Alkohol und Krebs

Schon ein Glas Wein erhöht das Brustkrebsrisiko

Die Folgen von mäßigem Alkoholkonsum werden einer Studie zufolge offenbar unterschätzt: Schon ein Drink am Tag steigert das Brustkrebsrisiko erheblich.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Schon ein Glas Wein pro Tag lässt das Brustkrebsrisiko steigen.

Schon ein Glas Wein pro Tag lässt das Brustkrebsrisiko steigen.

© volff/fotolia.com

BOSTON. Weltweit, so wird geschätzt, trägt der Konsum von Alkohol ursächlich zu 3,6 Prozent aller Krebserkrankungen bei (1,7 Prozent bei Frauen und 5,2 Prozent bei Männern). Diese Schätzungen basieren jedoch hauptsächlich auf Daten von relativ starken Trinkern.

Forscher um Yin Cao von der Harvard School of Public Health in Boston haben den Fokus daher auf den Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und nur geringem oder mäßigem Alkoholkonsum gelegt. Letzteres entspricht maximal 15 g pro Tag bei Frauen und maximal 30 g täglich bei Männern. Eine 330-ml-Flasche Bier enthält 12,7 g Alkohol, ein Glas Wein 8,8 g.

Daten von 88.084 Frauen

Das Team um Cao stützt sich auf Datenmaterial aus der Nurses' Health Study (NHS) und der Health Professionals Follow-up Study (HPFS), zwei großen prospektiven Studien, die seit 1980 beziehungsweise 1986 in den USA laufen. Insgesamt wurden 88.084 Frauen und 47.881 Männer über 30 Jahre nachbeobachtet.

In dieser Zeit wurden 19.269 beziehungsweise 7571 Tumorerkrankungen diagnostiziert. Der durchschnittliche Alkoholkonsum lag bei Studienbeginn für die Frauen bei 1,8 g und für die Männer bei 5,6 g pro Tag (BMJ 2015; 351: h4238).

Wer von den Frauen kaum (0,1- 4,9 g/Tag) oder in Maßen (5-14,9 g/Tag) trank, hatte im Vergleich zu denjenigen, die komplett auf Alkohol verzichteten, nur ein marginal erhöhtes Risiko (Relatives Risiko, RR = 1,02 beziehungsweise 1,04), an Krebs zu erkranken.

Bei den Männern lagen die Relativen Risiken bei 1,03, 1,05 und 1,06 für tägliche Alkoholmengen von 0,1-4,9 g, 5-14,9 g oder 15-29,9 g. Für Studienteilnehmer, die in den letzten zehn Jahren vor Studienbeginn ihren Alkoholkonsum drastisch reduziert hatten, waren die Ergebnisse ähnlich.

Wer Alkohol trinkt, war, zumindest in der Vergangenheit, oft auch Raucher; dabei stellt das Rauchen einen viel stärkeren Risikofaktor für die Entwicklung einer Krebserkrankung dar als das Trinken. In früheren Studien, die sich speziell mit alkoholassoziierten Karzinomen beschäftigten (vor allem Tumore der Leber und im Verdauungstrakt, aber auch Brustkrebs bei Frauen) war dieser Zusammenhang oft nicht genügend beachtet worden.

Da der Anteil der Raucher in der Gesellschaft heute immer weiter abnimmt, legte das Team um Cao besonderen Wert auf die Unterscheidung zwischen rauchenden und nicht rauchenden Teilnehmern.

Auch Raucherinnen einbezogen

Hier ergab sich ein unerwarteter Zusammenhang im weiblichen Kollektiv: Nicht nur (Ex-)Raucherinnen, sondern auch Frauen, die nie im Leben geraucht hatten, mussten bereits bei mäßigem Alkoholkonsum mit einem signifikant erhöhten Risiko rechnen, an einem alkoholabhängigen Tumor zu erkranken (RR = 1,13). Die Hauptrolle spielte dabei der Brustkrebs (ohne diesen lagen Alkoholkonsumentinnen und -Verächterinnen gleich auf).

Im Gegensatz dazu erhöhte sich das Risiko für irgendeinen alkoholbezogenen Tumor unter den (mäßig trinkenden) Männern nur bei denjenigen, die irgendwann einmal geraucht hatten. Eingefleischte Nichtraucher, die höchstens mal zwei Bier am Tag tranken, mussten in dieser Hinsicht wenig befürchten. Erst ab 15 g Alkohol pro Tag stieg die Rate der dem Alkohol zugeschriebenen Krebserkrankungen signifikant, vor allem bei den Rauchern.

Assoziation nimmt mit Alter zu

Diese Assoziation wurde bei beiden Geschlechtern mit zunehmendem Alter deutlicher. Auch Trinkmengen von durchschnittlich über 30 g pro Tag ließen das Krebsrisiko generell deutlich steigen, betonen Cao und Kollegen. Letzteres deute darauf hin, dass es sich beim Alkohol um einen unabhängigen Einflussfaktor handeln müsse.

