Ministerpräsident lobt

Dresdner Medizinstudenten ernten Zuspruch für Protest gegen Corona-Leugner

Sich nicht gemeinmachen mit Corona-Schwurblern und Extremisten: Medizinstudenten haben mit einer Mahnwache vor dem Dresdner Uniklinikum ein großes Echo ausgelöst. Die „Ärzte Zeitung“ sprach mit den Organisatoren.

Sven EichstädtVon Sven Eichstädt Veröffentlicht:
Statement gegen Wissenschaftsfeindlichkeit der sogenannten Querdenker: Mahnwache der Studierenden.

Statement gegen Wissenschaftsfeindlichkeit der sogenannten Querdenker: Mahnwache der Studierenden.

© Jonas Steinhäuser

Dresden. Am 12. Januar ist Jonas Steinhäuser (26 Jahre) und Marie-Luise Rohm (22) klar geworden, dass sie etwas unternehmen müssen. Am Vormittag sehen die beiden Medizinstudierenden aus Dresden bei einem befreundeten Journalisten und Arzt auf Twitter, dass die Partei „Freie Sachsen“, die vom sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft worden ist, für Donnerstagabend zu einer Demonstration am Uniklinikum Dresden aufgerufen hat.

„Da war für uns klar, dass wir uns da positionieren wollen und wir haben kurzfristig überlegt, wie eine Form des Protests aussehen könnte“, erinnert sich Steinhäuser, der sich im neunten Semester befindet und studentisches Mitglied der Studienkommission Humanmedizin ist.

Die Dresdner Polizei informierte zuvor am Mittwoch darüber, dass sie sich wegen der bevorstehenden Demonstration für Donnerstag auf einen großen Einsatz vorbereite. Bei zurückliegenden Einsätzen habe sich gezeigt, dass Extremisten mehrfach eine „tragende Rolle bei den unzulässigen Versammlungen“ eingenommen hätten, so die Polizei in einer Mitteilung. So sei es wiederholt zu tätlichen Angriffen auf Polizisten gekommen.

Demo vor Klinik schon im Dezember

Steinhäuser und Rohm denken daran zurück, dass schon im Dezember Demonstranten aus der Querdenker-Szene vor einem anderen Dresdner Krankenhaus protestiert hatten. Außerdem kommen ihnen Bilder aus den Vereinigten Staaten in den Sinn, wo Klinikpersonal direkt vor den Krankenhäusern Beleidigungen und Anfeindungen ausgesetzt war.

„Für uns war klar, dass wir solche Szenen vor unserem Ausbildungskrankenhaus um jeden Preis vermeiden wollen“, berichtet Steinhäuser, der auch stellvertretender Vorsitzender der Fachschaft ist. „Wir wollten mit unserem Protest aber auch zeigen: Wir überlassen Rechtsextremen und Wissenschaftsleugnern nicht das Feld.“

Erst geht die Polizei gegen sie vor, dann ernten sie viel Zustimmung für ihren Protest: Teilnehmer der Mahnwache vor dem Uniklinikum Dresden.

Erst geht die Polizei gegen sie vor, dann ernten sie viel Zustimmung für ihren Protest: Jonas Steinhäuser (re.) mit Kommilitonen vor dem Uniklinikum Dresden.

© Jonas Steinhäuser

Steinhäuser und Rohm, die im siebten Semester studiert, wollten nicht akzeptieren, dass Neonazis sich unter dem „Deckmantel der Kritik an den Corona-Maßnahmen Zulauf“ verschafften und klar zeigen: „Das wollen wir nicht, das bleibt nicht unwidersprochen.“ Mit Schildern wie „Lauft nicht mit Nazis!“, wollten sie klarmachen: „Bei allen möglichen Diskussionen über Corona-Maßnahmen oder über eine Impfpflicht – wer sich mit Rechtsextremen gemeinmacht, verlässt die Basis für einen demokratischen Diskurs“, meint Steinhäuser.

Am Donnerstagabend beteiligen sich dann nach Schätzungen der Studierenden zwischen 100 und 150 Menschen an der Mahnwache vor dem Uniklinikum, die Studierenden werden spontan auch von Pflegenden des Krankenhauses unterstützt.

