Niedersachsen
500.000 Euro Einsatz, um einen Hausarzt aufs Land zu locken
Was bringen die vielen Millionen, die KV, Kassen und Land für unterversorgte Regionen bereitstellen? Eine Evaluierung gibt Auskunft.
Veröffentlicht:Hannover. Umsatzgarantien, Förderung der Studierenden oder 70.000 Euro auf die Hand – rund elf Millionen Euro hat die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) in den vergangenen fünf Jahren aus dem Strukturfonds auf den Tisch gelegt, um mehr Hausärzte in die Provinz zu locken. Dazu mindestens 23,5 Millionen Euro aus dem Sicherstellungsfonds für die Weiterbildung.
Die Krankenkassen des Landes steckten in den drei Jahren 2016 bis 2018 ebenfalls fast 23,5 Millionen Euro allein in die hausärztliche Weiterbildung in Niedersachsen, wie der GKV Spitzenverband auf Anfrage mitteilt. Die Zahlen für 2019 liegen dort noch nicht vor. Dagegen fallen die rund zwei Millionen Euro, die das Land seit 2015 in die hausärztlichen Stipendien gepackt hat, noch gering aus.
Ende 2019 wurde die Wirkung der insgesamt rund 60 Millionen Euro evaluiert. Das Ergebnis: Die Summe der Förderungen hat zu genau 117 geförderten Hausarztsitzen geführt.
117 geförderte Hausarztsitze
114 Sitze davon wurden neu gegründet oder übernommen, zwei wurden aufgrund der KV-Umsatzgarantien besetzt und einer in einer Eigeneinrichtung der KVN. Umgerechnet beträgt damit das gesellschaftliche Engagement für einen neuen zusätzlichen geförderten Hausarztsitz in Niedersachsen mindestens 513.000 Euro. Die auch finanziellen Anstrengungen einzelner Kommunen, um einen Arzt ins Dorf zu bekommen, sind da noch gar nicht eingerechnet.
Das Geld aus den laufenden Förderprogrammen floss in Stipendien, Unterstützungen im PJ und Niederlassungsförderungen von je 30.000, 60.000 oder 70.000 Euro, in Umsatzgarantien, Weiterbildungsförderung und die Unterstützung hausärztlicher Famulaturen.
Trotz der enormen Summen wird der Bedarf wohl weit verfehlt. Die Studie rechnet vor, wie sich die Versorgung mit Hausärzten in Niedersachsen entwickeln könnte. Dabei beträgt der Mehrbedarf bei derzeit rund 5150 Hausärztinnen und Hausärzten im Land heute schon 350.
Ein Blick nach vorne eröffnet indessen ein besorgniserregendes Bild: Würde es bei dem Zuwachstempo an Hausärzten und einem jährlichen Fördervolumen wie in den vergangenen fünf Jahren bleiben, käme es laut Evaluation in zehn Jahren zu einer dramatischen Situation in Niedersachsen.
25 Prozent in der Unterversorgung
Es „ergäbe sich ein Mehr von rund 740 häuslichen Sitzen im Jahr 2030, die den prognostischen Mehrbedarf von rund 2400 Sitzen bei weitem nicht decken kann“, so die Evaluation. Von den 104 Planungsbereichen werden dann nur vier zu 100 Prozent versorgt sein.
Etwa ein Viertel der Bereiche werden bei einem Versorgungsgrad von unter 75 Prozent liegen (das bedeutet tatsächliche Unterversorgung) und der Rest zwischen 75 und 100 Prozent. „Es verbliebe aufgrund der jetzigen Prognose noch ein erhebliches Delta von im Jahr 2030 nicht besetzten hausärztlichen Sitzen“, konstatiert die Evaluation.
Was tun? Sozialministerin Dr. Carola Reimann (SPD) setzt auf die Landarztquote und 200 zusätzliche Studienplätze, die in Niedersachsen entstehen sollen. Das Wissenschaftsministerium ist noch nicht überzeugt, aber offenbar kommt angesichts der Zahlen Bewegung in die Diskussion.
Hoffnung liegt auf Landarztquote
Die Quote ermöglicht es den Ländern, bis zu zehn Prozent der Medizinstudienplätze an Studenten zu vergeben, die sich verpflichten, nach Abschluss und der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin in ländlichen unterversorgten Bereichen zu arbeiten. Zuspruch auch von der KVN: „Die Landarztquote ist ein Baustein dafür, den zukünftigen Ärztemangel in Niedersachsen abzubauen“, sagt deren Vorstandschef Mark Barjenbruch.
Allerdings mahnt er auch, „unsere Maßnahmen allein werden nicht reichen – auch mit den attraktivsten Förderungen wird man Ärzte nur in eine Gemeinde locken, wenn diese für die nachrückende Arztgeneration attraktiv ist.“ Die KVN befürwortet deshalb, einen „Aktions- und Kooperationsplan für jeden Einzelfall aufzustellen, bevor ein Landarzt seine Praxis schließt und in Pension geht“. „Die Zukunft einer gesicherten Patientenversorgung liegt dann in einer Kooperation mit der KVN, den umliegenden Gemeinden und dem Landkreis.“