Bienenexperten sind rar

Die herausfordernde Arbeit der Bienenärzte

Bienen gehören zu den wichtigsten Nutztieren in der Landwirtschaft. Um ihre Gesundheit kümmert sich eine kleine Gruppe von Fachtierärzten. Die Arbeit mit den Insekten gestaltet sich schwierig.

Von Vanessa Köneke Veröffentlicht:
Eine Biene nähert sich einer Blüte mit vielen, gelben Stuabblättern. Pollen haften an ihren Beinen.

Bei der Bestäuber-Arbeit: Nur 17 spezialisierte Fachtierärzte für Bienen gibt es derzeit bundesweit.

© picture alliance / Harald Dostal / picturedesk.com | Harald Dostal

Berlin. Wenn Hobby-Imker Björn Wilcken sich seine Bienenstöcke anschaut, achtet er auf andere Dinge als viele Imker-Kollegen. Denn Wilcken ist Tierarzt und bald sogar Fachtierarzt für Bienen – einer von nur gut einem Dutzend in Deutschland. „Bienen zählen zu den wichtigsten Nutztieren“, sagt Wilcken. Daher nehme das Bewusstsein zu, dass man sich um ihre Gesundheit kümmern müsse.

Als angehender Fachtierarzt kümmert sich Wilcken nicht nur um die eigenen Bienen. Er ist Amtstierarzt in Berlin. Sein Bienenfachwissen braucht er zum Beispiel, wenn Imker mit ihren Bienenvölkern umziehen möchten. „Ich muss zum Beispiel einschätzen können, ob es Anzeichen der Amerikanischen Faulbrut gibt, damit sie keine Seuchen umhertragen“, sagt Wilcken. Seine Arbeit ist auch wichtig, damit Honig ein sicheres Lebensmittel ist.

Während Bienen und Bienenhaltung sich wachsender Beliebtheit erfreuen, sind die Bienenärzte noch eine kleine Gruppe. Gerade mal 17 auf Bienen spezialisierte Tierärzte gibt es bundesweit laut der Statistik der Bundestierärztekammer für das Jahr 2020. Davon haben neun einen Facharzttitel, die anderen acht eine Zusatzbezeichnung „Bienen“.

Unternehmerisch nicht sinnvoll

Viele von ihnen sind wie Björn Wilcken im Öffentlichen Dienst tätig oder in Laboren. Kaum jemand hat eine typische Kleintierpraxis oder eine Fahrpraxis. „Die Geschäftsidee der Bienenpraxis ist ehrenhaft, aber unternehmerisch nicht sinnvoll“, sagt Wilcken. Unter anderem weil Imker Medikamente in der Regel frei beziehen könnten.

Auch die Arbeit als Bienendoktor gestaltet sich anders als bei Hund, Katze, Pferd, Schwein oder Rind. Denn bei den speziellen Patienten sind Blutuntersuchungen oder Abhören mit einem Stethoskop nicht möglich. „Wir schauen uns weniger die Biene einzeln an, als mehr das ganze Sozialgefüge inklusive Bienenstock“, erläutert Wilcken.

Er achtet auf Aspekte wie: Fliegen die Bienen ruhig oder aufgeregt? Haben sie genügend Futter? Sind Waben verschimmelt? Legt die Königin genügend Eier? Wie ist die Standortumgebung? Danach nimmt er gegebenenfalls Proben: von Honig, Waben, Futterkranz oder auch toten Bienen.

Vorbeugung ist angesagt

Muss eine Krankheit behandelt werden, kann etwa ein Gegenmittel im Bienenstock versprüht werden. Da es für Bienen aber nur wenige Medikamente gibt, ist die Vorbeugung von Krankheiten wichtig, etwa vor einem Befall mit Varroamilben. Dieser Parasit schwächt die Bienen und kann zudem krankmachende Viren übertragen. Dass Wilcken Bienenkrankheiten diagnostizieren und behandeln kann, liegt an seinem eigenen Engagement.

Traditionell werden Bienen in der Tierarztausbildung nur als Teil der Parasitologie oder als Wahlfach gelehrt, sagt Heike Aupperle-Lellbach. Die Veterinärin war die erste Fachtierärztin für Bienen in Deutschland. Als damals wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Leipzig hat sie vor einigen Jahren angestoßen, dass eine Ausbildung zum Bienen-Fachtierarzt in Deutschland angeboten wird.

Wir müssen uns eingestehen, dass wir nicht so viele Bienenärzte haben, wie wir brauchen.

Björn Wilcken, Amtstierarzt in Berlin, Hobby-Imker und angehender Fachtierarzt für Bienen

Sie beklagt, dass zum Beispiel bei neuen Gesetzen meist nur Imker und Biologen gefragt würden. „Die machen einen super Job, aber Tierseuchenbekämpfung, Lebensmittelrecht oder Arzneimittelrecht sind veterinärmedizinische Themen.“

Um die Bedeutung der Biene im Veterinärwesen zu stärken, hat sie 2014 eine Fachgruppe für Bienen in der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) angestoßen. Inzwischen leitet Björn Wilcken die Gruppe. Auf der Website der Fachgruppe sind alle Kontaktdaten der tierärztlichen Bienenexperten gelistet – in der Hoffnung, dass die Veterinäre zum Beispiel bei der Bekämpfung der Amerikanischen Faulbrut kontaktiert und einbezogen werden.

Bienenlehre kommt zu kurz

„Wir müssen uns aber eingestehen, dass wir nicht so viele Bienenärzte haben, wie wir brauchen“, sagt Wilcken. Laut Aupperle-Lellbach ließe sich das ändern, wenn die Tierärztekammern individuellere Lösungen ermöglichten, um Leistungen für die Facharztausbildung anzuerkennen.

Sie selbst konnte den Titel nach eigenen Angaben nur bekommen, weil die Tierärztekammer ihr Selbststudium anerkannt hat – schließlich gab es noch keine Ausbildung. Die Akademie für tierärztliche Fortbildung (ATF) der Bundestierärztekammer bietet seit 2015 Fortbildungen für Tierärzte zu Bienenthemen an.

Klimawandel ist Faktor für Bienensterblichkeit

Dass Bienenexperten immer noch eher eine Rarität sind, ist nicht nur in Deutschland so. „Bienenlehre bekommt in der EU im veterinärmedizinischen Studium weniger Aufmerksamkeit als andere Fachgebiete“, schlussfolgerte eine internationale Forschergruppe in einer 2019 erschienenen Überblicksarbeit.

Versuchstierkunde oder Fische würden zum Beispiel stärker thematisiert. Dabei sei die Bienensterblichkeit aufgrund verschiedener Einflüsse wie Pestizideinsatz und Klimawandel groß. Eine Weiterbildung nach dem Studium gibt es laut der Studie europaweit nur an 19 Einrichtungen.

Hobby-Imker und Amtsarzt Wilcken sieht die Bienenveterinäre aber auch als Netzwerker, die ihre Expertise mit dem Wissen anderer Bienenexperten verknüpfen wollen. „Die Biene ist ein zu vielfältiges Wesen, um sie nur einer Berufsgruppe zuzuordnen“, so Wilcken. „Wenn jeder etwas mitbringt zum Buffet, dann wird es ein großartiger Abend.“ (dpa)

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