Baden-Württemberg
Grün-Schwarz schweigt noch zum Thema Gesundheit
In Baden-Württemberg wollen Grüne und CDU bis 8. Mai ihren Koalitionsvertrag vorlegen. Ein Sondierungspapier trägt die grüne Handschrift – doch kein Wort über die Vorhaben in Gesundheit und Pflege.
Veröffentlicht:Stuttgart. Bei den Koalitionsverhandlungen von Grünen und CDU in Baden-Württemberg sind medizinische Versorgung und Pflege bislang eine inhaltliche Leerstelle.
Vorausgegangen waren den am Donnerstag gestarteten Gesprächen Sondierungen, deren Ergebnis die potenziellen Partner am Karsamstag in ein siebenseitiges Papier gefasst haben. Darin werden die Themen Klimaschutz, Digitalisierung und der Strukturwandel der Wirtschaft breit abgehandelt.
Klassische CDU-Themen der Daseinsvorsorge kommen in dem Sondierungspapier, das die Eckpunkte für die Verhandlungen absteckt, kaum vor. Die Themen Gesundheit und Pflege werden darin gar nicht adressiert. Es sei „inhaltlich bei Weitem nicht vollständig und abschließend“, heißt es dazu fast entschuldigend.
Die FDP-Fraktion im Landtag reagierte mit ätzender Kritik auf das Sondierungspapier. Die CDU habe sich den Grünen „vollständig unterworfen“, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke.
„Erst zur Hausärztin, dann zum Friseur“
Legt man die Parteiprogramme von Grünen und CDU im Hinblick auf Medizin und Pflege nebeneinander, so finden sich manche Gemeinsamkeiten, aber auch Trennendes:
- Ambulante Versorgung: Die Grünen werben offensiv für die Etablierung von Primärversorgungszentren. Dort sollen sich verschiedene Gesundheitsberufe um die Versorgung der Patienten kümmern. Dieses Konzept soll gerade auf dem Land durch „Multifunktionshäuser“ forciert werden: „Erst zur Hausärztin, dann zum Friseur“, heißt es im Grünen-Programm. Die nach wie vor dichte Struktur niedergelassener Praxen im Südwesten findet dort keine Erwähnung. Die CDU bleibt hier vage und bezeichnet die Förderung sektorenübergreifender Versorgungsstrukturen als „selbstverständlich“. Ausdrücklich bekennt sich die CDU zum „Ausbau“ der Landarztquote – ein Instrument, das die Grünen in der vergangenen Legislatur nur widerwillig mitgetragen haben. Im Südwesten ist der Anteil der Hausärzte über 60 Jahre mit 37 Prozent sehr hoch – mehr als 1400 niedergelassene Hausärzte sind sogar bereits über 65.
- Krankenhäuser: Bei der Transformation der bisher von vielen und häufig kleinen kommunalen Krankenhäusern getragenen stationären Versorgung gab es bereits in den vergangenen fünf Jahren relativ breiten Konsens. Die Grünen versprechen in ihrem Programm, die Investitionen für den Krankenhausbau „deutlich zu erhöhen“. Ausdrücklich heißt es, Kliniken in kommunaler Hand sollten erhalten werden.
Diesen Fokus legt die CDU nicht – dort wird allein das Leitbild von „Qualität und Erreichbarkeit“ betont. Bei der Krankenhausplanung solle der „tatsächliche Versorgungsbedarf“ der Bevölkerung besser abgebildet werden, so die CDU. Alle Planungen werden sich hart an den haushaltspolitischen Realitäten stoßen. Denn die Koalitionspartner in spe haben eine „One in, one out“-Regelung vereinbart: Werden neue, zusätzliche haushaltswirksame Leistungen vereinbart, muss dafür ein anderer Kostenposten wegfallen.
Denn die Finanzsituation im Land ist corona-bedingt desolat: Im kommenden Jahr werden im Haushalt 3,6 Milliarden Euro fehlen, 2023 sollen es dann 3,7 Milliarden Euro sein. Im Doppelhaushalt 2020/21 ist der Schuldenberg um 13,5 Milliarden Euro gewachsen.
Gemeinsames Ziel von CDU und Grünen ist es, die Struktur der Fallpauschalen auf Bundesebene „weiterzuentwickeln“. Dort solle eine Kommission eingerichtet werden, die eine Reform der Krankenhausfinanzierung vorbereitet, hat sich die CDU in ihr Programm geschrieben.
- Pflege: Schon vor der Wahl hatte die CDU in ihrem Programm eine Kehrtwende hingelegt: Im Jahr 2010 war die damalige schwarz-gelbe Landesregierung aus der Förderung der pflegerischen Infrastruktur ausgestiegen – jetzt will sie wieder einsteigen. Zudem hat die CDU im Wahlkampf mit einem neuen Landespflegegeld von bis zu 1000 Euro im Jahr geworben – ob dieses Vorhaben bei 400.000 Pflegebedürftigen im Land die Koalitionsverhandlungen überlebt, muss sich zeigen.
Die Grünen wollen Pflegearbeit und kommunale Quartiersentwicklung „zusammendenken“: Bereits das Landespflegestruktur-Gesetz hat Kommunen mehr Gestaltungsspielräume bei der Pflege gegeben. Nun sollen kommunale Pflegekonferenzen etabliert werden, wo Vertreter von Pflegenden, Pflegebedürftigen, Pflegekassen und Kommunen an einem Tisch sitzen.
Die Empfehlungen dieser Konferenzen müssen von Pflegekassen berücksichtigt werden, etwa wenn es um Rahmenverträge oder Vergütungsvereinbarungen geht. Im Südwesten drängt das Thema der hohen Eigenbeteiligungen besonders: Mehr als 2400 Euro monatlich müssen vollstationär Pflegebedürftige dort im Durchschnitt aus der eigenen Tasche zuzahlen.
Wahl ist für den 12. Mai geplant
In zwölf Arbeitsgruppen, die sich thematisch entlang der Struktur der bisherigen Ministerien bewegen, wollen Grün-Schwarz nun die Details ihres Regierungsprogramms ausarbeiten. Der Koalitionsvertrag soll den Planungen zu Folge am 8. Mai fertig sein. Am 12. Mai könnte dann Winfried Kretschmann zum dritten Mal im Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt werden.
Bei der Landtagswahl am 14. März kamen die Grünen auf 32,6 Prozent (58 Sitze), die CDU auf 24,1 Prozent (42 Sitze). Dem Landtag gehören insgesamt 154 Abgeordnete an, die Wahlperiode dauert bis 30. April 2026.