Glosse
Die Duftmarke: Die blaue Zimtschnecke
Hand aufs Herz: Sind Sie es leid, Sätze wie „Ja, Herr Doktor, ich hatte einfach keine Zeit“ oder „Frau Doktor, der Geist ist willig ...“ zu hören, wenn Sie über gute Ernährung sprechen? Es gibt eine simple Lösung.
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KI-generierte blaue Zimtschnecke
© ajo via Leonardo.ai
Reden Sie sich bei Patienten des Öfteren den Mund fusselig, um ihnen eine gesunde Ernährung schmackhaft zu machen? Machen Sie sich das Leben leichter und werden Sie zum Trendsetter: Ab sofort definieren Sie als Ärzte, was ein Superfood ist!
Denn die Formel „Altbekanntes Lebensmittel + Maximales Heilsversprechen“ funktioniert seit Jahren schon bei Lebensmittelproduzenten und -händlern: So wurden nach und nach aus einst biederen Pflanzen wie Löwenzahn, Kohl oder Brokkoli Superfoods – einfach, weil sie dazu erkoren wurden. So sollen Shitake-Pilze vor Krebs bewahren, Papayas eine schöne Haut machen und von dem Vitamin-C-Gehalt der Acerola-Kirsche kann man vor Kraft kaum mehr laufen. Von der Açai-Beere bis zum Weizengras: Irgendwie hat doch alles eine Wirkung.
Nicht falsch verstehen: Eine gute, abwechslungsreiche Ernährung ist wichtige Basis jeder Prävention. Überzogene Healthclaims scheitern aber meistens am guten alten „Die Dosis macht das Gift“: Die Mengen, die man von einem Superfood verzehren müsste, um solch übertriebene Wirkungen zu spüren, ist meistens kaum praktikabel – und alles andere als abwechslungsreich. Aber Menschen glauben eben gerne an simple Lösungen: Sagen Sie Patienten deshalb, dass der Apfel als Superfood dem bösen Schnitzel mit Pommes weit überlegen ist: Nennen Sie letzteres Marketing-wirksam „Evil food“ zur Abschreckung. Das will niemand essen.
Sex sells! Preisen Sie Rosenkohl als Aphrodisiakum an – bei Avocados, Ginseng und Zimt glauben die Leute ja auch, dass der bloße Verzehr Wunder wirkt. Ist auch einfacher im Supermarkt zu erhalten als Tigerpenis. Beeilen Sie sich: Pfizer, so munkelt man, will auf den Zug aufspringen und arbeitet bereits an blauen Zimtschnecken ...