Polizei geht gegen Studierende vor

Die Polizei versucht, mit mehr als 1000 Einsatzkräften die Landeshauptstadt und auch das Uniklinikum vor einem großen Aufmarsch von Extremisten zu bewahren. Zu diesem Zeitpunkt sind in Sachsen nur Kundgebungen mit bis zu zehn Teilnehmern erlaubt. Polizeisprecher Marko Laske spricht am Donnerstagabend von einer sehr dynamischen Lage. Dabei kommt es auch dazu, dass die Polizei von 22 Teilnehmern der studentischen Mahnwache die Identitäten feststellt und gegen sie Ordnungswidrigkeitsverfahren einleitet.

Polizeisprecher Thomas Geithner begründet dies am vergangenen Freitag damit, dass die Teilnehmer nicht der Aufforderung der Polizei gefolgt seien, einen bestimmten Bereich zu verlassen. Steinhäuser schildert, dass aus Protokollen der Teilnehmer der Mahnwache ersichtlich werde, dass eine Gruppengröße von mehr als zehn Personen erst dadurch entstanden sei, weil die Polizei gebeten habe, sich zentral an einer Stelle zu sammeln. „Die Studierenden waren davon ausgegangen, dass das eine Schutzmaßnahme war, um eine Vermischung der Demonstrationslager zu verhindern.“

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Dresdens Polizeipräsident Jörg Kubiessa wirft am Freitag den Studierenden vor, ihre Aktionen nicht als Kundgebungen angemeldet zu haben: „Vielmehr wünsche ich mir, dass zukünftig Versammlungen angezeigt werden, damit sie kooperiert und von uns geschützt werden können.“

Steinhäuser sagt, mindestens zwei Teilnehmer hätten Spontanversammlungen angemeldet und dies auch mündlich von der Polizei bestätigt bekommen. „Durch die sehr dynamische Situation war das aber nicht allen Beamten bewusst, sodass diese die Personalien von 22 Studierenden aufgenommen haben.“

Solidarität mit Studierenden

Eine große Solidarisierungswelle mit den Studierenden setzt ein. Die Technische Universität Dresden sagt ihnen auf Twitter ihre „volle Unterstützung“ zu. „Wer sich unter Einhaltung der Corona-Hygienemaßnahmen schützend vor seine Klinik stellt und seine Solidarität mit der Belegschaft und den Patienten zum Ausdruck bringt, verdient Respekt und Anerkennung und darf nicht noch Nachteile erleiden“, findet Pauline Graichen, Vorsitzende des Sprecherrates der Medizinstudierenden im Marburger Bund.

Miriam Wawra, Präsidentin der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland, dankt am Montag „den Medizinstudierenden in Dresden für ihren Einsatz für wissenschaftlich fundierte Maßnahmen und das mutige Einstehen für besonders gefährdete Personen“.

Wir wollten mit unserem Protest aber auch zeigen: Wir überlassen Rechtsextremen und Wissenschaftsleugnern nicht das Feld.

Jonas Steinhäuser und Marie-Luise Rohm, Medizinstudenten in Dresden

Auch die SPD und Grünen, die in Sachsen zusammen mit der CDU regieren, äußern sich. „Es kann nicht sein, dass immer wieder illegale Ansammlungen toleriert werden, während an den meist regelkonformen, angemeldeten Gegenprotest andere Maßstäbe angelegt werden“, sagt Albrecht Pallas, innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion.

„Es ist kaum vermittelbar und ein fatales Signal an alle engagierten Demokratinnen und Demokraten, dass Sachsens Innenminister und Ministerpräsident mit Blick auf die Demonstrationen aus der Querdenken-Szene zwar fortwährend nach der Zivilgesellschaft rufen, die Polizei deren friedlichen Protest dann aber drangsaliert“, findet Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. „Die viel beschworene Verhältnismäßigkeit gilt nicht nur für Querdenken-Proteste.“

Kretschmer: Wichtiges Statement

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) selbst schreibt auf Twitter an die Studierenden gerichtet „Danke“ und spricht von einem „klaren und wichtigen Statement“. „Das sind starke und wichtige Zeichen aus der Politik und Hochschulpolitik und wir sind sehr dankbar für die breite Basis an Unterstützungen“, sagt Steinhäuser. „Wir werten das Lob des Ministerpräsidenten und des Innenministers auch als Zeichen, dass für die von polizeilichen Maßnahmen betroffenen Studierenden keine weiteren negativen Konsequenzen folgen.“

Steinhäuser und Rohm sind froh, dass es der Polizei gelungen ist, einen Aufmarsch der Extremisten am Uniklinikum zu verhindern und freuen sich, „dass wir mit unserer Aktion die Debatte über das Engagement der Zivilgesellschaft gegen antidemokratische Prozesse der Gesellschaft neu anregen konnten“.

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