimmern erhöht vor allem im höheren Alter das Hirninsult-Risiko.

Schlaganfall-Patient in der Stroke Unit. Vorhofflimmern erhöht vor allem im höheren Alter das Hirninsult-Risiko.

© C. Pueschner/ZEITENSPIEGEL

INGELHEIM/BERLIN. Gemäß der jetzt erfolgten Zulassung ist Dabigatran zur Prävention von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei erwachsenen Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern und einem oder mehreren Risikofaktoren für einen Schlaganfall indiziert.

In der EU ist Dabigatran in beiden in der RELY-Studie geprüften Dosierungen zugelassen (wie kurz berichtet). Als Standarddosierung werden 150 mg zweimal täglich empfohlen, teilt der Hersteller Boehringer Ingelheim in einer Presseinformation mit.

Die Dosis von 110 mg zweimal täglich werde für ältere Patienten ab 80 Jahren und bei gleichzeitiger Behandlung mit Verapamil empfohlen. Sie könne auch bei bestimmten Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko in Betracht gezogen werden.

DGN begrüßt die Zulassung von zwei Dosierungen

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) begrüßt in einer Pressemitteilung die Zulassung von Dabigatran zur Prävention von Schlaganfällen bei Vorhofflimmern.

Durch die Zulassung beider in der Zulassungsstudie RELY* geprüften Dosierungen ließen sich sowohl Patienten unter 80 Jahren als auch ältere Betroffene optimal behandeln, so die Einschätzung der DGN.

"Jeder hundertste Mensch leidet bei uns an Vorhofflimmern, bei den über 80-Jährigen ist es sogar jeder Zehnte", zitiert die DGN Professor Martin Grond, Vorstandsmitglied der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft und der DGN.

Prophylaxe ohne ständige Gerinnungskontrolle

"Angesichts dieser Zahlen ist es ein großer Fortschritt, dass für diese Patienten bald schon eine neue Generation von Medikamenten bereitsteht, die das Risiko von Blutgerinnseln - und damit auch von Schlaganfällen - senken kann, ohne die Betroffenen durch den Zwang zur ständigen Überwachung der Blutgerinnung zu belasten", so Grond.

Einer dieser Kandidaten ist das jetzt zugelassene Dabigatran. "Die neue, altersbezogene Auswertung der internationalen RELY-Studie zeigt, dass ältere Patienten von der niedrigeren Dosis profitieren, Patienten unter 80 Jahren jedoch eher mit einer höheren Dosis behandelt werden sollten", so einer der federführenden Autoren, der Essener Neurologe Professor Hans-Christoph Diener (Circulation 2011; 123(21): 2363).

An der RELY-Studie haben in 44 Ländern über 18 000 Patienten mit Vorhofflimmern teilgenommen. Ein Drittel der Patienten hatte den Vitamin-K-Antagonisten (VKA) Warfarin erhalten, für den eine engmaschige Kontrolle der Blutgerinnungswerte (INR) erforderlich ist.

Warfarin, das nach dem gleichen Prinzip wirkt wie der in Deutschland standardmäßig verabreichte VKA Phenprocoumon, wurde mit Dabigatran verglichen.

Um zu klären, wie das Schlaganfall-Risiko am besten gesenkt werden kann, ohne dafür schwere Blutungen als Nebenwirkung in Kauf nehmen zu müssen, wurden zwei verschiedene Dosierungen von Dabigatran getestet, nämlich 110 mg und 150 mg, jeweils zweimal täglich.

Schlaganfälle in der höheren Dosierung stärker reduziert

Die im Jahr 2009 veröffentlichen Hauptergebnisse der RELY-Studie belegen, dass mit der niedrigeren Dosis von Dabigatran das Risiko von Schlaganfällen und systemischen Embolien ebenso stark gesenkt wurde wie mit Warfarin und dass schwerwiegende Blutungen als Nebenwirkung mit 110 mg Dabigatran signifikant seltener waren (N Engl J Med 2009; 361 (12):1139).

Die höhere Dosis von Dagibatran war dagegen signifikant besser wirksam als Warfarin, Blutungen traten hier ähnlich häufig auf wie unter Warfarin.

Zur Verwunderung vieler Experten hat die US-Zulassungsbehörde FDA Dabigatran im Oktober 2010 zwar in der Dosierung von 150 mg zugelassen, nicht aber in der Dosierung von 110 mg. Stattdessen ist für eine kleine Risikogruppe von Patienten mit Nierenschäden eine Dosierung von zweimal 75 mg pro Tag genehmigt worden.

"Die Kritik an dieser Entscheidung wird nun durch die neue Auswertung der RELY-Daten bestätigt", wird Diener in der DGN-Mitteilung zitiert. "Die Auswertung nach Alter zeigt, dass beide Dosierungen gebraucht werden.

Für Patienten unter 80 Jahren könnten demnach zweimal 150 mg Dabigatran täglich den besten Kompromiss aus Wirksamkeit und Sicherheit darstellen, bei den älteren Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko aber sollten die Ärzte erwägen, zweimal 110 mg täglich zu verschreiben, um das Risiko extrakranialer Blutungen zu verringern", so Diener. Mit der für die EU ergangenen Zulassung sei nun gewährleistet, sodass beide Altersgruppen optimal behandelt werden können.

*Randomized Evaluation of Long-Term Anticoagulant Therapy

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Vorhofflimmern: Antikoagulation vor Schlaganfall von Vorteil

Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 09.08.201113:01 Uhr

Dabigatran statt Phenprocoumon bei VHF - eine neue Behandlungsoption

Da ist die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) mit Prof. Martin Grond und Prof. Hans-Christoph Diener offensichtlich von dem ursprünglich favorisierten Apixaban auf das aktuell für die Thromboembolie- und Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern (VHF) zugelassene Dabigatran umgeschwenkt. Zweimal täglich 150 mg Dabigatran (Pradaxa), bei Älteren 2 x 110 mg. tgl. werden empfohlen bei nicht valvulär erkrankungsbedingtem VHF.

Erstaunlich bleibt allerdings, weshalb h i e r entsprechend der DGN-
Pressemitteilung eine Dosisabsenkung bei Patienten über 80 Jahren auf 2 x 110 mg tgl. erfolgen soll, während in der Originalarbeit (Circulation 2011; 123(21): 2363), bei der HC Diener als Co-Autor genannt ist, eine Altersgrenze von 75 Jahren Untersuchungsgegenstand war.

Der Fortgang dieser Behandlungsoption bei VHF bleibt spannend, weil sowohl Apixaban als auch Rivaroxaben derzeit in klinischen Studien gegen Phenprocoumon (Marcumar-D, Warfarin-USA) untersucht werden.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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