Bundestag stimmt IfSG-Novelle zu
Lauterbach zu Corona-Regeln: Wir sprechen heute nicht über einen Freedom Day
In Kürze fallen viele Corona-Auflagen weg. Der Bundestag stimmte einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes am Freitag zu. Gesundheitsminister Lauterbach erklärte, eine Rechtsgrundlage für bundesweite Einschränkungen gebe es nicht mehr.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Berlin. Basisschutz statt Premiumschutz gegen Corona: Der Bundestag hat am Freitag die umstrittene Novelle des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) verabschiedet. Für den Gesetzentwurf der Ampelfraktionen stimmten 388 Abgeordnete, 277 votierten dagegen, zwei Parlamentarier enthielten sich der Stimme. Laut Gesetz sollen die Länder nach dem 19. März nur noch bestimmte niedrigschwellige Auflagen im Kampf gegen die Pandemie anordnen.
Hierzu gehört die Maskenpflicht in Arztpraxen, Krankenhäusern, Dialyse- und Pflegeeinrichtungen sowie im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und im Luft- und Personenverkehr. Testpflichten zum Schutz vulnerabler Personen in Kliniken, Altenheimen sowie Schulen und Kitas sollen ebenfalls weiter möglich sein.
Bei einer bedrohlichen Infektionslage kann eine Hotspot-Regelung greifen. Demnach können Gebietskörperschaften – eine Stadt oder ein ganzes Bundesland – weitere Schutzvorkehrungen wie Maskenpflicht im Einzelhandel, Abstands- und Hygienekonzepte oder 3G-Regeln anwenden. Das hat auf Beschluss des jeweiligen Landesparlaments zu geschehen.
Die neuen Regelungen im IfSG sollen spätestens zum 23. September außer Kraft treten. Dann soll anhand der Infektionslage neu bewertet werden, welche Maßnahmen im Herbst und Winter erforderlich sind. Etliche Länder haben bereits angekündigt, die im Gesetz festgelegte Übergangsfrist für die bislang geltenden Corona-Maßnahmen nutzen zu wollen. Diese gilt bis zum 2. April.
Infektionsgeschehen
So hoch ist die Corona-Inzidenz in den einzelnen Städten und Landkreisen
Verweis auf ungefährlichere Omikron-Variante
Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach verteidigte den Gesetzentwurf. Eine flächendeckende Überlastung des Gesundheitssystems sei angesichts der ungefährlicheren Omikron-Variante derzeit nicht zu erwarten, sagte der SPD-Politiker. Weitgehende Schutzauflagen für ganz Deutschland seien vor diesem Hintergrund nicht tragbar.
Auch sei es rechtlich nicht möglich, dauerhaft „das gesamte Land unter Schutz zu stellen“, um eine „kleine Gruppe von Impfunwilligen“ und diejenigen zu schützen, die nicht bereit seien, Maßnahmen mitzutragen. „Die Balance wird geändert.“ Im Übrigen verfügten die Länder weiter über einen gut gefüllten Instrumentenkasten, um bei hohen Inzidenzen reagieren zu können.
Es handele sich zweifelsfrei um einen „schweren Kompromiss“, gestand Lauterbach ein. Es sei aber kein „Kompromiss zwischen Team Freiheit und Team Vorsicht“, sondern ein Kompromiss zwischen dem, was man den Menschen noch zumuten könne und was es zum Schutz vulnerabler Personen weiterhin brauche. Sollte sich die Infektionslage verändern und eine gefährlichere Omikron-Variante auftreten, sei die Ampel bereit, das Infektionsschutzgesetz erneut anzupassen.
Einen „Freedom Day“ gebe es erst, wenn die Pandemie vorbei sei. Der heutige Beschluss markiere einen solchen Schritt nicht, so Lauterbach. Es brauche mehr Impfungen gegen das Virus, warb er erneut für die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht. „Das ist der einzige sichere Weg aus der Pandemie heraus.“
Opposition: Handwerklich schlecht gemachte Novelle
Vertreter der Opposition kritisierten die IfSG-Novelle dagegen als handwerklich schlecht gemacht. Viele Einzelheiten seien unklar – so auch die Frage, ab welcher Fallzahl die Hotspot-Regelung greifen solle und bei welcher Hospitalisierungsrate eine Überlastung des regionalen Gesundheitssystems drohe, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge. Stattdessen erzeuge das Gesetz „Wirrwarr“ und Chaos. Das kritisierten auch sämtliche Regierungschefs der Länder. Die Ampel lege einen „gesundheitspolitischen Fehlstart“ hin, schob die CDU/CSU nach Verabschiedung des Gesetzes nach.
Steigende Corona-Inzidenzen
Vorerst kein „Freedom Day“ in einigen Bundesländern
Die AfD-Politikerin Dr. Christina Baum nannte das Gesetz eine „Beruhigungspille“ für die Bevölkerung. Die wenigen Erleichterungen, die darin enthalten seien, könnten „je nach Lust und Laune“ aufgehoben werden, da es keine eindeutigen Parameter für die Hotspots gebe, warnte sie.
Ärzteverbände mahnten unterdessen, beim Wegfall zahlreicher Corona-Auflagen den Schutz vulnerabler Gruppen, insbesondere der Menschen über 70, unbedingt aufrechtzuhalten. Vorsicht sei weiterhin auch wegen der hohen infektionsbedingten Personalausfälle in Praxen und Krankenhäusern angezeigt, erklärte die Allianz deutscher Ärzteverbände nach einer Tagung am Donnerstag.