Krankenhausreform
Trotz Klinik-Insolvenzwelle: BMG plant kein Vorschaltgesetz
In Berlin wird ein Referentenentwurf noch in diesem Jahr nicht ausgeschlossen. Knackpunkte könnten die Notfallversorgung als Leistungsgruppen und Ausnahmeregelungen werden. Das Gesundheitsministerium plant keine Rettungsfinanzierung für Krankenhäuser in Insolvenzverfahren.
Veröffentlicht:Berlin. Im Bundesgesundheitsministerium (BMG) wird nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgebungsprozess zur Krankenhausreform noch im laufenden Jahr startet. Der zuständige Abteilungsleiter im Ministerium, Michael Weller, räumte bei einer Veranstaltung der Techniker Krankenkasse am Mittwoch allerdings ein, dass es bislang lediglich Vorentwürfe gebe. Es wäre allerdings nicht schlecht, Anfang 2024 beginnen zu können.
Am 10. Juli hatten sich Bund und Länder auf gemeinsame Eckpunkte für eine Krankenhausreform verständigt. Seither habe eine Arbeitsgruppe bereits 24 Mal getagt, „um den Fokus scharf zu stellen“, sagte Weller. Vertreter der Ampel-Fraktionen säßen dabei immer mit am Tisch.
BMG legt zweiten Arbeitsentwurf vor
Zeitrahmen für Klinkreform wird weiter gespannt
Trotz der in dieser Woche bekannt gewordenen Nachrichten über weitere Insolvenzanträge von Krankenhäusern hätten die Ampel-Fraktionen „nicht vor, ein Vorschaltgesetz zu machen“, um Krankenhäuser noch vor der Reform zu retten. Zunächst sollten die Grundlagen dafür geschaffen werden, „wie wir eine moderne, zukunftsorientierte Krankenhauslandschaft gestalten wollen“, argumentierte Weller.
Vertreter der Krankenhäuser, der Länder und die Unionsfraktion im Bundestag hatten in der jüngeren Vergangenheit auf ein Vorschaltgesetz gedrungen, um Krankenhäusern Finanzhilfen zukommen lassen zu können.
Weller: „Prüforgien überwinden!“
Die Krankenhäuser hätten während der Pandemie 21,5 Milliarden Euro an Hilfen erhalten und für die in der Folge des Krieges in der Ukraine gestiegenen Energiekosten einen Ausgleich von sechs Milliarden Euro. Zudem seien die Krankenhausausgaben im Land im ersten Halbjahr 2023 um sieben Prozent gestiegen seien, was für die Krankenhäuser Mehreinnahmen von 6,2 Milliarden Euro bedeute.
Die Reform verfolge drei Ziele, sagte Weller: Der Hamsterradeffekt solle überwunden werden, wofür die Vorhaltebudgets eingeführt werden sollten, die Behandlungsqualität solle internationale Standards erreichen und mit der Entbürokratisierung solle ernst gemacht werden. Weller verband diese Pläne mit der Hoffnung, dass mit der Einführung der Vorhaltefinanzierung die „unglaublich hohe Zahl an Einzelfallprüfungen“ in den Krankenhäusern wegfalle. „Diese Prüforgien müssen überwunden werden“, sagte Weller.
Blaupause Nordrhein-Westfalen
Die Zahl der Leistungsgruppen orientiere sich an der Reform in Nordrhein-Westfalen. Dort sollen 60 Leistungsgruppen eingeführt werden. Für eine bundesweite Regelung haben sich die Verhandlungspartner auf 60 plus 5 geeinigt. Darunter fielen unter anderem Kinderabteilungen, die Geriatrien, die Infektiologie und die Notfallmedizin. Letztere werde sich problematisch gestalten, sagte Weller voraus.
Es gebe internistische wie chirurgische Notfälle. Dies lasse sich schwerlich in einer Gruppe behandeln. „Da wird uns aber etwas gemeinsam mit Bund und Ländern einfallen, wie wir dies dem Eckpunktepapier entsprechend abbilden können.“
Bund will Ausnahmen „klar definieren“
Diskussionen erwartet das Ministerium offenbar bei der Definition von Ausnahmen bei der Organisation der Leistungsgruppen. Es bestehe aber nicht die Absicht, in die Planungshoheit der Länder hinein zu regieren. Der Bund sitze allerdings mit im Boot, da jede Leistungsgruppe Vorhaltevergütungen auslöse. Und die wiederum würden von den Kostenträgern bezahlt.
Weller deutete an, dass sehr wohl darüber diskutiert werde, was zum Beispiel in Verbünden geleistet werden könne. „Wir haben als Bund den Anspruch das klar zu definieren“, kündigte Weller an, damit für alle die gleichen Voraussetzungen gälten. Der Medizinische Dienst könne den Ländern dabei Orientierungshilfe geben, ob einem Krankenhaus eine bestimmte Leistungsgruppe zugewiesen werden könne, oder nicht.
Bschor: Nein zur Notfall-Kooperation über 50 Kilometer
Konkreter äußerte sich zu diesem Thema der Leiter der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung, Professor Tom Bschor. „Der Ruf nach Ausnahmeregelungen ist kritisch zu betrachten“, sagte Bschor bei einer gemeinsamen Veranstaltung von AOK Bundesverband und der Arbeitsgemeinschaft Kommunaler Großkrankenhäuser am Mittwochabend.
Wenn ein Krankenhaus Notfallversorgung leisten wolle und dafür mit einer Stroke Unit in 50 Kilometer Entfernung kooperieren wolle, dann sei dies nicht zielführend, sagte Bschor. Bei teleradiologischer Zusammenarbeit spiele die Entfernung hingegen eine untergeordnete Rolle. (af)