Kampagne in 16 Sprachen

Ärzte werben in Videos für Vertrauen in die Corona-Impfung

Die Corona-Impfbereitschaft in Sammelunterkünften ist unterdurchschnittlich – dabei ist gerade dort die Infektionsgefahr hoch. Experten bemängeln, dass es für die Bewohner nicht ausreichend Informationen in ihren Muttersprachen gibt. Ärzte wollen das mit dem Flüchtlingsrat ändern.

Von Lennart Stock Veröffentlicht:
Megi Shehi, Assistenzärztin für Neurologie, am Haupteingang des Klinikums Emden.

Megi Shehi ist Assistenzärztin für Neurologie am Klinikum Emden. Die Medizinerin, die aus Tirana in Albanien stammt, klärt Zugewanderte in einer Social-Media-Kampagne über Corona-Impfungen auf.

© Sina Schuldt / dpa

Emden/Hannover/Berlin. Ruhig, aber bestimmt und mit festem Blick spricht Megi Shehi in die Kamera: „Ich bin Ärztin und habe eine wichtige Botschaft für Sie: Bitte lassen Sie sich gegen das Coronavirus impfen“, sagt die junge Medizinerin in ihrer Muttersprache Albanisch.

Ihr weißer Kittel verleiht der Stimme der angehenden Fachärztin dabei zusätzlich Seriosität. In dem knapp fünfminütigen Video, das sich etwa auf der Videoplattform Youtube findet, thematisiert die junge Ärztin Impfangebote, berichtet von Nebenwirkungen und widerlegt auch Falschmeldungen rund um Corona.

Shehi ist eine von insgesamt 16 Ärztinnen und Ärzten, die ehrenamtlich in ihren jeweiligen Muttersprachen in Videos über Corona-Schutzimpfungen aufklären möchten. Ihre Botschaften auf Albanisch bis Somali richten sich an Menschen, die kaum oder kein Deutsch verstehen: Geflüchtete etwa, die neu in Deutschland sind oder Menschen, die ohne Deutschkenntnisse schon lange in der Bundesrepublik leben.

Die Videos, die auch auf Facebook und Instagram mit dem Hashtag #weexplainforeveryone auftauchen, sind Teil einer Social-Media-Kampagne des niedersächsischen Flüchtlingsrates. Eine zugehörige Kampagnen-Website bietet noch tiefergehende Informationen.

Man muss verstehen, worum es geht

Die Idee zu der Aktion habe ihr sofort gefallen, berichtet Shehi. „Meiner Meinung nach können wir mit der Impfkampagne den Kampf gegen die Corona-Pandemie gewinnen. Aber um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir alle mitmachen. Das ist auch mein Motto“, sagt die 29-Jährige. Zwar gebe es Informationen zu Corona-Schutzimpfungen – nur meist eben nicht in den passenden Sprachen.

„Es ist unglaublich schwierig, eine Entscheidung zu treffen, wenn man nicht versteht, was man gelesen oder gehört hat.“ Gerade wenn man neu in ein Land komme, dazu noch ohne große Sprachkenntnisse, falle die Orientierung schwer.

Die junge Ärztin kennt dieses Gefühl: Nach dem Medizinstudium am Universitätsklinikum in Tirana zog es sie 2017 für ihre fachärztliche Weiterbildung nach Deutschland. Seit drei Jahren arbeitet sie am Klinikum Emden in Ostfriesland als Assistenzärztin für Neurologie. „Der Anfang war natürlich nicht einfach. Aber ich denke, das ist ja bei jedem so, der in ein fremdes Land kommt“, berichtet Shehi.

Schlechte Impfquoten in Sammelunterkünften

Sorgen bereiten Shehi etwa geflüchtete Menschen, die oft in beengten Sammelunterkünften mit vielen Menschen zusammenleben. Sie sind einem höheren Risiko ausgesetzt, an COVID-19 zu erkranken. Alle Menschen, die in Niedersachsen in Unterkünften leben, sind daher bereits seit März priorisiert impfberechtigt.

Die Impfquoten etwa in den Aufnahmeeinrichtungen der Landesaufnahmebehörde hinken allerdings dem Durchschnitt hinterher. Wie die Behörde mitteilt, liegt sie derzeit in ihren Einrichtungen zwischen 20 und 40 Prozent. Für kommunale Unterkünfte liegen keine gesammelten Zahlen vor. Mittlerweile konnte laut der Behörde aber allen impfberechtigten Bewohnerinnen und Bewohnern in den Aufnahmeeinrichtungen ein Impfangebot gemacht werden.

