Ein Blick über den Eisernen Vorhang

Nur spärlich flossen in den 1980er Jahren Nachrichten aus der DDR in den Westen. Das Ausmaß an Umweltzerstörung war ebenso unbekannt wie die gesundheitliche Ausbeutung von Menschen am Arbeitsplatz.

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Raubbau an der Umwelt: Zerstörungen durch den Uranabbau der SDAG Wismut bei Zwickau.

Raubbau an der Umwelt: Zerstörungen durch den Uranabbau der SDAG Wismut bei Zwickau.

© dpa

Neu-Isenburg, 11. Januar 1988. Unter der Rubrik "Zeitgeschehen" erscheint erstmals eine neue Themenseite, die sich fortan wöchentlich mit einem medizinisch-gesellschaftspolitisch brisanten Thema beschäftigt.

Den Start macht der Bericht von Dr. Peter Seifert, eines 1984 aus der DDR im Zusammenhang mit einem Milliardenkredit aus der DDR frei gekauften Arztes über die arbeits- und umweltmedizinischen Bedingungen im Arbeiter- und Bauernstaat.

1988 hatte man sich in der alten Bundesrepublik längst an die Teilung Deutschlands gewöhnt.

Mit einigem Interesse blickte man allenfalls auf die Sowjetunion, wo KPdSU-Generalsekretär Gorbatschow Glasnost und Perestroika verordnet hatte. Aber die DDR war für die meisten Westdeutschen Terra incognita.

Peter Seifert beschrieb in seinem Bericht, was Westdeutsche dann zwei Jahre später mit eigenen Augen - und oft erschrockenem Staunen - besichtigen konnten: an der Umwelt wurde Raubbau getrieben, und der Arbeiter im Arbeiter- und Bauernstaat war ein Produktionsfaktor, der auch gesundheitlich ausgebeutet wurde.

Seifert, der sechs Jahre lang nebenberuflich als Betriebsarzt für eine Drahtzieherei in Weißenfels bei Leipzig gearbeitet hatte, berichtete: "Die Beschäftigten mussten häufig schon nach zwei bis drei Jahren aus gesundheitlichen Gründen die Abteilung wechseln."

Und weiter: "In der Drahtzieherei lockten Löhne bis zu 1800 Mark im Monat, weit mehr als ein Arzt verdiente. Zur Schwerarbeit in drei Schichten, in drückendem Akkord, gab es Zuschläge für brütende Hitze, ohrenbetäubenden Lärm, fast unerträglichen Staub. Der Trend zu tödlichen Arbeitsunfällen steigt...Der Arbeiter wird an letzter, die Produktion an erster Stelle gesehen." (HL)

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Kommentare
Dr. Winfried Koller 10.04.201209:10 Uhr

Von der Kohl´schen Fehleinschätzung zum "Wende"-Zeitpunkt

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Grünwoldt, bitte erläutern Sie uns doch die Kohl''sche Fehleinschätzung.
Ich jedenfalls freue mich über die Veränderungen, die ich anläßlich meiner zahlreichen Besuche (erstmals 1961) in den ostdeutschen Ländern feststellen kann. Ich denke, Kollegen im "Ruhrgebiet" würden sich über eine vergleichbare Persönlichkeit freuen.
Die tatsächliche Entfremdung darf nicht taub und blind machen. Als Ärzte haben wir eine besondere Verantwortung, was Solidarität betrifft.
Und deshalb bin ich für meine Person auch stolz auf das Erreichte.
Dr. med. Winfried Koller, Jahrgang 1946, in eigener Praxis bis 2011.

Dr. Horst Grünwoldt 03.04.201222:41 Uhr

Nationale Verbundenheit

Ohne die drei Millionen DDR-Flüchtlinge in Westdeutschland und deren Nachkommen wären die gemeinsamen Bande zum ostdeutschen Land und Volk jenseits der Elbe nach 40 Jahren der staatlichen Trennung und sprachlichen Entfremdung noch schwächer zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung gewesen.
Von der Kohl´schen Fehleinschätzung zum "Wende"-Zeitpunkt (Zusammenbruch des planwirtschaftlichen und politischen DDR-Regimes) einmal abgesehen, ist es schon erstaunlich, wie wenig die seit Mitte der siebziger Jahre (Helsinki-Schlußakte) gelockerten West-Ost-Kontakte genutzt wurden, die zunehmend schlechteren Arbeits- und Lebensbedingungen der Deutschen östlich der Elbe wahrzunehmen.
Von der Stümperhaftigkeit der westlichen Nachrichtendienste (BND und CIA) gar nicht zu sprechen.
Und dabei haben alle maßgeblichen Stellen in Ost und West von der volkswirtschaftlich katastrophalen Lage der SED-Diktatur spätestens Anfang der 80er Jahre (Milliardenkredit durch den Überbringer F.J. Strauß) gewußt.
Zum großen Glück ist ein paar Jahre später das gemeinsame Vereinigungs-Werk dank der Tatkraft aller freien Deutschen auf wundersame Weise gelungen.
Und darum beneiden uns nicht nur die Völker des früheren "Ostblocks", die keine Brüder und Schwestern im demokratischen Westen hatten, sondern bewundert uns Geamtdeutsche wieder einmal die ganze Welt!
Das ist natürlich kein Grund, erneut in Euphorie auszubrechen; schließlich gibt es noch genug im ganzen Lande zu verbessern.
Aber stolz sein dürfen wir auf das Erreichte doch!
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt (1945, 1966 DDR- Ostseeflüchtling) Rostock

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