KV-Abgeordnetenversammlung
Ärzte in Schleswig-Holstein erwägen drastische Leistungseinschränkungen
Die KV Schleswig-Holstein hat über eine HVM-Änderung diskutiert, die kaum mehr als die Grund- und Versichertenpauschalen abdecken würde. Damit soll auch ein Signal an die Öffentlichkeit gesendet werden.
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„Respektlosigkeit und Diskreditierung uns allen gegenüber“, konstatierte Schleswig-Holsteins KV-Chefin Dr. Monika Schlifke. Vorstandsmitglied Dr. Ralph Ennenbach hat bei der Vertreterversammlung die Möglichkeit einer HVM-Änderung ins Spiel gebracht.
© Dirk Schnack
Bad Segeberg. Wie können niedergelassene Ärzte darauf reagieren, dass ihre Forderungen und Anliegen von politischer Seite und von den Krankenkassen ignoriert werden? Zu dieser Frage diskutierte die Abgeordnetenversammlung der KV Schleswig-Holstein gestern Abend ausgiebig. Fazit: Viele, aber nicht alle Praxisinhaber sind zu einschneidenden Maßnahmen bereit, die auch die Patientinnen und Patienten spüren würden.
Zuvor hatten Vorstand und Abgeordnete in zum Teil deutlichen Worten zum Ausdruck gebracht, wie sie die aktuelle Politik von Bundesgesundheitsminister Professor. Karl Lauterbach (SPD) gegenüber den Vertragsärzten empfinden. "Respektlosigkeit und Diskreditierung Ihnen, Ihrem Personal und uns allen gegenüber", hatte KV-Chefin Dr. Monika Schliffke konstatiert. "Der kocht uns ab" oder "grobe Missachtung dessen, was wir leisten", hieß es unter anderem in der Diskussion.
Ärzte machen das Beste draus – aber nicht mehr
Das Grundproblem: Die erbrachten Leistungen können mit der zur Verfügung stehenden Geldmenge nicht angemessen vergütet werden. Das sorgte nicht nur für emotionale Äußerungen, sondern auch für eine nüchterne Abwägung einer geeigneten Reaktion. Streiks, innere Emigration, Systemwandel wurden zwar genannt, aber vorerst nicht weiter verfolgt. Vorstandsmitglied Dr. Ralph Ennenbach brachte die Möglichkeit einer HVM (Honorarverteilungsmaßstab)-Änderung ins Spiel, die ein Signal an die Patienten sendet: Ärzte machen aus dem, was sie vergütet bekommen, das Beste. Das aber wäre kaum mehr als die Leistung, die über die Grund- und Versichertenpauschalen abgedeckt ist. Alle weiteren Leistungen wären kontingentiert und mit so hohen Abschlägen versehen, dass sie kaum noch erbracht werden. Das könnte etwa dazu führen, dass viele Praxen die Vier-Tage-Woche einführen und nur noch die Mindestsprechstundenzeit von 25 Stunden pro Woche einhalten.
"Das wäre eine neue Betonung und Sie senden das Signal: Wir können nicht mehr", erklärte Ennenbach, dessen Vorschlag auf große Resonanz stieß. Dr. Thomas Maurer, Vorsitzender der Abgeordnetenversammlung, sagte: "Wir wollen den Patienten nichts verweigern, aber auch nicht länger mehr arbeiten, als wir bezahlt bekommen. Damit würden wir das Problem dahin zurückgeben, wo es hingehört: An die Politik."
"Dithmarschen steht hinter diesem Vorschlag"
Viele Abgeordnete und Gäste zeigten dafür große Sympathie. Burkhard Sawade, Netzvorsitzender des Medizinischen Qualitätsnetzes Westküste (MQW), versicherte: "Dithmarschen steht hinter diesem Vorschlag." Jüngste Protestaktionen in Heide hätten gezeigt, dass die Patienten Verständnis für die ärztlichen Anliegen hätten. Dr. Thomas Thormann aus Kiel sieht die Praxisinhaber als Betroffene in der Verantwortung: "In einer Krise sind die Betroffenen gefragt, deshalb müssen wir handeln."
Wie eine solche Aktion in der Öffentlichkeit ankäme, ist nach Überzeugung Ennenbachs von flankierenden Maßnahmen abhängig. Auch Sven Tetzlaff aus Büdelsdorf machte deutlich: "Wir brauchen eine konzertierte Aktion in der Öffentlichkeit." Sonst, so seine Befürchtung, würde es zu ausufernden Diskussionen mit Patienten in den Praxen kommen.
Wie erklärt man es den Patienten?
Es gab auch Einwände: Stefan Hansen aus Flensburg gab bei Leistungseinschränkungen wie etwa einer Vier-Tage-Woche zu bedenken: "Ich weiß, wie meine Praxis am Montagmorgen aussieht, wenn wir Freitags zumachen." Dagmar Schulz-Wüstenberg aus Neumünster warnte davor, mit Patienten über Geld zu sprechen. Sie hält es für zielführend, den Bundesgesundheitsminister mit Reaktionen von Patienten zu konfrontieren, die aus einer konzertierten Aktion der Ärzte hervorgerufen werden.
Dr. Fiona Rausch aus Bad Schwartau hielte eine solche Aktion für erfolgversprechender, wenn sie bundesweit stattfände. Ennenbach ist dagegen längst ernüchtert, wenn es um bundesweite Solidarität der KVen geht – er erwartet nicht, dass solche Aktionen KV-übergreifend möglich wären. Ob sich die KV im Norden zu einer solchen Aktion entschließt, wollen die Abgeordneten im November entscheiden.