"Festes Haus" Göttingen
Eher Kloster-Klinik als Gefängnis
In Göttingen entsteht für 30 Millionen Euro eine neue Hochsicherheitseinrichtung für psychisch kranke Straftäter. Es sollen mehr Räumlichkeiten für die Therapie geschaffen werden.
Veröffentlicht:GÖTTINGEN. In Göttingen gibt es ein Krankenhaus, das es in dieser Form eigentlich schon seit Jahrzehnten nicht mehr geben dürfte. Die Klinik befindet sich in einem Backsteingebäude aus dem Jahr 1909, das von meterhohen Mauern umgeben ist und wie eine Festung aussieht.
In dem so genannten "Festen Haus" sind psychisch kranke Straftäter untergebracht, die wegen besonderer Gefährlichkeit oder Fluchtgefahr nicht in anderen Krankenhäusern behandelt werden können.
Schon in den 1980er Jahren beklagte eine Kommission, dass die Unterbringung dieser Patienten menschenunwürdig sei und das Gebäude nicht einmal ansatzweise heutigen therapeutischen Anforderungen genüge.
Nach mehr als drei Jahrzehnten soll dieser Missstand nun ein Ende haben. In unmittelbarer Nachbarschaft entsteht jetzt ein 30 Millionen Euro teurer Neubau.
In dem neuen Gebäude sollen bis zu 70 Patienten des Niedersächsischen Maßregelvollzugszentrums Moringen auf vier Stationen untergebracht werden, der Altbau bietet dagegen nur Platz für 32 Patienten. Inzwischen sind die Konturen des neuen Hochsicherheitsbereiches deutlich zu erkennen.
Der Neubau hat einen völlig anderen Charakter als das alte gefängnisartige Gebäude. Dieses war ursprünglich als reines "Verwahrhaus" konzipiert, heute wirkt es wie ein in Stein gehauenes Monument der populistischen Forderung "Wegsperren - und zwar für immer".
Zaun aus Berberitzen-Büschen
Ein "Qualitätsmerkmal" hatte das Feste Haus - bislang hat es dort nie einen Ausbruch gegeben. Auch der Neubau wird hoch gesichert, allerdings auf ganz andere Weise: Vor Beginn der Bauarbeiten wurde rund um das 50.000 Quadratmeter große Gelände die so genannte "Moringer Hecke" angelegt.
Diese besteht aus mehreren Reihen von Berberitzen-Büschen, dazwischen befindet sich ein mit NATO-Draht überspannter Sicherheitszaun. Da Berberitzen sehr dornig sind, bilden sie eine undurchdringliche Barriere für jeden, der versuchen sollte, den Zaun zu überklettern.
"Diese Sicherung hat sich bereits seit vielen Jahren im Maßregelvollzugszentrum Moringen bewährt", sagt der Ärztliche Leiter der Einrichtung, Dr. Dirk Hesse.
Das Hauptgebäude umschließt einen quadratischen Innenhof, so dass die ganze Anlage eher einem Kloster als einem Gefängnis ähnelt. "Die Fenster sind zwar ausbruchssicher, aber nicht vergittert", erläutert Hesse. Die psychisch kranken Straftäter wohnen in Einzel- oder Doppelzimmern, je sechs Patienten teilen sich Wohnküche und Wohnzimmer.
Vor allem aber gibt es hier deutlich mehr Behandlungsmöglichkeiten. Der Neubau beherbergt unter anderem einen größeren Werkstattbereich für die Arbeitstherapie. Im alten Gebäude gebe es dafür lediglich zehn Plätze, dies sei ein unhaltbarer Zustand, meint Hesse.
Außerdem fehle es dort an Bewegungsmöglichkeiten. Im neuen Gebäude stehen den Patienten dagegen ein Fitnessraum und eine Turnhalle zur Verfügung. Diese ist mit einem separaten Zugang ausgestattet, so dass sie auch von örtlichen Vereinen genutzt werden kann.
Das Gebäude wird insgesamt deutlich offener sein. Im vorderen Bereich wird eine Cafeteria eingerichtet, die der Förderverein des Maßregelvollzugszentrums betreiben wird. Allerdings wird auch hier auf Sicherheit geachtet: Jeder Besucher muss vor dem Betreten des Grundstücks eine Schleuse passieren.
"Wir liegen gut im Zeitplan"
Die neue Maßregelvollzugseinrichtung bringt auch unter energietechnischen Gesichtspunkten deutliche Verbesserungen. Am Rande des Geländes entsteht ein separates Heizhaus, das mit einer Holzhackschnitzelanlage ausgestattet ist. Diese wird über ein Nahwärmenetz auch die benachbarte Jugendanstalt mitversorgen.
Mitte 2015 soll das neue Gebäude in Betrieb gehen. "Wir sind aufgrund des milden Winters in diesem Jahr gut im Zeitplan", sagt Andreas Birner vom Staatlichen Baumanagement Südniedersachsen. Was aus dem alten Festen Haus wird, ist bislang noch unklar.