Nachsorge
Wer nach neuer Leber biopsiert, kann die Nieren schützen
Die „Steuerung der Immunsuppression nach Lebertransplantation ist ohne Biopsien ein Blindflug,“ sagt ein Transplantationsmediziner. Jetzt liegen Daten vor, in welchem Ausmaß Biopsien Patienten nutzen können.
Veröffentlicht:Hannover. Patienten mit einer transplantierten Leber können von Kontrollbiopsien profitieren: Bei manchen lassen sich die Dosierung der Immunsuppressiva reduzieren und Nebenwirkungen wie Beeinträchtigungen der Nieren verringern. Das hat die Assistenzärztin und Doktorandin Emily A. Saunders von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) mit ihrem Team unter Koordination von Privatdozent Dr. Richard Taubert und Dr. Elmar Jäckel herausgefunden (AJT 2021; online 28. August).
Zur Erinnerung: Bei Transplantationen ist die Immunsuppression ein zweischneidiges Schwert. Einerseits soll die Immunsuppression die Abstoßungsreaktion des Transplantats verhindern. Andererseits bringen die Immunsuppressiva Schwierigkeiten mit sich: Sie könnten die Nierenfunktion so stark negativ beeinflussen, dass die Patienten zur Dialyse müssten. Auch das Risiko für Krebserkrankungen und schwerwiegende Infektionen steige unter Einnahme der Medikamente, erinnert die MHH in einer Mitteilung zur Studie.
Für die Studie wurden 211 Patienten ausgewählt, die vor über einem Jahr eine Leber transplantiert bekommen und die normale Laborwerte hatten. Bei ihnen führte das Team um Saunders die Kontrollbiopsien der Lebern durch.
„Blindflug“ ohne Biopsie
80%
der Patienten mit Lebertransplantation, bei denen die Immunsuppression reduziert worden war, konnten diese Reduktion beibehalten.
Bei 32 Prozent der Befunde entdeckte das Forscherteam höchstens minimale histologische Entzündungszeichen, bei 57 Prozent eine histologische Inflammation und bei 23 Prozent eine fortgeschrittene Fibrose. „Die Schädigungen hätten wir anhand der Laborwerte und dem klinischen Zustand der Patienten nicht erkennen können, sodass eine Steuerung der Immunsuppression nach Lebertransplantation ohne Biopsien ein Blindflug ist,“ wird Jäckel in der Mitteilung zur Studie zitiert. Bei 79 Prozent der 211 Studienteilnehmer führten die Biopsien zu Änderungen in der Immunsuppression.
Die Biopsien selbst verliefen ohne Blutungen oder Abfälle im Hämoglobin-Niveau und es kam auch nicht zu Infektionen während der Biopsien. „Die Beobachtungen belegen, dass die Protokollbiopsien sicher sind und keine relevanten Komplikationen für die Patienten nach sich ziehen,“ wird Taubert zitiert.
Störfaktor: Corona-Pandemie
Im ursprünglichen Studiendesign war eine weitere Kontrollbiopsie vorgesehen. Diese konnten aufgrund der Corona-Pandemie aber nicht vorgenommen werden, wie Taubert der „Ärzte Zeitung“ sagte. Jedoch konnten von 112 Studienteilnehmern, die 8 bis 22 Monate nach der ersten Kontrollbiopsie die Ambulanz der MHH aufsuchten, erneut Laborwerte erhoben werden. Bei 69 von diesen 112 Studienteilnehmern war nach der ersten Kontrollbiopsie die Immunsuppression reduziert worden. Bei den meisten von ihnen (55; 80 Prozent) entschied das Team aufgrund der Laborwerte, die Reduktion der Immunsuppression beizubehalten.
„Der Vergleich zu einer früheren Patientenkohorte vor Einführung des neuen Nachsorgeprogramms zeigte, dass die geringere Immunsuppression das Abstoßungsrisiko nicht erhöht, dafür aber einen positiven Effekt auf die Nierenfunktion der Patienten hat,“ erklärt Saunders in der Mitteilung. Im Vergleich lag der Wert der Nierenfunktion (eGFR) der Studienteilnehmer um sieben Prozentpunkte höher als der der 35-köpfigen Kontrollkohorte.