Rückenschmerzen
Placebo wirkt auch bei eingeweihten Patienten
Placeboeffekte bei der Behandlung von Patienten mit Rückenschmerzen sind nicht davon abhängig, dass die Patienten über die Natur der Therapie getäuscht werden. Die Placebotherapie muss aber "in einem positiven Kontext" präsentiert werden.
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Bei Rückenschmerz gilt: Der Körper kann auf Placebo automatisch reagieren. Eine positive Erwartungshaltung ist hilfreich, aber nicht nötig.
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LISSABON. In der Schmerztherapie sind die Effekte von Placebobehandlungen besonders ausgeprägt. Praktisch werden sie jedoch kaum genutzt.
Welcher Arzt mag schon einem Patienten Zuckerpillen geben und ihm vormachen, es handele sich um ein wirkstoffhaltiges Medikament? Solche Täuschungsmanöver sind jedoch gar nicht nötig, wie Ärzte aus Portugal und den USA in einer Studie herausgefunden haben. Die Botschaft der Ärzte um Claudia Carvalho von der Universität Lissabon: Auch eine offene Placebotherapie kann bei chronischen Kreuzschmerzen hilfreich sein, wenn sie "in einem positiven Kontext präsentiert" wird (Pain 2016; 157: 2766–2772).
Über Placebo aufgeklärt
An der randomisierten kontrollierten Studie beteiligten sich 83 erwachsene Patienten mit chronischen Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule. 42 sollten drei Wochen lang lediglich ihre bisherige, zumeist auf NSAR beruhende Therapie fortsetzen. 41 waren angehalten, zusätzlich zweimal täglich eine – als solche beschriftete – Placebopille einzunehmen. Zuvor hatte der Studienleiter die Patienten darüber aufgeklärt, dass die Tabletten keine aktive Substanz enthalten, Placebos aber starke Effekte haben können. Der Körper könne auf Placebopillen automatisch reagieren, ähnlich wie der Pavlovsche Hund auf den Klingelton. Dazu sei eine positive Erwartungshaltung zwar hilfreich, aber nicht notwendig. Die Tabletten müssten jedoch unbedingt in der vorgegebenen Weise eingenommen werden.
Nach drei Wochen hatten sich in der Placebogruppe beide primären Endpunkte, Schmerz und Behinderung, im Vergleich zur unverändert behandelten Gruppe hochsignifikant gebessert. Der kombinierte Endpunkt Schmerz, erfasst in einer numerischen Skala von 0 bis 10, setzte sich aus den Mittelwerten der minimalen, maximalen und üblichen Schmerzintensität zusammen. Der Ausgangswert von 4,7 in der Gruppe mit unveränderter Therapie wurde um 0,2, der anfängliche Wert von 5,2 in der Placebogruppe um 1,5 reduziert.
Auch bei den einzelnen Schmerzparametern fiel der Vergleich jeweils signifikant zugunsten von Placebo aus. Der übliche wie der maximale Schmerz besserten sich in der Placebogruppe jeweils um 30 Prozent, eine solche Differenz gilt als klinisch signifikant. In der Vergleichsgruppe ohne Placebo gingen diese Werte nur um 9 beziehungsweise 16 Prozent zurück.
Die durch den Rückenschmerz verursachte Behinderung wurde durch die zusätzliche Placebobehandlung ebenfalls signifikant gebessert. Der Wer im Roland-Morris Disability Questionnaire (RMDQ, 0–24 Punkte) ging um 2,9 Punkte, entsprechend 29 Prozent, zurück, während er in der Gruppe ohne Placebo unverändert blieb.
Lediglich bei der Angabe, wie stark sich die Patienten durch die Schmerzen gestört fühlten, fand sich kein Unterschied zwischen den Gruppen.
Noceboeffekte vermieden
Um Noceboeffekte bei denjenigen Patienten auszuschließen, die nicht der Placebogruppe zugeteilt wurden, war ihnen schon zu Beginn angeboten worden, nach Abschluss der Vergleichsphase ebenfalls eine Placebotherapie zu erhalten. 31 Patienten nahmen dieses Angebot an. Nach dreiwöchiger Behandlung hatten sich auch bei ihnen alle Schmerzparameter (zusammengesetzter Endpunkt –1,5) sowie die körperliche Einschränkung (RMDQ –3,4) signifikant gegenüber dem Ausgangszustand gebessert.
"Nach unseren Daten kann eine offene Placebotherapie eine sichere und wirksame Ergänzung der Behandlung von chronischen Rückenschmerzen darstellen", betonen die Studienautoren. Sie geben aber zu, dass die geringe Teilnehmerzahl und die kurze Dauer die Aussagekraft der Studie einschränken. Auch seien möglicherweise vor allem solche Patienten zur Teilnahme bereit gewesen, die besonders aufgeschlossen für Alternativmedizin waren. Die Mehrheit der Placebopatienten hatte allerdings angegeben, bezüglich des Nutzens der wirkstofffreien Therapie "(etwas) skeptisch" zu sein.