Suchtkrankheiten
Drogen-Bilanz für NRW: Weniger Alkohol-Tote – mehr Rauschgiftopfer
Die Bilanz des Missbrauchs unterschiedlichster legaler und illegaler Drogen fällt in NRW gemischt aus: weniger Alkohol-Tote, aber mehr Rauschgift-Tote. Deutlich mehr Menschen mussten nach Cannabis-Konsum ärztlich behandelt werden.
Veröffentlicht:Düsseldorf. Im Gegensatz zur steigenden Zahl der Rauschgift-Todesfälle in Nordrhein-Westfalen sind alkoholbedingte Sterbefälle und Klinikaufenthalte rückläufig. Seit 2011 ist die Quote derer, die infolge übermäßigen Alkoholkonsums starben, von damals 16,7 Prozent je 100.000 Einwohner auf 12,9 Prozent im Jahr 2021 zurückgegangen.
Das geht aus einer am Montag in Düsseldorf veröffentlichten Antwort von Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) auf eine SPD-Anfrage hervor. Gleichzeitig sank die Zahl der nach übermäßigem Alkohol stationär behandelten Patienten um rund 26 Prozent auf 65.162.
Dagegen ist die Zahl der Rauschgift-Toten in NRW seit 2018 kontinuierlich gestiegen auf zuletzt 703 im vergangenen Jahr (2021: 693), wie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zuvor auf eine AfD-Anfrage berichtet hatte. Dabei handelte es sich seinen Angaben zufolge überwiegend um Todesfälle bei Langzeitkonsumenten.
Weniger Todesfälle durch Alkohol, mehr ambulant behandelte Patienten
Den erfreulicheren Trend bei den verminderten Sterbezahlen durch Alkoholmissbrauch führt Gesundheitsminister Laumann unter anderem auf erfolgreiche Präventionsarbeit zurück und ein stärkeres gesellschaftliches Bewusstsein für die mit übermäßigem Alkoholkonsum verbundenen Gesundheitsgefahren.
Anders sah es allerdings bei den ambulanten Patienten aus: Hier stieg die Zahl derer, bei denen Alkohol mindestens eine Hauptursache für psychische oder für Verhaltensstörungen war seit 2020 von damals knapp 219.000 auf zuletzt fast 224.000 (2022).
Bei mehr als 210.000 ambulant behandelten Patienten tauchten solche Krankheitsbilder infolge anderer Wirkstoffe auf. Darunter sind den Diagnosen zufolge starke Schmerzmittel, Hypnotika, Kokain, Halluzinogene oder ein Mix aus sogenannten psychotropen Substanzen. Seit 2013 ist dieser Anteil insgesamt um ein Drittel gestiegen. Hinzu kommen jährlich rund eine Million entsprechende ambulant behandelte Störungen infolge von Tabak.
Mehr stationäre und ambulante Fälle nach Cannabis-Konsum
Allein die nach Cannabis-Konsum ambulant behandelten Fälle haben sich demnach seit 2013 von knapp 21.000 auf mehr als 45.000 im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt. Wie das Statistische Landesamt kürzlich berichtet hatte, waren auch in den Krankenhäusern in NRW 2021 mit fast 4.000 Patienten fast doppelt so viele Menschen wegen der Folgen von Cannabiskonsum behandelt worden als zehn Jahre zuvor (2011: rund 2.100 Fälle).
Das Düsseldorfer Gesundheitsministerium hatte bereits vor der Gefahr cannabisbedingter Hirnschädigungen bei jungen Erwachsenen gewarnt und sich deswegen grundsätzlich gegen Modellregionen für die kontrollierte Cannabis-Abgabe in NRW ausgesprochen. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte vor der Sommerpause gesagt, die Landesregierung werde zunächst den für Herbst angekündigten Gesetzentwurf des Bundes zu regionalen Modellvorhaben abwarten.
Aus Sicht der Sozialdemokraten stützen die von Laumann vorgelegten Zahlen die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante Legalisierung von Cannabis innerhalb strikter Grenzen. „Während an Alkohol auch 2021 in NRW immer noch rund 2.300 Menschen gestorben sind, gibt es nicht einen einzigen erfassten Cannabis-Toten“, argumentierte der SPD-Abgeordnete Radion Bakum. Eine geordnete Legalisierung werde den illegalen Markt zurückdrängen. Laumanns restriktive Drogenpolitik sei indes gescheitert.
Der Gesundheitsminister schränkte in seinen Ausführungen ein, ob die in den ärztlichen Diagnosen festgehaltenen Substanzen jeweils den Behandlungsfall ausgelöst hätten oder der schädliche Gebrauch nur miterfasst worden sei, lasse sich aus den ausgewerteten Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen nicht auslesen.
Zu berücksichtigen sei darüber hinaus, dass die Zahl der erfassten Diagnosen nicht die tatsächliche Zahl der Konsumenten abbilde. Eine Sucht, die nicht behandelt oder in der Praxis nicht erwähnt werde, könne sich in den dargestellten Zahlen nicht niederschlagen. (dpa)