Vorwurf der Blockade

Tarifgehälter in Pflegeheimen: Verbände äußern Unmut über Kostenträger

Pflegeverbände rufen in Sachsen-Anhalt die Gesundheitsministerin zur Hilfe. Grund: Die Krankenkassen blockierten die Refinanzierung von Tarifgehältern für die Pflegekräfte. Die AOK widerspricht.

Veröffentlicht:
Bessere Bezahlung ab September für Pflegekräfte in Heimen. In Sachsen-Anhalt sehen Verbände Hindernisse.

Bessere Bezahlung ab September für Pflegekräfte in Heimen. In Sachsen-Anhalt sehen Verbände Hindernisse.

© Bernd Weißbrod / dpa

Magdeburg. Gut zwei Wochen vor dem politisch festgelegten Start einer zumindest an die Tarife angelehnten Bezahlung von Pflegekräften in Pflegeheimen werfen drei Pflegeverbände Krankenkassen und Sozialhilfeträgern eine „einzigartige Blockadehaltung“ vor. Die Kostenträger verhinderten die „Refinanzierung der versprochenen Tarifgehälter für Pflegekräfte“, kritisieren der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), der Verband Deutscher Alten und Behindertenhilfe (VDAB) und der Landesverband Hauskrankenpflege Sachsen-Anhalt (LVHKP) diese Woche in einer Pressemitteilung.

„Die Politik hat den Pflegekräften zum 1. September 2022 Gehälter versprochen, die überall an Tarifverträge oder Tarifdurchschnittswerte angelehnt sein sollen. Jetzt aber verhindern die Kostenträger die Umsetzung und verweigern ernsthafte Verhandlungen über die notwendige Refinanzierung“, sagte die bpa-Landesvorsitzende Sabine Kösling. „Das ist bundesweit einzigartig und ein Schlag ins Gesicht für die Pflegekräfte.“

„Rechtlich absurde Einschätzung“

Die durch die Tarifpflicht enorm steigenden Personalkosten machten für alle Pflegeeinrichtungen neue Vereinbarungen mit den Kostenträgern zwingend notwendig. In sämtlichen anderen Bundesländern hätten sich Verbände und Kostenträger deshalb auf entsprechende neue Refinanzierungen geeinigt oder befänden sich in Gesprächen dazu.

Lesen sie auch

„In Sachsen-Anhalt behaupten die Kostenträger, die Tariflöhne stellten keinen Grund für Neuverhandlungen dar. Eine einsame und rechtlich absurde Einschätzung“, so Gisela Gerling-Koehler, Leiterin der VDAB-Landesgeschäftsstelle. Je länger die Blockade der Kostenträger dauere, umso höhere Beträge müssten die Pflegeeinrichtungen vorfinanzieren, was gerade kleinere Anbieter schnell in Existenzprobleme bringen könnte.

Die drei Verbände fordern Landessozialministerin Petra Grimm-Benne deshalb auf, sich schnell für echte Verhandlungen zwischen Pflegeverbänden, Kassen und Sozialhilfeträgern einzusetzen.

AOK: Transparenz wichtig

Für „nicht nachvollziehbar“ hält die AOK Sachsen-Anhalt die Vorwürfe. Die AOK und die weiteren Kostenträger hätten bereits seit Monaten mit einer Vielzahl von Pflegediensten und Pflegeeinrichtungen, die noch nicht nach Tarif bezahlen, aber auch mit Berufsverbänden Vergütungsverhandlungen zur Umsetzung der Tarifpflicht geführt und erfolgreich abgeschlossen, teilte eine AOK-Sprecherin auf Anfrage der Ärzte Zeitung mit.

Lesen sie auch

Die Krankenkasse wolle eine tarifliche Vergütung „vollumfänglich refinanzieren“. „Allerdings müssen in den Vergütungsverhandlungen die Personalkosten von den Einrichtungen transparent dargelegt werden. Dabei tun sich private Pflegedienstanbieter und ihre Trägerverbände in Kollektivverhandlungen oft schwer, diese notwendige Transparenz zu schaffen“, so die Sprecherin.

Zudem hätten sich viele private Pflegeeinrichtungen und ihre Trägerverbände noch nicht auf eine Möglichkeit zur Entlohnung auf Tarifniveau festgelegt. Deshalb fehle es oft an einer Verhandlungsgrundlage für eine Refinanzierung eventueller Kostensteigerungen.

Versuch der Nachverhandlungen?

Derzeit, kontert die AOK außerdem, versuchten „einige Verhandlungspartner, darunter Mitglieder vom bpa, VDAB und LVHKP, „die Tarifpflicht für Nachverhandlungen noch laufender Vergütungsverträge zu nutzen. Das ist grundsätzlich nicht ausgeschlossen, doch ist dies an gesetzlich bestimmte Bedingungen geknüpft: Die kostensteigernden Entwicklungen müssen unvorhersehbar, wesentlich und nachvollziehbar belegt sein“.

Meist zeigten die Erfahrungen, dass die Verträge nur noch zwei oder drei Monate laufen. „Die genannten Kriterien sind dann nur selten erfüllt“, so die AOK-Sprecherin. (juk)

Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Kommentar zur Entscheidung des Bundesrats

Klinikreform – ein Fall fürs Lehrbuch

Nach Bundesrats-Votum

Unterschiedliche Reaktionen auf beschlossene Klinikreform

Lesetipps