Corona-Splitter der KW 25/2021
Riech- und Geschmacksstörungen verschwinden meist innerhalb eines Jahres
Bei 96 Prozent der COVID-19-Patienten waren in einer kleinen Studie Geruch- und Geschmacksstörungen innerhalb eines Jahres wieder verschwunden. Und: Extreme Fatigue könnte ein Anzeichen für einen schweren Verlauf sein.
Veröffentlicht:Update vom 25. Juni 2021
Innerhalb eines Jahres verschwinden offenbar bei fast allen COVID-Patienten mit Riech- und Geschmacksstörungen die Symptome wieder. In einer kleinen Studie mit 51 Patienten waren Riech- und Geschmackssinn bei 96 Prozent der Patienten nach einem Jahr wiederhergestellt, nach sechs Monaten war das schon bei 85,9 Prozent der Fall gewesen. Erfasst wurden die Symptome vierteljährlich mittels Fragebogen und olfaktorischen Tests. Dennoch blieben bei zwei Patienten ein geringeres Riechvermögen sowie eine falsche Wahrnehmung von Gerüchen bestehen (JAMA Netw Open 2021; online 24. Juni).
Sind COVID-19-Patienten zu Beginn der Erkrankung extrem müde, ist die Gefahr für einen kritischen Verlauf deutlich höher. Für solche Patienten ergab sich in einer Auswertung des europäischen Fallregisters LEOSS mit Daten von mehr als 6500 Patienten ein deutlich erhöhtes Risiko für Tod oder kritischen Verlauf (plus 42 Prozent). Das berichtete Dr. Nina Kleineberg von der Universität Köln beim diesjährigen Kongress der European Academy of Neurology. Andere unspezifische neurologische Symptome sind demnach anfangs kaum aussagekräftig, auch besteht für MS-Patienten nach europäischen Registerdaten kein erhöhtes Sterberisiko. (mut)
Update vom 24. Juni 2021
Schon kleine Familientreffen wie an Kindergeburtstagen können in Gegenden mit hohen Inzidenzzahlen die Infektionen in die Höhe treiben. Das berichtet ein Team um Dr. Christopher Whaley von der Non-Profit-Organisation RAND. Für ihre Studie wurden Daten von 2,9 Millionen US-Haushalten ausgewertet. In Haushalten in Gegenden mit hohen Inzidenzzahlen, in denen kurz zuvor Geburtstage stattgefunden hatten, war die Wahrscheinlichkeit einer SARS-CoV-2-Infektion um 31 Prozent höher als in Haushalten, in denen kein Geburtstag stattgefunden hatte. Besonders deutlich scheinen sich dabei Kindergeburtstage auf die Infektionszahlen auszuwirken. In Gegenden mit nur geringen Inzidenzzahlen zeigte sich dieser Zusammenhang dagegen nicht. „Informelle Treffen in kleinen sozialen Gruppen scheinen eine wichtige Rolle bei der Transmission von SARS-CoV-2 zu spielen“, so Whaley und sein Team (JAMA Intern Netw 2021; online 21. Juni).
Innerhalb einer Woche hat sich der Anteil der Delta-Variante in Deutschland fast verdoppelt, von zuletzt acht Prozent auf jetzt 15 Prozent. Das geht aus dem aktuellen RKI-Bericht zu den Virusvarianten hervor. Es sei damit zu rechnen, dass sich die Variante in Deutschland durchsetzen werde; in den vergangenen vier Wochen sei sie in allen Bundesländern nachgewiesen worden. Die meisten Übertragungen fanden demnach in privaten Haushalten statt, zudem gab es größere Ausbrüche (mehr als fünf Personen) am Arbeitsplatz und in Schulen mit bis zu 24 Personen. Delta wird eine deutlich höhere Infektiosität sowie eine reduzierte Wirksamkeit der humoralen und zellulären Immunantwort zugeschrieben. Erste vorläufige Ergebnisse deuteten aber darauf hin, dass auch bei Infektionen mit der Delta-Variante nach vollständiger Impfung ein hoher Schutz gegen schwere Verläufe besteht, heißt es in dem Bericht (RKI-Bericht zu Virusvarianten; online 23. Juni).
Update vom 23. Juni 2021
Im Gehirn von gestorbenen COVID-Patienten haben Forscher inflammatorische Veränderungen nachgewiesen, die denen bei neurologischen Erkrankungen wie Schizophrenie und Depression ähneln. Möglicherweise sind auch die bei Long-COVID-Patienten beobachteten Konzentrationsschwächen und Sprachstörungen auf diese Entzündungen im Gehirn zurückzuführen. Das Team von der Universität des Saarlandes und der Stanford University hatte die Gehirne von acht gestorbenen COVID-Patienten sowie von 14 Kontrollpatienten, von denen einer an Influenza gestorben war, untersucht. Das entnommene Gewebe stammte aus dem Frontallappen der Großhirnrinde sowie dem Plexus choroideus. Mittels RNA-Einzelzellsequenzierung wurden dann die aktiven Gene jeder einzelnen Zelle der Gewebeproben betrachtet. „Wir konnten sehen, dass die Mikroglia im Gehirn bei den an COVID gestorbenen Patienten stark aktiviert waren. Zusätzlich konnten wir aktivierte T-Lymphozyten nachweisen, die vom Blut ins Gehirn gewandert sind“, wird Studienautor Professor Walter Schulz-Schaeffer in einer Mitteilung der Universität des Saarlandes zitiert. Dort hätten sie das entzündete Milieu noch einmal verstärkt. Diese Neuroinflammation konnten die Forscher weder bei dem an Influenza gestorbenen Patienten noch den übrigen Kontrollpatienten feststellen (Nature 2021; online 21. Juni).
