Bayerns König Ludwig II. war nicht geisteskrank
NEU-ISENBURG (ug). Als "Mad King Ludwig" kennt ihn die Welt, als selbstverliebten Märchenkönig, als geheimnisumwitterte Kultfigur: Wie verrückt war der bayerische König Ludwig II. (1845 bis 1886) wirklich? War er wahnsinnig, wie seine Regierung behauptete, als sie ihn absetzte? War er ein krankhafter Egomane, litt er an Schizophrenie, an den Spätfolgen einer Syphilis? Oder war er nur ein Unverstandener?
Nun ist der Bayernkönig wieder ein Fall für den Psychiater geworden: Professor Heinz Häfner von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften hat den "Fall Ludwig" noch einmal aufgerollt - mit überraschenden Ergebnissen.
Häfner, Gründer und langjähriger Leiter des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim, hat Material aus bisher unveröffentlichten Quellen, Landtagsstenogrammen und Archiven zusammengetragen und auch das "Geheime Hausarchiv" der königlichen Familie Bayerns einsehen dürfen, teilt die Akademie mit.
Ludwig II., von 1864 bis 1886 König von Bayern und der Pfalz, wurde am 8. Juni 1886 in einem psychiatrischen Gutachten für unheilbar geisteskrank und dauerhaft regierungsunfähig erklärt. Die Diagnose lautet Paranoia und Geistesschwäche. "Diese Schlußfolgerung ist heute nicht mehr zu halten", so Häfner. Nach dem Quellenstudium sei zweifelsfrei zu belegen, daß bei Ludwig II. keine Zeichen von Geistesschwäche und einer paranoiden Psychose vorlagen.
Häfner berücksichtigt die herausragenden Fähigkeiten und Leistungen des Königs, Bauherr berühmter neoromantischer Schlösser, und kommt zu einer anderen Diagnose: Um seinen inneren Konflikten zu entkommen, habe Ludwig zunehmendes Suchtverhalten entwickelt, wenn auch ein sehr ungewöhnliches - er sei bausüchtig geworden. Er zeige in evidenter Weise alle Merkmale einer "nicht substanzgebundenen Sucht", wie sie auch für Glücksspieler typisch sei.
Außerdem hätten Ludwig seit seiner Jugend Ängste vor Menschen geplagt: Er habe unter einer Sozialphobie gelitten. "Diese Erkenntnis ist gleichermaßen neu und unerwartet, läßt sich aber an vielen Details gut belegen", so Häfner zum Ergebnis seiner Studien.