CARE-Bilanz 2020

Corona drängt humanitäre Hilfe auf mediales Abstellgleis

Die Hilfsorganisation CARE warnt vor coronabedingten Einschnitten bei der humanitären Hilfe. Sie appelliert an Politik und Medien, trotz Pandemie mehr Berichterstattung über Hunger etc. zuzulassen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Humanitäre Hilfe wie hier in Sambia soll die Gesundheit und Lebenssituation der Menschen in den betroffenen Regionen verbessern helfen.

Humanitäre Hilfe wie hier in Sambia soll die Gesundheit und Lebenssituation der Menschen in den betroffenen Regionen verbessern helfen.

© Karin Schermbrucker / CARE

Berlin. Für Ärzte, die sich weltweit ehrenamtlich in der humanitären Hilfe engagieren ist es genauso ein Schlag ins Gesicht wie für die Millionen Menschen weltweit, die auf eben diese Unterstützung Dritter angewiesen sind: Corona war im vergangenen Jahr auch in den Medien das Thema schlechthin. „Die COVID-19-Pandemie hat globale Ungleichheiten und menschliches Leid auf unerträgliche Weise verschärft“, bilanzierte Karl-Otto Zentel, Generalsekretär der Hilfsorganisation CARE Deutschland, am Dienstag in Berlin anlässlich der Veröffentlichung des Berichts „Suffering in Silence“.

Armut, extreme Wetterbedingungen und politische Instabilität: Nirgendwo auf der Welt leiden laut Welternährungsprogramm mehr Menschen unter chronischer Unterernährung als in Burundi. Im CARE-Bericht führt das ostafrikanische Land die Rangliste von zehn Krisen an, die 2020 die wenigste mediale Aufmerksamkeit erhielten. Der jährlich erscheinende Bericht macht auf solche Krisen aufmerksam, die weitgehend unbeachtet von der Weltöffentlichkeit stattfinden.

Wie CARE in Erinnerung ruft, seien schon vor dem SARS-CoV-2-Ausbruch mehr als eine Milliarde Menschen von Konflikten, Vertreibungen und der Klimakrise weltweit betroffen gewesen. Nun verschärfe sich mit Corona die Situation.

Werden die humanitären Gelder knapper?

Während sich COVID-19 weiter ausbreite, konzentrierten sich die Regierungen und Institutionen, die traditionell die internationale humanitäre Hilfe unterstützen, auf die Gesundheit ihrer eigenen Bürger sowie ihrer angeschlagenen Volkswirtschaften. Angesichts dieses Trends würden humanitäre Gelder wahrscheinlich knapper werden, befürchtet CARE.

„Die Vereinten Nationen schätzen, dass in diesem Jahr rund 235 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen werden. Das ist ein Anstieg um fast 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und damit ein Negativrekord“, verdeutlicht Zentel. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung sei kaum Raum für Regionen und Gemeinden, die schon vor der Pandemie ums Überleben kämpften. „Mediale Aufmerksamkeit ist eine starke Waffe im Kampf gegen das Vergessen, und daran möchte CARE mit dem Bericht ‚Suffering in Silence‘ erinnern“, ergänzt Zentel.

Wen Corona verschont, den treffen Hunger oder Gewalt

COVID-19 ist laut CARE für die Ärmsten der Armen schlicht eine weitere Gefahr neben vielen. Insbesondere Frauen und Mädchen litten an Einschränkungen, Nahrungsengpässen und Unsicherheit: „Wenn wir nicht an COVID-19 sterben, sterben wir an Hunger oder Gewalt“, so berichten viele Frauen und Mädchen den CARE-Teams in Krisengebieten. CARE-Chef Zentel vergleicht: „Über den Eurovision Song Contest wurde 2020 weltweit fast fünfmal mehr berichtet als über alle zehn im Bericht genannten Krisen zusammengenommen.“

Dass Berichterstattung über humanitäre Krisen auch in Ausnahmesituation möglich sei, zeigten Journalisten aus aller Welt, die im Bericht zu Wort kommen. Um mehr Aufmerksamkeit für humanitäre Krisen zu schaffen, fordert CARE eine enge Zusammenarbeit von Politik, Medien, humanitären und weiteren Akteuren.

Unter anderem appelliert die Hilfsorganisation an Regierungen weltweit, Journalisten sicheren Zugang zu Krisenregionen zu garantieren, um Medienberichterstattung zu ermöglichen. Die Geberländer sieht sie in der Pflicht, mit ihren finanziellen Zusagen den gestiegenen humanitären Bedarf abzudecken. Zehn humanitäre Krisen haben es laut CARE 2020 nicht in die Schlagzeilen geschafft.

10 kaum bekannte humanitäre Krisen

  • Burundi: 2,3 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe.
  • Guatemala: Zehn Millionen Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze.
  • Zentralafrikanische Republik: Ein Viertel der Bevölkerung wurde vertrieben.
  • Ukraine: 3,4 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe
  • Madagaskar: Fast die Hälfte der Kinder leidet wegen Mangelernährung unter Wachstumsverzögerungen.
  • Malawi: 2,6 Millionen Menschen brauchen Nahrungsmittelhilfe.
  • Pakistan: 49 Millionen Menschen fehlt es an ausreichend Nahrung.
  • Mali: 1,3 Millionen Menschen leiden Hunger.
  • Papua-Neuguinea: 4,6 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe.
  • Sambia: 2,6 Millionen Menschen brauchen Nahrungsmittelhilfe.
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Einschätzung von Loeffler-Institut

Vogelgrippe: Gefahr für Rinder und Menschen in Deutschland gering

Das könnte Sie auch interessieren
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
Für Menschen ab 60 Jahren sind die Impfungen gegen Influenza, Corona, Pneumokokken und Herpes zoster (beide nicht im Bild) Standard-Impfungen. Für Menschen ab 75 Jahren kommt die RSV-Impfung hinzu.

© angellodeco / stock.adobe.com

Respiratorisches Synzytial Virus

STIKO: Alle Menschen ab 75 gegen RSV impfen!

Kommentare
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung

Symposium der Paul-Martini-Stiftung

COVID-19 akut: Früher Therapiestart effektiv

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Forscher geben Entwarnung: Handys führen nicht zu einem erhöhten Risiko für verschiedene Krebsarten.

© DragonImages / stock.adobe.com

Zeitreihenanalyse

Studie: Handynutzung erhöht das Krebsrisiko nicht

Akute Atemwegssymptome – wieviel trägt die Luftverschmutzung bei? (Symbolbild mit Fotomodell)

© Sofiia / stock.adobe.com

Respiratorische Symptome

Mehr Luftverschmutzung, mehr Antibiotika