Analyse per Video
Warum alte Menschen stürzen
Mit dem Alter steigt die Sturzgefahr: Fast jeder zweite Bewohner eines Altersheims fällt einmal im Jahr hin. Nur selten sind äußere Umstände schuld - oft liegt es einfach an der Gewichtsverlagerung.
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Jeder vierte alleinlebende 65-Jährige fällt einmal im Jahr hin.
© Priest / SPL / Agentur Focus
BURNABY. Stürze von Senioren lassen sich nur vermeiden, wenn man deren Ursachen und die Umstände kennt. In den wenigsten Fällen aber ist jemand dabei, und die Betroffenen selbst geben nur die subjektive Wahrnehmung wieder.
Kanadische Wissenschaftler installierten daher in Altersheimen Videokameras für eine objektive Sturzanalyse (Lancet 2013; 381: 47).
Stephen N. Robinovitch von der Simon-Fraser Universität im kanadischen Burnaby und seine Kollegen installierten Videokameras in zwei Altersheimen und analysierten während ihrer dreijährigen Beobachtungsstudie 227 Sturzsequenzen.
Gefilmt wurde ausschließlich in den öffentlichen Bereichen wie Flure, Aufenthaltsräume und Speisesäle. Sobald sich ein Sturz ereignete, wurde die Filmsequenz sichergestellt.
Meist falsche Gewichtsverlagerung
Die meisten Senioren (41 Prozent) stürzten aufgrund einer inadäquaten Gewichtsverlagerung beim Vorwärtsgehen, Stehen oder Hinsetzen. Stolpern war mit 21 Prozent der Fälle die zweithäufigste Ursache.
Wenn Senioren stolperten (n = 48), dann weil sie entweder mit dem Fuß am Boden hängengeblieben waren oder den Fuß nicht richtig angehoben hatten (38 Prozent), oder weil sie sich mit dem Fuß in Gerätschaften (23 Prozent) wie Rollstuhl, Rollator oder Speise- und Wäschewägen oder in Möbeln (21 Prozent) verfangen hatten.
Unfälle, die durch ein An- oder Zusammenstoßen bedingt waren, bei denen die Senioren den Halt an einem Gegenstand verloren hatten oder kollabierten, rangierten mit jeweils 11 Prozent an Platz drei der häufigsten Ursachen. Dagegen war das Ausrutschen mit nur 3 Prozent selten Grund eines Sturzes.
Die meisten Senioren stürzten nach dem Ergebnis der US-Analyse beim Vorwärtsgehen (24 Prozent). Sturzträchtige Situationen waren auch das Stillstehen und Hinsetzen sowie der erste Schritt beim Gehen.
Ein Schritt in die richtige Richtung
Mit der etwas unkonventionellen Methode - in Deutschland wäre eine Videoüberwachung aufgrund des Datenschutzgesetzes nicht möglich - ist es nach Meinung der Studienautoren gelungen, wichtige Sturzursachen zu definieren.
Auch Clemens Becker vom Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart und Lorenzo Chiari von der Universität in Bologna, Italien, loben die Studie in ihrem Kommentar.
Sie verweisen aber auch auf Grenzen: Aussagen über die Sturzursachen in privaten Räumen wie zum Beispiel Schlafzimmer oder Toilette, wo sich über 50 Prozent aller Stürze ereignen, ließen diese Ergebnisse nicht zu. Hierbei setzen die Kommentatoren auf Sturzsensoren.