Sachsen-Anhalt
Ministerbesuch treibt Blutdruck in die Höhe
Ein Pilotprojekt in Halle bringt Senioren Telemedizin und Komfort. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn war begeistert.
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Der Minister zu Besuch: Robert Neumann, der übers Tablet mit seinem Hausarzt verbunden ist, hat heute erhöhten Blutdruck.
© Petra Zieler Petra Zieler
Halle. Der Arzt kommt online direkt ins Wohnzimmer von Siglinde und Robert Neumann. Haendel II machts möglich. Ein Pilotprojekt, das auch Jens Spahn und Ministerpräsident Reiner Haseloff interessiert.
Sie sitzen neben dem Ehepaar, als Robert Neumann Tablet und Handy auf dem Wohnzimmertisch platziert. Einige Klicks später ist Dr. Daniel Holzapfel zugeschaltet. Der Hausarzt grüßt in die Runde und erklärt den Gästen: „Herr Neumann ist Hochdruckpatient. Er muss unter Kontrolle sein, aber dank der Telemedizin nicht so oft in meiner Praxis aufschlagen.“ Dann fordert er seinen Patienten auf, die Blutdruckmanschette anzulegen. Ein kurzes „oh“ vom Arzt signalisiert, dass er mit den Werten heute nicht zufrieden ist.
„Wir wiederholen das, wenn der Minister weg ist. Wahrscheinlich hat der Besuch sie etwas aufgeregt.“ Dr. Holzapfel stellt noch ein Rezept für Robert Neumann aus und übermittelt den QR-Code auf dessen Handy. Dann verabschiedet er sich von den Neumanns und ihren Gästen.
Jens Spahn gibt er noch mit auf den Weg: „Innovation braucht Politik. Ich hoffe, dass Sie Deutschland da noch ein Stück weiter voranbringen.“
E-Rezept per QR-Code in der Apotheke einlösbar
Wenig später in der Apotheke trifft Bundesgesundheitsminister auf den Alltag. Zwar kann Apothekenleiterin Ursula Gütle das Rezept von Herrn Neumann dank des QR-Codes einlesen und ihm die Medikamente aushändigen. Aber dann endet die Zukunft. Denn für die Abrechnung mit der Krankenkasse muss das Rezept ausgedruckt werden.

Telemedizin-Projekt: Jens Spahn (2.v.r, CDU) und der Proband Norbert Neumann (r.), probieren in einer Apotheke aus, wie sich per Mobiltelefon ein elektronisches Rezept einlösen lässt.
© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
„Im nächsten Jahr, spätestens 2021 wird auch das Geschichte sein“, verspricht Spahn. Dirk Neumann, Geschäftsführer der Wohnungsgenossenschaft Freiheit, die das Projekt auf den Weg gebracht hat, gibt dem Minister eine Bitte mit auf den Weg: „Der Pflegehilfsmittelkatalog ist völlig antiquiert. Apps und digitale Lösungen müssten integriert werden, damit mehr Patienten partizipieren können.“
Lösungen für selbstbestimmtes Leben im Alter gefragt
Nach aktuellen Prognosen werden um 2060 mehr als ein Drittel der Sachsen-Anhalter über 65 Jahre sein. Projekte, wie Haendel II können mit weitreichenden innovativen Lösungen helfen, ein selbstbestimmtes Leben im Alter zu sichern.
Neben Gesundheit/Telemedizin setzt Haendel II auch auf Sicherheit, Komfort und Kommunikation. Professor Arno Elmer, Geschäftsführer der Better@home Servicegesellschaft Berlin, die mittlerweile auch im Saarland und in Koblenz aktiv ist, formuliert es so: „Wir verfolgen mit unseren innovativen Konzepten das Ziel, Infrastrukturdefizite durch Telemedizin und Assistenzsysteme auszugleichen.“
Weitere Partner im Projekt sind das Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara in Halle sowie die AOK Sachsen-Anhalt.
Das Ehepaar Neumann ist vor drei Jahren von Mecklenburg nach Halle gezogen. „Wir wollten in der Nähe unseres Sohnes leben“, sagen sie. Bewusst hatten sie sich für das Königsviertel in der Saalestadt entschieden, wo die Wohnungsgenossenschaft seniorengerechte Wohnungen gebaut hat, die auf Zukunft ausgerichtet sind.
Seniorengerechte Wohnungen sind digital
Alles im Mehrfamilienhaus ist heute digital, von der Haustafel, die das schwarze Brett ersetzt bis zu Sensoren in den Wohnungen, die die Sicherheit der Bewohner erhöhen.
Stehen Kühlschrank- oder auch Wohnungstüren längere Zeit offen, werden Elektrogeräte zu ungewohnten Zeiten benutzt, ist der Herd ungewöhnlich heiß, läuft Wasser aus oder wird sehr lange keine Bewegung in der Wohnung registriert, wird ein Alarm ausgelöst. Alle Parameter können individuell eingestellt werden.
„Wenn wir mal nicht aus dem Bett kommen, erhält unser Sohn sofort eine Benachrichtigung“, erzählt Siglinde Neumann.
Weder ihr Mann noch sie waren bis dato besonders computeraffin. „Aber das hier ist eine sinnvolle Sache, die uns hilft. Wir haben uns damit beschäftigt und es klappt.“
Beide Neumanns sind 75. In diesem Jahr haben sie ihren 150. Geburtstag ganz groß gefeiert. „Noch sind wir fit. Aber wir können schon bald auf noch mehr digitale Unterstützung angewiesen sein“, sagt Robert Neumann.