„Wir versuchen, den Menschen möglichst viele Informationen mit auf den Weg zu geben, um für sich selbst eine begründete Abwägung treffen zu können, ob sie sich impfen lassen möchten oder nicht, und auch um Falschinformationen zu entkräften“, sagt Sprecherin Hannah Hintze. Dazu gebe es persönliche Aufklärungsgespräche, bei denen auch Übersetzer anwesend seien, hieß es.

Zudem gebe es Aushänge mit verschiedenen Sprachen und Piktogrammen zu allgemeinen Informationen über das Coronavirus, um möglichst viele Bewohner zu erreichen. Auch die Videos aus der Kampagne des Flüchtlingsrates kämen zum Einsatz.

Vertrauen in den Staat ist oft erschüttert

Doch woran liegt es dann, dass die Impfquoten in den Unterkünften noch nicht höher liegen? Überall in der Gesellschaft gebe es Menschen, die Angst vor Impfungen hätten, betont die Koordinatorin der Kampagne des Flüchtlingsrates, Laura Müller. „Das ist kein kulturelles Problem, sondern ein total menschliches Verhalten.“

Hinzu komme aber noch, dass gerade geflüchtete Menschen, die aus korrupten und gewaltvollen Regimen nach Deutschland kämen, nicht ein uneingeschränktes Vertrauen in den Staat mitbrächten. „Weil viele eben nicht die Erfahrung gemacht haben, dass sie unterstützt werden. Dass man ihnen grundsätzlich etwas Gutes will.“

Zudem seien auch immer wieder Falschinformationen in den Unterkünften im Umlauf. Ein Gerücht sei etwa, dass die Impfung für eine bevorstehende Abschiebung vorbereite oder dass die Impfstoffe unfruchtbar machten.

Mit der Social-Media-Kampagne will der Flüchtlingsrat verlässliche Informationen rund um das Coronavirus vermitteln und Ängste abbauen. Dazu brauche es eine Vertrauensbasis, erklärt Müller. Deshalb sei es auch wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte als solche in den Videos zu erkennen seien, selbst aus den Communities kämen und in ihren Muttersprachen auftreten, erklärte Müller. „Wir haben großartige Rückmeldungen bekommen, genau solche Angebote würden fehlen.“

Videos als niedrigschweliges Info-Angebot

Bislang würden vor allem Informationsblätter eingesetzt, die etwa das Robert Koch-Institut zur Verfügung stellt. Aus Sicht des Flüchtlingsrates reichen diese allein aber nicht aus. „Das ist einfach ultra-hochschwellig, man muss sich richtig Zeit nehmen und wollen, diese Informationen genau zu verstehen. Wir wollen noch einen Schritt davor erreichen: Nämlich erstmal das Erkennen, dass man sich impfen lassen kann und dass das wichtig ist“, sagt Müller. Die Videos ließen sich viel einfacher konsumieren.

Finanziert wird die Kampagne gemeinsam mit der niedersächsischen Lotto-Sport-Stiftung und der Landesbeauftragten für Migration und Teilhabe, Doris Schröder-Köpf. Gern würde der Flüchtlingsrat weitere Videos mit Ärzten wie Shehi in anderen Sprachen konzipieren – noch fehlt dafür das Geld.

Vielmehr hoffen die Initiatoren, dass die Videos einen Anstoß bilden. „Wir sind nur der Start. Nun muss es darum gehen, in den Kommunen Beratungsangebote aufzubauen“, sagt Müller.

Integrationsbeauftragte für Ausbau der mehrsprachigen Angebote

Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, fordert ein verbessertes mehrsprachiges Impfangebot in den Kommunen. „Nötig ist ein mehrsprachiges und aufsuchendes Informations- und Impfangebot vor Ort. Es gibt gute Beispiele in den Kommunen – von Corona-Lotsen, die vor Ort aufklären über Info-Busse und Lautsprecherwagen bis hin zu mobilen Impfstationen“, sagte die CDU-Politikerin der „Rheinischen Post“. Diese Beispiele müssten jetzt lokal und kommunal Schule machen.

„Jeder Vierte hat in Deutschland eine Einwanderungsgeschichte, die meisten erreichen wir über deutschsprachige Medien, aber für Menschen, deren Deutschkenntnisse gering sind, brauchen wir andere Kanäle“, argumentierte Widmann-Mauz.

Megi Shehi wünscht sich, dass die Videos weite Kreise ziehen. „Ich hoffe, dass die Videos bei vielen Menschen ankommen“, sagt die Ärztin. Bekannte und Freunde habe sie bereits auf die Kampagne aufmerksam gemacht. Die ersten positiven Rückmeldungen stimmen die junge Ärztin und den Flüchtlingsrat zuversichtlich. (dpa)
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