Neurodegeneration

Wird Alzheimer mit Amyloiden weitergegeben?

Alzheimer-typische Amyloid-ß-Eiweiße können offenbar übertragen werden. Es gibt aber keine Hinweise, dass dies klinisch relevant ist.

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LONDON. Bei medizinischen Eingriffen am Gehirn könnten Alzheimer-typische Amyloid-ß-Eiweiße auf gesunde Menschen übertragen werden.

Hinweise darauf fanden Forscher bei Verstorbenen, die gegen Kleinwuchs offenbar verunreinigte Wachstumshormone erhalten hatten (Nature 2015, 525: 247).

Die Forscher um Zane Jaunmuktane vom National Hospital for Neurology and Neurosurgery in London untersuchten Patienten, die an Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) gestorben waren.

Sie hatten als Kind Wachstumshormone aus Hypophysen von Verstorbenen erhalten.

Mittlerweile werden diese Hormone anders gewonnen: Seit 1985 stellt man sie nach Angaben des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Krankheiten (DZNE) biotechnisch her. Eine Gefährdung über diese Präparate könne deshalb ausgeschlossen werden.

Ablagerungen von Amyloid-ß-Eiweißen

Untersucht wurden acht der im Alter von 36 bis 51 Jahren an CJD gestorbenen Patienten. Außer den CJD-Merkmalen fanden sich auch Ablagerungen von Amyloid-ß-Eiweißen in Blutgefäßen und in der Substantia nigra.

Die Plaques sind typische Alzheimer-Kennzeichen und bei jüngeren Menschen ungewöhnlich. Bei anderen Patienten, die an anderen Prionen-Erkrankungen gestorben waren und die zuvor keine menschlichen Wachstumshormone erhalten hatten, gab es die Auffälligkeiten nicht.

Die Forscher vermuten, dass einige Hypophysen-Spender an Alzheimer erkrankt waren. Dadurch konnten Amyloid-ß-Eiweiße auf den Empfänger der Hormone übertragen werden.

Im Gehirn sorgten sie über einen Domino-Effekt für die Fehlfaltung körpereigener Amyloid-ß-Eiweiße, die typisch für Alzheimer sind. Die Amyloid-ß-Eiweiße würden sich damit ähnlich wie Prionen verhalten.

Keine Hinweise auf Ansteckung

Die Ablagerung sogenannter Tau-Proteine - ein weiteres Alzheimer-Anzeichen - war jedoch nicht zu beobachten. Womöglich hätten die Patienten diese aber entwickelt, wenn sie nicht zuvor an CJD gestorben wären, schreiben die Wissenschaftler.

Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Alzheimer-Erkrankung an sich ansteckend ist, betonen die britischen Forscher. Dennoch sollte geprüft werden, ob bei medizinischen Eingriffen, etwa über chirurgische Instrumente oder Blutprodukte, Amyloid-ß-Eiweiße übertragen werden können.

Es sei bekannt, dass diese Eiweiße an Metalloberflächen hafteten und übliche Sterilisationsmethoden überstehen.

Auch der wissenschaftliche Vorstand des DZNE, Pierluigi Nicotera, erinnerte daran, dass epidemiologische Studien keinerlei Hinweise auf Alzheimer als infektiöse Erkrankung liefern. "Auch Tierversuche deuten nicht auf eine Infektion hin."

Die Experten des DZNE fürchten, dass Alzheimer-Patienten stigmatisiert werden könnten.

Um die Ergebnisse der britischen Forscher zu untermauern, sollten eventuell noch vorhandene Reste der Wachstumshormone darauf getestet werden, ob sie Amyloid-ß-Eiweiße enthalten, schreiben Mathias Jucker von der Universität Tübingen und Lary Walker von der Emory University in Atlanta (US-Bundesstaat Georgia) in einem Kommentar zu der Studie.

Lebende Empfänger unter Beobachtung

Außerdem sei es nötig, die noch lebenden Empfänger weiter zu beobachten und zu prüfen, ob sie ein erhöhtes Risiko für Alzheimer tragen.

Bisherige Untersuchungen lieferten keine Hinweise darauf. Die Studie der britischen Forscher sei schlüssig und bestätige weitgehend die bisher in Tierversuchen gewonnenen Erkenntnisse zur Übertragbarkeit von Amyloid-ß-Eiweißen, urteilt Armin Giese vom Zentrum für Neuropatholgie und Prionforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

"Es ist aus meiner Sicht eher unwahrscheinlich, dass die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit die Alzheimer-Pathologie verursacht hat. Denn bei CJD-Patienten, die keine dieser Wachstumshormone bekommen haben, sieht man keine Häufung von Alzheimer-typischen Veränderungen.

"Die Studie liefere einen weiteren Beleg dafür, dass die Verklumpungsprozesse unter sehr speziellen Bedingungen übertragbar sind. "Man muss sich nun darüber Gedanken machen, welche Risiken damit zusammenhängen und wie sich diese verhindern ließen."

Giese betont, dass ein immer besseres Verständnis von Prion- und Prion-ähnlichen Erkrankungen große Chancen bietet, neue Möglichkeiten der Behandlung und Früherkennung zu entwickeln. (dpa)

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