"Zu 80 Prozent sind Infekte die Ursache der Erschöpfung"

Um das schiefe Bild der chronischen Eschöpfung als Hypochondrie gerade zu rücken, wird seit 1993 der 12. Mai zum Internationalen CFS-Tag (Chronic Fatigue Syndrome) ausgerufen. Professor Wolfgang Huber aus Heidelberg setzt bei CFS auf organmedizinische Diagnostik und orthomolekulare Therapie.

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Alltagstätigkeiten fallen CFS-Patienten so schwer wie anderen Menschen etwa eine Bergbesteigung. 80 Prozent sind Frauen.

Alltagstätigkeiten fallen CFS-Patienten so schwer wie anderen Menschen etwa eine Bergbesteigung. 80 Prozent sind Frauen.

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Ärzte Zeitung: CFS-Patienten macht das allgemeine Unverständnis oft mehr zu schaffen als die Krankheit selbst. Das ist ja alles bloß psychisch, heißt es abfällig ...

Huber: Gegen eine Psychiatrisierung des Krankheitsbilds wehre ich mich mit Händen und Füßen. Eine psychische Belastung ist es, aber man fragt sich doch sehr, was Henne und was Ei ist. Ich halte es für sachlich nicht gerechtfertigt, CFS-Patienten als Drückeberger hinzustellen, denn bei vielen messe ich hohe Virustiter oder Entzündungsparameter. Ihnen Simulantentum zu unterstellen ist Unwissenheit oder Verleugnung.

Ärzte Zeitung: Werden sie nicht deshalb oft verkannt, weil sich keine Ursache finden lässt? Die Diagnostik gleicht doch sicher der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen?

Huber: Es ist tatsächlich nicht immer einfach. Ich gehe naturwissenschaftlich und objektiv vor, zuerst nach einem standardisierten Fragebogen, den ich zum Teil selbst erarbeitet habe. Abfragepunkte sind etwa der Tagesablauf oder Schlafstörungen, Infektionen oder Exposition von Chemikalien. Dann veranlasse ich Tests auf Borrelien, Epstein-Barr-, Influenza- oder Herpes-Viren, auf TNFa, C-reaktives Protein, Serotonin und Vitamin D, bestimme Blutsenkung und großes Blutbild.

Ärzte Zeitung: Wie häufig ergibt sich ein Befund?

Huber: Bei 70 bis 80 Prozent der Patienten lässt sich eine persistierende Infektion nachweisen, offenbar haben sie ein geschwächtes Immunsystem, etwa durch Stress, das die Erreger nicht überwindet. Ist keine Ursache zu finden, kommt die zweite Stufe der Tests, etwa auf Interferon ? oder Neuronen-spezifische Enolase.

Ärzte Zeitung: Als Auslöser des CFS werden auch akute und chronische Vergiftungen diskutiert.

Der Internist Professor Wolfgang Huber hat 33 Jahre als Nephrologe/Dialyse-Arzt gearbeitet und sich dann unter anderem auf Umweltschadstoffe spezialisiert.

Huber: Nach der Fachliteratur ist das bei 0,5 bis 2,7 Prozent der CFS-Patienten der Fall. In Frage kommen Pestizide, Löse-, Holzschutz- oder Flammschutzmittel. Bei Verdacht lasse ich Schadstoffe im Blut bestimmen. Eine weitere Möglichkeit ist der Lymphozytentransformationstest zum Nachweis von Allergien gegen Chemikalien wie Benzol, Permethrin oder Schwermetalle. Auch Nahrungsmittelallergien oder -unverträglichkeiten sollte man abklären.

Ärzte Zeitung: Wie behandeln Sie bei einer Infektion oder einem Schadstoffnachweis?

Huber: Ich setze auf Antioxidantien. Zuvor lasse ich den oxidativen Stress messen: durch Bluttests auf Glutathion, Vitamin C, D oder Selen. Bei positivem Befund fange ich mit einer oralen Therapie an, etwa täglich 600 mg Acetylcystein, 3 mal 300 mg Liponsäure, je 100 mg Vitamin B1 und B6, 1mg Vitamin B12. Das probiere ich zwei Monate lang, um dem Körper zu helfen, mit den Auslösern fertig zu werden. Die Batterie hat sich entleert, jetzt muss man sie wieder aufladen, so erkläre ich es meinen Patienten.

Ärzte Zeitung: Wie sind die Erfolge?

Huber: Bei etwa 60 Prozent der Patienten bessern sich die Symptome gut, bei 20 Prozent mäßig, bei 20 Prozent gar nicht. Bei CFS gibt es keine Pauschalregel und keine kurzfristigen Erfolge, denn wie eine Therapie anschlägt, hängt auch stark von den Genen ab, etwa Defekten bei Entgiftungsenzymen. Den Verlauf kann man durch Messung des oxidativen Status kontrollieren. Bessern sich die Beschwerden nicht, wechsele ich zum Beispiel zu Coemzym Q 10 oder erhöhe Vitamin D. Hilft auch das nicht, schlage ich iv-Infusionen vor. Virustatika oder Immunglobuline sind immer die Ultima ratio.

Ärzte Zeitung: Und wie ist es mit der psychischen Komponente, die zumindest bei einem Teil der CFS-Patienten diskutiert wird?

Huber: Da ich streng organmedizinisch und stark orthomolekular arbeite, brauche ich Laborparameter. Wenn ich nichts finde und entsprechende Hinweise vorliegen, schicke ich Patienten schon mal zum Verhaltenstherapeuten.

Das Gespräch führte Angela Speth.

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Chronische Erschöpfung, CFS

Das Chronic Fatigue Syndrome (CFS) ist eine lähmende geistige und körperliche Erschöpfung, die mit Kopf-, Hals-, Gelenk- und Muskelschmerzen, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen einhergeht. Es beginnt plötzlich mit grippeähnlichen Symptomen und hält länger als sechs Monate an. 80 Prozent der Patienten sind Frauen.

CFS ist eine Ausschlussdiagnose, wenn zuvor etwa auf Aids, Angststörungen, Borreliose, Depression, Diabetes, Fibromyalgie, Krebs, MS, Schlafapnoe oder Schilddrüsenerkrankungen untersucht wurde. Als Ursache von CFS wird eine chronische Aktivierung des Immunsystems vermutet. Mögliche Gegenmaßnahmen sind: Mikronährstoffe, Mittel gegen chronische Infektionen, Vermeiden von Intoxikationen, Immunmodulation, Ernährungsumstellung, Akupunktur, Physio-, Schmerz- und Psychotherapie.

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