Update vom 22. Juni 2021
Die zusätzliche Gabe von Tofacitinib bessert bei hospitalisierten, nicht invasiv beatmeten COVID-Patienten die Prognose: Das Risiko für Tod oder Atemversagen wird verringert. So lautet das Ergebnis der Phase-II-Studie STOP-COVID mit 289 Patienten, in der eine Standardtherapie plus Tofacitinib vs. eine Standardtherapie plus Placebo geprüft wurde. Die kumulative Inzidenz für Tod oder Atemversagen bis Tag 28 (der primäre Endpunkt der Studie) lag in der Tofacitinib-Gruppe bei 18,1 Prozent und in der Placebo-Gruppe bei 29 Prozent (Risk Ratio, RR: 0,63). Tod jeglicher Ursache bis Tag 28 trat bei 2,8 Prozent der zusätzlich mit Tofacitinib behandelten Patienten vs 5,5 Prozent in der Placebo-Gruppe auf (NEJM 2021; online 16. Juni).
Erste positive Daten zur gleichzeitigen Gabe einer COVID- und Influenza-Impfung gibt es zum Impfstoffkandidaten „NVX-CoV2373“ des Unternehmens Novavax. Laut der noch nicht begutachteten Studienergebnisse wird die Effektivität der beiden Impfstoffe nicht beeinflusst. In der Phase-III-Studie wurde die Novavax-Vakzine entweder mit einem zugelassenen Grippe-Impfstoff (Flucelvax®, quadrivalent, zellbasiert) bei 18 bis 64-Jährigen oder einer adjuvantierten trivalenten Influenza-Vakzine bei Über-65-Jährigen kombiniert. Die Ko-Administration habe bei den Grippe-Impfstoffen die Effektivität nicht beeinflusst, die Effektivität der COVID-Vakzine sei lediglich marginal verringert (87,5 vs 89,8 Prozent), berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (medRxiv 2021; online 13. Juni).
Update vom 21. Juni 2021
Das Multisystemische Inflammatorische Syndrom kann als Post-COVID-Symptom auch bei Älteren auftreten. Das berichtet ein Team um Dr. Geneviève Kerkerian von der University of Calgary anhand eines Fallberichts. Der 60-jährige Mann war vier Wochen nach seiner SARS-CoV-2-Infektion und nach Genesung in eine Klinik gekommen. Er berichtete, seit fünf Tagen an Kurzatmigkeit, Fatigue und Fieber über 40°C zu leiden. In der Klinik stellten Kerkerian und ihre Kollegen zudem eine Rechtsherzvergrößerung und Lungenödeme fest, außerdem eine bilaterale Konjunktivitis, Veränderungen der Mundschleimhaut, eine zervikale Lymphadenopathie und die von COVID bekannten Frostbeulen-ähnlichen Veränderungen an der unteren Extremität. Da die Symptome denen eines MIS-C (multisystem inflammatory syndrome in children) ähnelten, warnen sie, dass das Syndrom in seltenen Fällen auch bei Älteren als Post-COVID-Symptom auftreten kann (CMAJ 2021; online 21. Juni).
Die beiden mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna haben keinen Einfluss auf Spermienqualität und Fruchtbarkeit. Diese Befürchtung wird immer wieder von Menschen angegeben, die den mRNA-Vakzinen kritisch gegenüberstehen. Forscher um Daniel Gonzalez von der University of Miami haben daher einen möglichen Zusammenhang in einer kleinen Studie mit 45 Männern im mittleren Alter von 28 Jahren untersucht. Die Probanden hatten vor der ersten Impfung und 70 Tage nach der zweiten Impfung Spermienproben abgegeben. Ergebnis: Weder in Spermienvolumen, noch in Spermienmotilität und -morphologie zeigten sich nach der Impfung Unterschiede (JAMA 2021; online 17. Juni).
Die Größe und Festigkeit von Erythrozyten und Neutrophilen Granulozyten verändern sich bei einer COVID-Erkrankung, und zwar zum Teil über Monate hinweg. Das haben Forscherinnen und Forscher des Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin festgestellt, die Blutproben von 17 COVID-Patienten mit unterschiedlich schweren Verläufen, Rekonvaleszenten sowie 24 gesunden Probanden mit einer neuen Technik namens „real-time deformability cytometry“ (RT-DC) untersucht haben. Dabei werden Leukozyten und Erythrozyten durch einen engen Kanal gedrückt und in die Länge gezogen. Eine Hochgeschwindigkeitskamera fotografiert die Blutzellen und eine spezielle Software ermittel Zelltyp, Größe und Verformbarkeit. Dabei zeigte sich, dass sich Erythrozyten von Erkrankten in Größe und Verformbarkeit deutlich von denen Gesunder unterschieden. Das deute auf eine Zellschädigung hin und könnte das höhere Risiko von Gefäßverschlüssen und Lungenembolien erklären, schreibt das Team um Dr. Markéta Kubánková. Zudem könne dadurch die Sauerstoffversorgung bei Infizierten beeinträchtigt sein. Lymphozyten waren bei COVID-Patienten wiederum deutlich weicher, was auf eine starke Immunreaktion hinweisen kann. Ähnliche Beobachtungen konnten Kubánková und ihre Kollegen auch bei Neutrophilen Granulozyten machen. Diese Zellen blieben auch sieben Monate nach der akuten Infektion drastisch verändert. Dies könnte eine Erklärung für Long-COVID-Symptome sein (Biophysical Journal 2021; online 2. Juni).
Liebe Leser, wir fassen die Corona-Studienlage nun wöchentlich zusammen. Eine Übersicht mit allen bereits veröffentlichten COVID-19-Splittern der vergangenen Wochen und Monate finden Sie hier: