Nordrhein-Westfalen

Hilfsangebote erreichen in Köln trotz Corona viele Wohnungslose

Der Mobile Medizinische Dienst hat im Vorjahr trotz COVID-19 seine Patientenklientel anscheinend nicht aus den Augen verloren: Aufsuchende Angebote haben viele Menschen erreicht.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Eine Ärztin des Mobilen Medizinischen Dienstes in Köln untersucht einen obdachlosen Patienten (Archivfoto); trotz SARS-CoV-2 haben aufsuchende Angebote Patienten erreicht.

Eine Ärztin des Mobilen Medizinischen Dienstes in Köln untersucht einen obdachlosen Patienten (Archivfoto).

© Oliver Berg / dpa

Köln. Die Corona-Pandemie hat die medizinische Versorgung wohnungsloser Menschen in Köln kaum beeinträchtigt. Trotz der erschwerten Bedingungen konnte der Mobile Medizinische Dienst (MMD) des Gesundheitsamtes nach eigenen Angaben das Angebot im vergangenen Jahr in vollem Umfang aufrechterhalten.

Die Zahl der Behandlungskontakte hat sich laut Jahresbericht 2020 zwar reduziert, die Intensität der Kontakte war zum Teil aber höher als in den Vorjahren. Der MMD bietet Menschen, die keine Wohnung haben, seit mehr als 25 Jahren eine medizinische Grundversorgung an, sowohl ärztlich als auch pflegerisch. Der Großteil erfolgt über Sprechstunden in Behandlungsräumen bei Hilfseinrichtungen oder in Behandlungsbussen.

Zugang zu Hilfen war erschwert

Wohnungslose Menschen haben laut dem Bericht durch die Einschränkungen des öffentlichen Lebens in doppelter Weise gelitten. Zum einen sind ihnen wichtige Einnahmequellen wie Straßenmusik, Betteln oder das Sammeln von Pfandflaschen entfallen. „Zum anderen war der Zugang zu Hilfsangeboten stark erschwert, anfangs teilweise ganz unmöglich, da die Einrichtungen des Hilfesystems zeitweise geschlossen werden mussten und später nur mit stark reduziertem Angebot beziehungsweise für eine deutlich geringere zugelassene Personenzahl wieder öffnen durften.“

Da Streetworker lange nicht im Einsatz waren, war die Kontaktaufnahme zum MMD erschwert. Dennoch konnte der Dienst mit seinem aufsuchenden Angebot im vergangenen Jahr 1376 Menschen behandeln. Von ihnen waren 84,5 Prozent Männer. Es kam zu insgesamt 8465 Behandlungskontakten, nach 8658 im Jahr 2019. 566 oder 41,1 Prozent der Patienten hatten dabei erstmals Kontakt mit dem MMD.

„In den Vorjahren machte diese Untergruppe stets etwa ein Drittel der gesamten Patienten aus.“ Nach dem Bericht kommen immer mehr Wohnungslose mit zum Teil gravierenden chronischen Erkrankungen in die Sprechstunden. „So ist die Versorgung von oft großen chronischen Wunden, zum Beispiel nach injektionsbedingten Infektionen oder Abszessen, sehr zeitaufwendig und führt teilweise zu Wartezeiten für andere Patienten, die nicht immer toleriert werden – ähnlich wie im Regelsystem.“

Oft psychiatrische Erkrankungen

In 28,3 Prozent der Fälle wandten sich Menschen mit internistischen Erkrankungen an den MMD, in 23  Prozent mit chirurgischen Krankheitsbildern. Erkrankungen der (Unter-)Haut stellten die Ärzte bei 13,5  Prozent der Patienten fest. Bei 25,5 Prozent diagnostizierten sie psychiatrische Erkrankungen, oft als Komorbidität. Bei 70 Prozent handelte es sich um Abhängigkeitserkrankungen.

Für die Versorgung der Patienten verfügt der MMD über diagnostische Hilfsmittel wie Sonographie- und 12-Kanal-EKG-Geräte, ebenso Teststreifen. Im Gesundheitsamt steht darüber hinaus weitere apparative Diagnostik zur Verfügung. „Etliche Patienten halten die dort vereinbarten Termine jedoch nicht ein, was bedeutet, dass bereits dieses Angebot zu hochschwellig ist“, heißt es im Bericht.

Klinische Erfahrung nötig

„Die therapeutischen Entscheidungen setzen daher in der Regel ein hohes Maß klinischer Erfahrung voraus.“ In 106 Fällen hat der MMD im vergangenen Jahr eine Mit- oder Weiterbehandlung in Praxen der niedergelassenen Ärzte veranlasst. 217-Mal wurden Patienten in ein Krankenhaus überwiesen. Das Alter der versorgten Patienten reichte von 0 bis 85 Jahren, der Mittelwert lag bei 44,7 Jahren.

Von den 1376 durch den MMD versorgten Patienten hatten 2020 mehr als die Hälfte Anspruch gegenüber einem Krankenversicherer. 766 waren GKV-versichert, acht im Basistarif eines privaten Versicherers. 1,1 Prozent waren über das Sozialamt versichert, 25,2 Prozent nicht versichert. 6,7 Prozent machten keine Angabe zum Versicherungsstatus.

Die medizinische Versorgung der Wohnungslosen sei aufgrund der multiplen Problemlagen auch für die Behandler oft schwierig und belastend, betont der MMD. „Sie bedarf regelmäßiger interner Austausche und Absprachen, außerdem regelmäßiger Supervision und Förderung persönlicher Resilienz.“

Mehr zum Thema

Zahlen des Landesfamilienministeriums

Angebot der vertraulichen Geburt wird in NRW angenommen

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Krankenkassen haben zum Jahreswechsel schlechte Botschaften für ihre Mitglieder: die Zusatzbeiträge steigen stark. Die Kritik an versäumten Reformen der Ampel-Koalition ist einhellig.

© Comugnero Silvana / stock.adobe.com

Update

62 Kassen im Beitragssatz-Check

Höhere Zusatzbeiträge: So teuer wird Ihre Krankenkasse 2025