"Den Laufsteg Schule gibt es nicht mehr"

Von Helen Hoffmann Veröffentlicht:

Es sind zwar noch nicht viele, aber es werden immer mehr: Schulen mit Schulkleidung. Klassen im Einheitslook sind in fast allen Bundesländern zu finden. "Ich schätze, daß derzeit etwa 60 Schulen an einem Konzept arbeiten", sagt Studienrätin Karin Brose, die mit ihrem Buch "Schulkleidung ist nicht Schuluniform" einen Leitfaden zur Einführung solcher Kleidung geschrieben hat.

"Wir haben uns für eine modische Kollektion in blau und weiß entschieden", sagt Rektor Thomas Höchst, dessen Regionale Schule in Contwig (Rheinland-Pfalz) 15 verschiedene Oberteile mit Schullogo anbietet. In Absprache mit den Eltern soll die Kleidung für Fünft- und Sechstkläßler verpflichtend sein, für alle anderen freiwillig. "Wir wollen das von unten her wachsen lassen."

Damit folgt die Gesamtschule den Erfahrungen von Brose. Auch sie begann, als sie im Jahr 2000 erstmals in Deutschland Schulkleidung einführte, mit einer fünften Klasse. Mittlerweile haben sich alle Schüler der Haupt- und Realschule in Hamburg-Sinstorf eingedeckt. Etwa 90 Prozent tragen die Oberteile täglich. "Schulkleidung muß auch Spaß machen", sagt die Lehrerin und erzählt, daß derzeit etwa 30 Oberteile in blau und weiß zur Auswahl stehen.

Seit der Einführung hat sich Brose zufolge vor allem das Zusammengehörigkeitsgefühl geändert. Nun gebe es ein Wir-Gefühl. Schulkleidung sei zudem ein Mittel, um Chancengerechtigkeit zu gewährleisten: "Sie sehen nicht mehr, wer aus einer Arzt- und wer aus einer Hartz IV-Familie kommt." Auch "pubertäres Gezicke" höre auf.

Ähnlich gute Erfahrungen hat die Haupt- und Realschule Friesenheim (Baden-Württemberg) gemacht, die seit Juli 2005 Oberteile in fünf verschiedenen Farben anbietet. "Das Klima hat sich deutlich geändert", sagt Schulleiter Günter Behre. "Den Laufsteg Schule gibt es nicht mehr." Die Jugendlichen identifizierten sich nun verstärkt mit ihrer Schule. "Sie sehen und fühlen, daß sie zusammengehören." Besonders die Fünft- und Sechstkläßler seien begeistert.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht in der Entwicklung eine Gegenbewegung zur Ellenbogenmentalität. "Es scheint ein Bedürfnis nach Gemeinschaftserleben zu bestehen. Junge Leute wollen sich offenbar mit ihrer Schule identifizieren", sagt die stellvertretende GEW-Vorsitzende Marianne Demmer. Hohen Erwartungen gibt sie eine Absage. "Das ist nicht die Lösung aller Probleme." Schulkleidung müsse zudem immer freiwillig sein.

Unter Bundes- und Landespolitikern wurde das Thema Schulkleidung im Zusammenhang mit der Integration von Ausländern debattiert. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries nannte einheitliche Kleidung eine "einfache Lösung zur Konfliktvermeidung". Damit könnten nicht nur die Burkas, sondern auch Probleme, die sich durch soziale Unterschiede ergeben, beseitigt werden. Auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan sprach sich für die Einführung aus.

Ein Gesetz ist indes kaum zu erwarten. Studienrätin Brose ist dennoch überzeugt, daß sich Schulkleidung durchsetzen wird. (dpa)

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