KV Hamburg
KV-Honorare zeigen: "Sie müssten gigantische Nebenjobs haben"
Schlecht bezahlt und von der Politik ignoriert – wie soll die Ärzteschaft darauf reagieren? Die KV-Vertreterversammlung in Hamburg zeigte sich ernüchtert und bekam einen gut gemeinten Rat ihres Vorsitzenden.
Veröffentlicht:Hamburg. Die KV Hamburg bleibt trotz aller Differenzen mit der Politik gespächsbereit, um nach Lösungen für Versorgungsprobleme zu suchen. Auf Bundes- und Landesebene nehmen die KV-Vertreter allerdings immer weniger wahr, dass ein konstruktiver Austausch mit ärztlichen Vertretungen gewünscht wäre.
Als positive Ausnahme nannte KV-Chef John Afful am Mittwoch Abend auf der KV-Vertreterversamlung Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD), die auch für Gesundheit zuständig ist. Auch bei inhaltlichen Differenzen nimmt Afful die Senatorin als lösungsorientiert und aufgeschlossen wahr. Ernüchtert zeigte er sich dagegen von einem langen Gespräch mit den Politikern des Gesundheitsausschusses der Bürgerschaft - in dem auch niedergelassene Ärzte mitwirken. Sein Eindruck: Die Probleme der Niedergelassenen werden von den Politikern ausgeblendet.
Zahlreiche Kritikpunkte an Lauterbachs Politik
Diesen Vorwurf macht die Ärzteschaft seit Monaten auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Auch die Hamburger Vertreter hatten zahlreiche Kritikpunkte. Dazu zählte u.a., dass die angekündigte Entbudgetierung für Pädiater und Hausärzte noch immer nicht umgesetzt sei, dass der Fokus des Bundesgesundheitsministers einseitig auf den stationären Sektor ausgerichtet sei, dass Reformen nur einzelne Sektoren, nicht aber die Versorgung als Ganzes in den Blick nähmen und dass eine wirksame Patientensteuerung bislang unterbunden werde.
Folge dieser Politik wird nach Überzeugung von KV-Vize Caroline Roos sein, dass sich die ohnehin angespannte Situation im ambulanten Bereich weiter zuspitzt. Diese Einschätzung teilen Vertreter wie etwa Dr. Heinz-Hubert Breuer. „Die Politik setzt die Zukunft der ambulanten Medizin aufs Spiel", so Breuer. Er ist überzeugt, dass junge Ärztinnen und Ärzte durch die Gesundheitspolitik abgeschreckt werden.
Viele Patienten ohne Hausarzt
Ein Punkt, der mehrere Vertreter beschäftigt: Die Weiterbildung soll überwiegend ambulant erfolgen, kann dort aber wegen der angespannten Rahmenbedingungen kaum geleistet werden. Ein anderer: Immer mehr Menschen suchen verzweifelt nach einem Hausarzt. Dr. Mike Müller-Glamann sieht als Ausweg nur die dringend erwartete Entbudgetierung.
Nicht nachvollziehbar bleiben Äußerungen von Lauterbach und Kassenvertretern über den angeblichen Durchschnittsverdienst von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, die sich nach deren Aussagen zwischen 215.000 und 230.000 Euro bewegen sollen. Afful reagierte mit den KV-Honoraren aus dem Jahr 2021 in Hamburg: Die insgesamt 1.198 Hausärzte in der Hansestadt kamen im Durchschnitt auf einen Umsatz von 229.390 Euro, der Durchschnitt über alle Fachgruppen betrug 246.317 Euro. Nach Abzug der zum Teil erheblichen Kosten für Personal, Miete und Praxisausstattung bleiben erheblich geringere als die kolportierten Verdienste – oder, wie Afful es ausdrückte: „Sie müssten alle gigantische Nebenjobs haben."
Politik betreibt „schwarze Erziehung"
Neu sind weder bewusste Falschangaben über die angeblichen Spitzenverdiener, noch die Budgetierung und damit eine Preisreduzierung für einen Teil der erbrachten Leistungen. Für Dr. Michael Reusch, Vorsitzender der Vertreterversammlung, könnten solche Maßnahmen „aus dem Lehrbuch für schwarze Erziehung" kommen. Wie können die Ärzte auf diese für sie bedrückende Situation reagieren? Reusch empfahl Nüchternheit: „Nicht daran aufreiben, wir werden das nicht ändern." Einziger Ausweg, der aus seiner Sicht bleibt: Eine Anpassung der Leistungen an die Bezahlung. Das hätte allerdings zur Folge, dass viele Ärztinnen und Ärzte ihre Einstellung ändern müssten. Reusch sprach Klartext: „Ihr Helfersyndrom können wir uns nicht mehr leisten."