Als ursächliches Agens ist vor allem der Ethanolmetabolit Acetaldehyd im Gespräch, der als ein besonders starkes Zellgift wirkt. Ethanol kann den Autoren zufolge aber auch über andere Mechanismen wirken, zum Beispiel über die Hemmung der DNA-Methylierung. Vor allem Brustgewebe, so die Forscher, reagiere auf die schädlichen Wirkungen des Alkohols besonders sensibel.

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Kommentare
Doris Schmitt 04.09.201512:04 Uhr

Kommentar Dr. Thomas G. Schätzler zur Studie Cao et al. Alkohol und Brustkrebs

Vielen Dank für diesen wichtigen Kommentar zu diesen unsinnigen, verunsichernden und Panik erzeugenden Studiendaten. Studien dieser Art fördern das negative Image von Studien im allgemeinen und geben Kritikern weiteren Zündstoff.
Doris C. Schmitt
Konstanz

Dr. Thomas Georg Schätzler 03.09.201510:48 Uhr

Wissenschaftliche Irreführung - "scientific misconduct"?

Cao Y et al. suggerieren schon in ihrem Titel "Light to moderate intake of alcohol, drinking patterns, and risk of cancer: results from two prospective US cohort studies. BMJ 2015; 351: h4238", sie hätten Ergebnisse aus zwei p r o s p e k t i v e n Studien vorgelegt. Aus der Nurses'' Health Study (NHS) und der Health Professionals Follow-up Study (HPFS) geht aber hervor, dass es sich um reine "Follow-up"-Studien handelt.

Doch damit nicht genug! Im chaotischen Strudel vorgefasster Meinungen (''Alkohol macht immer Krebs''), Ergebnisse (''Frauen haben wesentlich höhere Karzinom-Inzidenzen, leben dafür seltsamerweise wesentlich länger'') und abwegigen Schlussfolgerungen (''Äpfel-mit-Birnen-Vergleich'') bemerkten sie gar nicht, dass etwas nicht stimmen konnte: Wenn bei 88.084 Frauen 19.269 Krebsfälle und bei 47.881 Männern nur 7.571 Krebsfälle aufgetreten waren, beträgt die Krebshäufigkeit (Inzidenz) bei den Frauen im Beobachtungszeitraum 21,88 Prozent und bei den Männern dagegen nur 15,81 Prozent.

Ein Unterschied des relativen Krebserkrankungs-Risikos (relative risk=RR) von Männern zu Frauen von 38,4 Prozent macht jegliche krankheitsepidemiologische Aussage unmöglich.

Hinzu kommt, dass der erhebliche und über dreifach höhere durchschnittliche Alkoholkonsum bei Männern [„Median consumption of alcohol was 1.8 g/day in women and 5.6 g/day in men at baseline“] von 5,6 Gramm/Tag gegenüber nur 1,8 Gramm/Tag bei Frauen zum Ausgangspunkt der Beobachtungen vor bis zu 30 Jahren einen massiven protektiven Effekt auf Krebserkrankungen bei Männern gehabt haben müsste. Deren Krebsinzidenz lag um 27,74 Prozent niedriger! An die absurde Schlussfolgerung, dass 3-fach höherer Alkoholkonsum bei Männern hochsignifikant vor Krebserkrankungen s c h ü t z e n könnte, wollten sich die Studienautoren allerdings gar nicht erst heranwagen.

Sie haben angesichts ihres widersprüchlichen Alkohol-Krebs-Männer-Frauen-Zahlensalats einfach ihre Augen geschlossen gehalten und blindlings Unfug publiziert.

Unter ‚rapid responses‘ habe ich dazu einen Kommentar im British Medical Journal publiziert:

Concerns about Light to moderate intake of alcohol, drinking patterns, and risk of cancer: results from two prospective US cohort studies:

The publication of Cao Y et al. is not at all a prospective study. Even the authors themselves consider their investigations as a follow-up study: „Results - During up to 30 years of follow-up of 88 084 women and 47 881 men, 19 269 and 7 571 incident cancers were diagnosed, respectively“.

Their methodology is weak. They seem not to have noticed that in their female population 21.88 percent incident cancers were diagnosed whereas only 15.81 percent incident cancers occurred in their male population. This is an increasing relative risk (RR) of 38.4 percent between men and women.

On the contrary, more than three times higher alcohol consumption [„Median consumption of alcohol was 1.8 g/day in women and 5.6 g/day in men at baseline“] lead to 27.74 percent lower incident cancer in men.

Participants of the Nurses'' Health Study (NHS) and the Health Professionals Follow-up Study (HPFS) had been interrogated about their alcohol consumption up to 30 years ago. Their cancer incidence had been continuously studied but their further habits of drinking alcohol was not accurately controlled. This should not lead to the absurd conclusion that three times higher intake of alcohol is followed by a significantly lower incidence of cancer in men.

But it demonstrates quite clearly the gap between fact and fiction in this BMJ-publication.

25 August 2015
Thomas Georg Schaetzler
Family Medicine Unit Public GP-medical office/Fachpraxis Allgemeinmedizin
Medical Center 24 Kleppingstreet, D 44135 Dortmund GERMANY

Birnen mit Äpfeln kann man nicht vergleichen. Schon gar nicht in Studien mit völlig inkonsistentem und inkongruentem Datenmaterial. Wenn die Krebsinzidenz

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