Nordrhein-Westfalen
Hilfsangebote erreichen in Köln trotz Corona viele Wohnungslose
Der Mobile Medizinische Dienst hat im Vorjahr trotz COVID-19 seine Patientenklientel anscheinend nicht aus den Augen verloren: Aufsuchende Angebote haben viele Menschen erreicht.
Veröffentlicht:Köln. Die Corona-Pandemie hat die medizinische Versorgung wohnungsloser Menschen in Köln kaum beeinträchtigt. Trotz der erschwerten Bedingungen konnte der Mobile Medizinische Dienst (MMD) des Gesundheitsamtes nach eigenen Angaben das Angebot im vergangenen Jahr in vollem Umfang aufrechterhalten.
Die Zahl der Behandlungskontakte hat sich laut Jahresbericht 2020 zwar reduziert, die Intensität der Kontakte war zum Teil aber höher als in den Vorjahren. Der MMD bietet Menschen, die keine Wohnung haben, seit mehr als 25 Jahren eine medizinische Grundversorgung an, sowohl ärztlich als auch pflegerisch. Der Großteil erfolgt über Sprechstunden in Behandlungsräumen bei Hilfseinrichtungen oder in Behandlungsbussen.
Zugang zu Hilfen war erschwert
Wohnungslose Menschen haben laut dem Bericht durch die Einschränkungen des öffentlichen Lebens in doppelter Weise gelitten. Zum einen sind ihnen wichtige Einnahmequellen wie Straßenmusik, Betteln oder das Sammeln von Pfandflaschen entfallen. „Zum anderen war der Zugang zu Hilfsangeboten stark erschwert, anfangs teilweise ganz unmöglich, da die Einrichtungen des Hilfesystems zeitweise geschlossen werden mussten und später nur mit stark reduziertem Angebot beziehungsweise für eine deutlich geringere zugelassene Personenzahl wieder öffnen durften.“
Da Streetworker lange nicht im Einsatz waren, war die Kontaktaufnahme zum MMD erschwert. Dennoch konnte der Dienst mit seinem aufsuchenden Angebot im vergangenen Jahr 1376 Menschen behandeln. Von ihnen waren 84,5 Prozent Männer. Es kam zu insgesamt 8465 Behandlungskontakten, nach 8658 im Jahr 2019. 566 oder 41,1 Prozent der Patienten hatten dabei erstmals Kontakt mit dem MMD.
„In den Vorjahren machte diese Untergruppe stets etwa ein Drittel der gesamten Patienten aus.“ Nach dem Bericht kommen immer mehr Wohnungslose mit zum Teil gravierenden chronischen Erkrankungen in die Sprechstunden. „So ist die Versorgung von oft großen chronischen Wunden, zum Beispiel nach injektionsbedingten Infektionen oder Abszessen, sehr zeitaufwendig und führt teilweise zu Wartezeiten für andere Patienten, die nicht immer toleriert werden – ähnlich wie im Regelsystem.“
Oft psychiatrische Erkrankungen
In 28,3 Prozent der Fälle wandten sich Menschen mit internistischen Erkrankungen an den MMD, in 23 Prozent mit chirurgischen Krankheitsbildern. Erkrankungen der (Unter-)Haut stellten die Ärzte bei 13,5 Prozent der Patienten fest. Bei 25,5 Prozent diagnostizierten sie psychiatrische Erkrankungen, oft als Komorbidität. Bei 70 Prozent handelte es sich um Abhängigkeitserkrankungen.
Für die Versorgung der Patienten verfügt der MMD über diagnostische Hilfsmittel wie Sonographie- und 12-Kanal-EKG-Geräte, ebenso Teststreifen. Im Gesundheitsamt steht darüber hinaus weitere apparative Diagnostik zur Verfügung. „Etliche Patienten halten die dort vereinbarten Termine jedoch nicht ein, was bedeutet, dass bereits dieses Angebot zu hochschwellig ist“, heißt es im Bericht.
Klinische Erfahrung nötig
„Die therapeutischen Entscheidungen setzen daher in der Regel ein hohes Maß klinischer Erfahrung voraus.“ In 106 Fällen hat der MMD im vergangenen Jahr eine Mit- oder Weiterbehandlung in Praxen der niedergelassenen Ärzte veranlasst. 217-Mal wurden Patienten in ein Krankenhaus überwiesen. Das Alter der versorgten Patienten reichte von 0 bis 85 Jahren, der Mittelwert lag bei 44,7 Jahren.
Von den 1376 durch den MMD versorgten Patienten hatten 2020 mehr als die Hälfte Anspruch gegenüber einem Krankenversicherer. 766 waren GKV-versichert, acht im Basistarif eines privaten Versicherers. 1,1 Prozent waren über das Sozialamt versichert, 25,2 Prozent nicht versichert. 6,7 Prozent machten keine Angabe zum Versicherungsstatus.
Die medizinische Versorgung der Wohnungslosen sei aufgrund der multiplen Problemlagen auch für die Behandler oft schwierig und belastend, betont der MMD. „Sie bedarf regelmäßiger interner Austausche und Absprachen, außerdem regelmäßiger Supervision und Förderung persönlicher Resilienz.“